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(Hg.) – Das ganz alltägliche Elend - Löcker Verlag

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schon im vierten Monat war. <strong>Das</strong> war total arg, weil das so überhaupt nicht zu mir<br />

gehört hat, zu mir gepasst hat.<br />

– Warum hast du ihr nichts von deiner Schwangerschaft erzählen wollen?<br />

Johanna – Weil ich so ein Problem hab mit diesem Urweiblichen, weißt du.<br />

Und wie zum Beispiel mein Busen dann gewachsen ist, das war fürchterlich für<br />

mich. <strong>Das</strong> Schwangersein, dieses Mütterliche, das war <strong>ganz</strong>, <strong>ganz</strong> arg für mich<br />

und ich hab mir irrsinnig schwer getan, es jemandem zu sagen. Meine Mutter<br />

hat’s dann gewusst. Und mein Vater hat’s dann auch erst <strong>ganz</strong> spät erfahren und<br />

zwar von meiner Mutter, dem hab ich’s auch nicht sagen können. Ich war ja da<br />

so in einem Zugzwang, weil ich erklären musste, warum ich nicht auf die Uni<br />

komme. Und dann war die <strong>ganz</strong>e Schwangerschaft hindurch eigentlich so extrem:<br />

Der Stefan ist am Ende des Winters aus seiner Galerie ausgezogen.[…] Und dann<br />

ist es ihm aber gleich drauf psychisch so schlecht gegangen, und das ist dann den<br />

<strong>ganz</strong>en Winter weitergegangen, eigentlich die <strong>ganz</strong>e Schwangerschaft hindurch.<br />

Der Stefan ist so ein Typ, der so periodisch immer wieder Depressionen hat, gell.<br />

Man merkt das bei ihm gar nicht so als Niedergeschlagenheit oder Depression,<br />

sondern er kriegt dann so Panikattacken und er kann dann nicht mit dem Auto<br />

fahren und so. <strong>Das</strong> war heftig. Und dann war ich daheim im Haus von meinen<br />

Eltern am Stadtrand von Graz, das war das nächste. Und der Stefan war dann<br />

auch viel dort und das hat irgendwie niemand wissen dürfen, dass es ihm so geht,<br />

obwohl er ständig da war. Dann haben sich meine Eltern ständig gefragt: Warum<br />

verhält sich der jetzt so und warum kommt er nicht herunter ins Wohnzimmer?<br />

Und das war für mich ein großer Druck halt auch, und die Auseinandersetzung<br />

mit meiner Mutter.<br />

Komplett allein<br />

– Hast du da wieder bei deinen Eltern gewohnt?<br />

Johanna – Ich Trottel bin nach Hause gezogen! Ich habe mitten in der Stadt<br />

gewohnt und habe eine Wohnung im dritten Stock gehabt. Und das war halt ziemlich<br />

kompliziert. <strong>Das</strong> heißt, kompliziert wäre es gar nicht gewesen, ich hätte dort<br />

auch wohnen bleiben können. Der Stefan hätte schon wenig Platz gehabt, weil<br />

das waren 36 Quadratmeter und jetzt im Nachhinein hätte ich dort bleiben sollen<br />

und nicht heimgehen sollen. Aber meine Mutter hat gesagt: »Warum kommst du<br />

nicht heim, da hast du eine Hilfe« und blabla. Und das habe ich dann gemacht,<br />

und das war im Endeffekt fürchterlich. Jetzt sind wir ja ausgezogen. Und jetzt ist<br />

es auch so, dass der Stefan eigentlich nicht da ist, weil er bei – wie soll ich sagen<br />

– einer Neurologin halt war. Und er hat einen Topaminmangel, so einen Serotonin-,<br />

Topaminmangel im Kopf. Und die hat ihm halt Tabletten verschrieben. Jetzt<br />

ist er zu Hause bei seinen Eltern. Sein Vater ist Arzt, ein guter Schulmediziner<br />

und seine Mami kocht ihm halt was. Und er sagt, er kann jetzt nicht in der Stadt<br />

sein. Ihn beengt das halt alles da. Seine Eltern wohnen draußen am Land. <strong>Das</strong><br />

verstehe ich schon irgendwie, weil wenn du das gewohnt bist, dann hast du oft<br />

das Gefühl von Einengung, so Stadt und Menschen und irgendwas. Aber im<br />

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