20.11.2014 Aufrufe

(Hg.) – Das ganz alltägliche Elend - Löcker Verlag

(Hg.) – Das ganz alltägliche Elend - Löcker Verlag

(Hg.) – Das ganz alltägliche Elend - Löcker Verlag

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

mit einem Mitbewohner sein Zimmer teilt.]<br />

– Ist er auch Afrikaner?<br />

Pierre – Ja, aus Sierra Leone. Ja, es geht, aber selbst wenn wir uns gut verstehen,<br />

bin ich nicht frei, weil ich gewisse Dinge machen möchte. Selbst wenn er<br />

akzeptieren würde, bin ich mir nicht <strong>ganz</strong> sicher.<br />

– Ob du ihn nicht doch störst?<br />

Pierre – Ja, wirklich. Und das andere Problem ist das mit der Arbeit: Man hat<br />

kein Recht auf Arbeit in Österreich, man hat kein Recht, zu arbeiten und wie soll<br />

ich leben? Jedes Monat bekomme ich Geld von der Sozialhilfe und mit dem versuche<br />

ich, mich zu organisieren.<br />

– Wie viel bekommst du?<br />

Pierre – 1.400 Schilling (100 €) und es ist wirklich sehr, sehr wenig, weil ich<br />

mich vielleicht auch unterhalten möchte. Ich möchte gern ins Kino gehen, oder<br />

ich möchte mir Gewand oder Schuhe kaufen, oder ich möchte mir was zu essen<br />

kaufen und das ist zu wenig. Wir haben kein Recht zu arbeiten und manchmal<br />

kann ich kleine Jobs als Künstler machen. Vor kurzem habe ich ein Bild verkauft<br />

und ein wenig Geld bekommen, aber das ist nicht jeden Tag oder jede Woche,<br />

vielleicht einmal im Monat.<br />

– Wenn du also ein Bild machst, kannst du es verkaufen und das Geld gehört<br />

dir. Und das wird akzeptiert?<br />

Pierre – Ja… [lange Pause] Es ist wirklich sehr, sehr schwierig, weil ich mir<br />

nicht einmal die Hälfte von dem kaufen kann, was ich möchte, so für meinen<br />

Standard, für meinen Lebensstandard. Ich bemühe mich trotzdem, alles zu<br />

machen, und dann, wenn ich alles tue, vielleicht bin ich bei der nächsten Ausstellung<br />

dabei und vielleicht kauft jemand mein Bild, damit ich mir Schuhe kaufen<br />

kann und dann… Was werden die Leute sagen, wenn sie mich neue Schuhe<br />

tragen sehen? Ich bin ein Drogendealer!<br />

– Weil es neue Schuhe sind?<br />

Pierre – Ja, weil es <strong>ganz</strong> neue Schuhe sind, oder fragen sie sich, wo kommt das<br />

Geld her, dass ich mir solche Schuhe leisten kann? Und wie habe ich das<br />

geschafft ohne Drogen?<br />

[…]<br />

<strong>Das</strong> ist, wie ich in Österreich lebe<br />

– Und du möchtest Informatik lernen.<br />

Pierre – Ja. Und so ist mein Leben und das ist, wie ich in Österreich lebe, so ist<br />

es [lange Pause]. <strong>Das</strong> Beste ist, zu tun, was ich zu tun habe, das heißt, jeden Tag<br />

Schule gehen und beschäftigt zu sein. Dann, wenn der Tag für das nächste<br />

Interview [zum Asylverfahren] kommt, werde ich es machen. Aber wenn ich jeden<br />

Tag nur an meine Situation denken müsste, wäre es wirklich jämmerlich für mich<br />

und ich würde ständig im Stress sein, weil ich keine Papiere [Ausweise] habe, weil<br />

ich Asylant bin und ich würde nichts anderes zu tun haben, als zu warten.<br />

– Und so bist du untertags beschäftigt.<br />

316

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!