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(Hg.) – Das ganz alltägliche Elend - Löcker Verlag

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ehrlich sagen: Mein Bruder und ich durften damals in die Mittelschule gehen.<br />

<strong>Das</strong> war in den 50er und 60er Jahren ein absolutes Novum. <strong>Das</strong> war nicht selbstverständlich,<br />

dass man da in die Schule gehen konnte. In meinem Milieu jedenfalls.<br />

Nur wenn sich die Eltern das leisten konnten. Ich darf erinnern, meine<br />

Eltern mussten damals noch Schulgeld zahlen. Semesterweise mit einem rosaroten<br />

Einzahlungsschein. <strong>Das</strong> war für meine Eltern eine große Leistung, die beide<br />

Buben in die Schule gehen zu lassen. Ich möchte nur darauf hinweisen, mein<br />

Volksschullehrer hat uns darauf vorbereitet. Wir waren damals drei Kinder von<br />

insgesamt 36 Schülern, die in die höhere Schule gehen durften. Da hat er einen<br />

Kurs in Eigenregie gemacht und hat uns auf die Aufnahmeprüfung vorbereitet.<br />

<strong>Das</strong> möchte ich nämlich ansprechen. Mit der Demokratisierung, dem Zugang für<br />

alle zu allen Schulen, ist es in den 70ern eben so gekommen: Die Aufnahmeprüfung<br />

ist abgeschafft worden, der freie Zugang zu den Bildungseinrichtungen<br />

ist gekommen. <strong>Das</strong> finde ich <strong>ganz</strong>, <strong>ganz</strong> gut, dass jeder, der will und möchte in<br />

die höhere Schule gehen kann. Was er aus dieser Möglichkeit dann macht, das ist<br />

ein <strong>ganz</strong> anderes Paar Schuhe. Man gibt ihm die Chance, ob er sie nützt oder nützen<br />

kann, das ist dann was anderes.<br />

– <strong>Das</strong> sehe ich ja auch so: Der freie Zugang ist für viele Kinder eine Chance.<br />

Herr Winter – Ja, aber früher waren die Eltern zum Großteil so vernünftig, dass<br />

sie, wenn sie gesehen haben, das Kind ist am Plafond angelangt, es kann diese<br />

Belastung nicht mehr ertragen und kann nicht mehr zu positiven Leistungen kommen,<br />

auch bereit waren, das Kind an die Hauptschule wieder zurückzugeben.<br />

Heute will niemand mehr in die Hauptschule. Da kommt dann alles [hier] zusammen.<br />

<strong>Das</strong> ist das große Problem. Heute sind noch dazu gewisse Dinge da, die man<br />

jetzt nicht mehr beherrschen kann. Es ist zur Zeit so, dass die Aggression und die<br />

Gruppenbildungen und Mobbing in die Schulsituation hineinkommen sind. Da<br />

verschließen sich Kinder plötzlich und man weiß nicht mehr, was los ist, was<br />

geschehen ist. Da war es lustig und fröhlich und plötzlich zieht eines sich wie<br />

eine Auster zurück und man hat keinen Zugang mehr. <strong>Das</strong> sind Prozesse, die von<br />

uns nicht mehr steuerbar sind. Diese Entwicklung wird immer stärker. Die<br />

Aggression. Verbal, auch in der Tat. Und ein zweites Phänomen, das ist der<br />

Vandalismus. Wir haben das Problem, dass Dinge angezündet werden, dass Klos<br />

ruiniert werden, zugestopft werden. Unser Schulwart kämpft damit. Da vis-à-vis<br />

ist eine Mädchentoilette. Die ist alle drei, vier Tage verstopft, so dass Wasser<br />

überläuft. Dann werden oben an den Spülkästen die Ventile aufgemacht, dass es<br />

pausenlos rinnt. Und dann haben wir wieder die Superüberschwemmung. Oder<br />

dass die Kinder… Also, wir haben ein <strong>ganz</strong> großes Projekt gehabt zur Mülltrennung.<br />

<strong>Das</strong> haben wir sehr engagiert probiert. Eine Kollegin hat das mehrere<br />

Jahre hindurch durchgezogen. Und wir haben versucht, die Kinder auf die<br />

Umweltproblematik und auf die Mülltrennung hinzuweisen und sie zu einem<br />

behutsameren Umgang mit der Umwelt hinzuführen. Dennoch wird von der linken<br />

hinteren Ecke der Apfelputzen rechts nach vorne in den Müllkorb geworfen.<br />

Dosen werden geworfen, Getränke werden verschüttet, ohne dass mit der Wimper<br />

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