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(Hg.) – Das ganz alltägliche Elend - Löcker Verlag

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133 In der ersten Diskussion um Bildungsexpansion und soziale Ungleichheit in den frühen<br />

60ern war von Begabungsreserven zur Vermeidung der Bildungskatastrophe<br />

und deren Folgen auf die Volkswirtschaft die Rede. Im Mantel der Chancengleichheit<br />

entfaltete diese Begabungsideologie damit den Effekt einer »natürlichen«<br />

Ungleichheit. Dieser konservative Diskurs mit der Betonung auf Begabtenförderung<br />

setzte sich in der ÖVP fort, während die SPÖ auf die Lösung der sozialen Ungleichheit<br />

der Bildungschancen und des gleichen Rechtes auf Bildung für alle setzte und<br />

für die Gesamtschule votierte. Ihr Konzept konnte sich jedoch in der labilen politischen<br />

Konstellation, in der die SPÖ ab 1970 in einer Minderheitsregierung unter<br />

Bruno Kreisky regierte, nur auf der Basis des kostenlosen Zugangs zum Bildungssystem<br />

behaupten; Vgl. Josef Scheipl/Helmut Seel, Die Entwicklung des österreichischen<br />

Schulwesens in der Zweiten Republik 1945-1987, 1988.<br />

134 Der Druck auf die Unterstufe der AHS ist enorm, so besuchten in Graz 1960/61 50%<br />

die Hauptschule, 1998/99 nur noch 27% gegenüber 73% die AHS; Vgl. Statistisches<br />

Jahrbuch Graz 1999, 127. 2002 stehen 20% Hauptschüler und Hauptschülerinnen<br />

80% AHS-Schülern und Schülerinnen gegenüber. Mit der Einführung der so<br />

genannten »Neuen Mittelschule«, einer bis zur Matura reichenden aufbauenden<br />

Hauptschule, wird versucht, dieser Diskriminierung, vorerst in Wien und in Graz,<br />

entgegenzusteuern.<br />

135 In keinem Bereich sind die Unterschiede zu westeuropäischen Staaten größer als in<br />

der »politischen Sozialisation«, die in der »feudalständischen« Tradition Rationalisierung<br />

und Humanisierung immer von oben durchsetzte und dazu beitrug, dass<br />

autoritäre Züge dominant blieben, der »Affekthaushalt« stets gleichmäßig und die<br />

Zwänge antizipiert wurden; Vgl. Helmut Kuzmics, Autorität und österreichischer<br />

»National«charakter, 1998, 34.<br />

136 Die Gesamtschulreform führt zu fortgesetzten Benachteiligungen auch in ländlichen<br />

Regionen, womit die soziale Differenzierung auch hier weitergetrieben wird. Wo in<br />

den Bezirksstädten nur Oberstufengymnasien eingerichtet sind, werden Hauptschulabschlüsse<br />

zwar nicht in diesem Ausmaß abgewertet, hier genießt die Lehrerschaft<br />

von Hauptschulen nach wie vor traditionell gesichertes Ansehen – dennoch besuchen<br />

nur 27% der 10- bis 14-Jährigen die AHS, gegenüber bis zu 70% in städtischen<br />

Regionen.<br />

137 Nach wie vor ist die Hauptschule bevorzugte Schule der Arbeiter, die AHS hingegen<br />

bevorzugen Beamte und Angestellte für ihre Kinder; Vgl. Michael Sertl, Mehr<br />

Chancengleichheit durch postmoderne Pädagogik?, 1998, 212.<br />

138 Vgl. Pierre Bourdieu/Jean-Claude Passeron, Die Illusion der Chancengleichheit,<br />

1971; Vgl. auch: Stephan Egger/Andreas Pfeuffer/Franz Schultheis, Bildungsforschung<br />

Pierre Bourdieu, 1996, 320ff.<br />

139 Vgl. Beate Krais, Bildungsexplosion und soziale Ungleichheit in der Bundesrepublik<br />

Deutschland, 1996, 118ff.<br />

140 Diesen allgemein gültigen Effekt der Bildungsexpansion beschreibt Ulrich Beck mit<br />

dem Fahrstuhleffekt: Alle sind ein Stockwerk höher gekommen, aber die Abstände<br />

der Chancen sind zwischen den Schichten größer geworden; Vgl. Beate Krais,<br />

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