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(Hg.) – Das ganz alltägliche Elend - Löcker Verlag

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Veronika – Ja. Wenn ich einen Freund gehabt habe, ist er plötzlich Dichter<br />

geworden oder hat zu malen begonnen oder plötzlich Erfindungen machen müssen.<br />

Wär ja auch legitim, wenn sie dann nicht versucht hätten, mir meinen<br />

Lebensraum zu nehmen. Männer verkraften das nicht wirklich, dass die Frau<br />

etwas ernsthaft betreibt. Männer wollen im Mittelpunkt stehen und wenn sie merken,<br />

es gibt zwar keinen anderen Mann, aber es gibt Interessensgebiete, wo sie<br />

nicht rankommen oder die sie nicht zerstören können, da werden sie <strong>ganz</strong> eifersüchtig.<br />

Obwohl ich das wunderbar abgegrenzt habe oder es zumindest versucht<br />

habe abzugrenzen. <strong>Das</strong> ist jetzt mein Resümee nach 25 Jahren: Männer sind intuitiv<br />

eifersüchtig auf die Kunst. [Pause] Der erste Lebenspartner war Architekt und<br />

der wollte, dass ich seine Pläne zeichne. Also, dass ich ihm helfe, dass ich ihn<br />

unterstütze. Auf meine Arbeit ist er nicht eingegangen. Ich habe das schon<br />

gemerkt. Bei einer Frau ist das Kind an erster Stelle. Wenn man konzentriert<br />

arbeitet, wird man bei jeder kleinsten Störung herausgerissen. Ich habe das so<br />

gelöst, dass ich ein eigenes Zimmer habe, wo ich arbeiten kann. Die Störungen,<br />

wenn man in der Wohnung arbeitet, zum Beispiel wenn der Mann <strong>ganz</strong> liebevoll<br />

kommt und fragt: »Magst einen Kaffee trinken?« [Lacht] <strong>Das</strong> war so, dass ich die<br />

Türen dann zugemacht hab, beide Türen zugemacht hab. <strong>Das</strong> war das äußere<br />

Zeichen, dass ich nicht gestört werden darf.<br />

– Hat es funktioniert?<br />

Veronika – Mein Mann und mein Sohn haben sich dann gegenseitig kontrolliert,<br />

wer das einhält und wer das nicht einhält. […] Man braucht eine Zeit lang,<br />

bis Respekt der Arbeit gegenüber aufgebaut wird.<br />

Die wahren Künstler<br />

– Und in deiner Umgebung, wurde hier deine Arbeit als Arbeit anerkannt?<br />

Veronika – Zuerst wurde sie von den Leuten nicht als Arbeit akzeptiert. Ich hab<br />

in den 70er Jahren den Ruf der faulen Ehefrau bekommen, weil mein Mann auch<br />

die Wäsche aufgehängt hat. Und er wurde wunderbar gelobt und ich war die<br />

Böse, weil er Wäsche aufhängen musste. Da hat sich ja einiges gebessert. Bei den<br />

gleichaltrigen Männern ist es noch immer so vorhanden. <strong>Das</strong> ist ziemlich einbetoniert,<br />

aber bei den 25 bis 30-Jährigen, da hat eine Wandlung stattgefunden.<br />

Künstlerinnen haben jetzt mehr Selbstbewusstsein. Sie haben jetzt schon andere<br />

Vorbilder und sie wissen, dass sie etwas fordern können. Wenn sie dann resignieren<br />

und lieber ein gutes Privatleben haben wollen, oder ob sie dann doch den<br />

künstlerischen Weg einschlagen. Es gibt sicher gewaltige Rückschläge. <strong>Das</strong><br />

betrifft ja auch die Männer, das ist ja nicht mehr so, und damit muss man sich<br />

schon auseinandersetzen, das ist eine gewaltige Anstrengung. Und es hängt auch<br />

von der Art der Kunst ab. Ich hab immer den Ausweg gehabt, dass ich die Kunst<br />

nicht als hundertprozentig betrachtet habe, dass ich auf anderem Wege Geld verdienen<br />

konnte. Wenn ich gemerkt habe, in der Kunst sind zu viele Widerstände,<br />

konnte ich von der Kunst loslassen. Der Künstler hat ein Lustprinzip, Kunst zu<br />

produzieren. <strong>Das</strong> ist ein Faktum, wenn man Kunst macht. Damit entsteht auch<br />

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