Klassische Mechanik
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Nach diesen Definitionen und Vorüberlegungen betrachten wir jetzt das Integral I, wobei wir für y(x)<br />
den Ansatz (6.2) einsetzen und I als Funktion von ɛ ansehen:<br />
x2<br />
I(ε) ≡ F (y + εη, y ′ + εη ′ , x) dx . (6.5)<br />
Wir suchen ein Extremum von I. Das bedeutet, dass<br />
x2<br />
dI <br />
′<br />
<br />
∂F (y, y , x)<br />
dε =<br />
ε=0 x1 ∂y<br />
x1<br />
η(x) + ∂F (y, y′ , x)<br />
∂y ′ η ′ (x)<br />
<br />
dx = 0 (6.6)<br />
sein muss für alle Funktionen η(x).<br />
Wir formen den zweiten Summanden durch partielle Integration um:<br />
x2<br />
∂F (y, y<br />
x1<br />
′ , x)<br />
∂y ′ η ′ x2<br />
partielle Integration d ∂F (y, y<br />
(x)dx = −<br />
x1 dx<br />
′ <br />
, x)<br />
η(x) dx +<br />
∂y<br />
∂F (y, y′ , x)<br />
∂y ′<br />
x2<br />
<br />
η(x) <br />
. (6.7)<br />
x1<br />
<br />
Eingesetzt in (6.6) ergibt sich<br />
x2<br />
x1<br />
∂F (y, y ′ , x)<br />
∂y<br />
− d<br />
dx<br />
Dies ist genau dann für alle möglichen Funktionen η(x) erfüllt, wenn<br />
null, da η(x1)=η(x2)=0<br />
∂F (y, y ′ , x)<br />
∂y ′<br />
<br />
η(x)dx = 0 (6.8)<br />
d ∂F ∂F<br />
− = 0 (6.9)<br />
dx ∂y ′ ∂y<br />
ist. (Das folgt aus dem “Fundamental-Lemma der Variationsrechnung ohne Nebenbedingungen”.)<br />
Wir haben also die Aufgabe, das Integral I zu maximieren (oder minimieren), zurückgeführt auf die<br />
Aufgabe, die Differenzialgleichung (6.9) zu lösen.<br />
Hängt der Integrand F (y, y ′ ) nicht explizit von x ab, ist es zur Lösung konkreter Aufgaben zweckmäßig,<br />
die Bedingung (6.9) auf die Bedingung<br />
′ ∂F<br />
H ≡ F − y = konst (6.10)<br />
∂y ′<br />
umzuschreiben.<br />
Test: H = konst bedeutet dH/dx = 0, und dies sieht man anhand von<br />
<br />
dH ∂F ∂F ∂F d ∂F ∂F d ∂F<br />
= y′ + y′′ − y′′ − y′ = y′ −<br />
dx ∂y ∂y ′ ∂y ′ dx ∂y ′ ∂y dx ∂y ′<br />
<br />
= 0 .<br />
<br />
=0 nach Gl. (6.9)<br />
Also ist H = konst genau dann erfüllt, wenn Gl. (6.9) erfüllt ist.<br />
6.2 Beispiel: Brachistochronen-Problem<br />
Als Beispiel für die Variationsrechnung mit einer Variablen betrachten wir das sogenannte Brachistochronen-<br />
Problem. Dieses in der Geschichte der Mathematik berühmte Problem wurde 1696 von Johann Bernoulli<br />
gestellt und begründete die Variationsrechnung: Ein Massepunkt mit Anfangsgeschwindigkeit Null soll<br />
im Gravitationsfeld reibungsfrei von P1 = (x1, 0) nach P2 = (x2, y2) laufen. (Es zeige die y-Achse in<br />
Richtung der Gravitationskraft, so dass y2 > 0 ist.) Gesucht ist diejenige Zwangsfläche, die die hierfür<br />
benötigte Zeit minimiert.<br />
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