20.11.2014 Aufrufe

(Hg.) – Das ganz alltägliche Elend - Löcker Verlag

(Hg.) – Das ganz alltägliche Elend - Löcker Verlag

(Hg.) – Das ganz alltägliche Elend - Löcker Verlag

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Ohne Netz<br />

Bettina Messner<br />

Veronika D. zählt zu den international erfolgreichen Künstlerinnen. 201 Die<br />

Medien- und Objektkünstlerin ist seit über 25 Jahren bekannt und anerkannt,<br />

sowohl als eigenständige Kunstschaffende als auch durch ihre Tätigkeit bei der<br />

feministischen Kunstzeitschrift Eva&Co und der gleichnamigen Künstlerinnengemeinschaft.<br />

202 Neben ihrem feministischen Engagement arbeitet sie heute vor<br />

allem in sozialpolitischen Projekten, zur Zeit an dem Frauenprojekt Woment! 203 ,<br />

einem gebündelten Kunstprojekt, das im Rahmen der Kulturhauptstadt Graz<br />

20+03 Würdigungsstätten für herausragende Frauen und Frauengruppen im<br />

Stadtraum errichtet, um sie vor dem historischen Verschwinden zu bewahren. 204<br />

Seit vielen Jahren gilt ihr Engagement jenen, die kaum eine Öffentlichkeit finden.<br />

Als ich gegenüber einigen Bekannten aus der Grazer Kunstszene erwähnte,<br />

dass ich mit Veronika Gespräche führen wollte, meinten sie, ich solle mich doch<br />

jüngeren, weniger erfolgreichen Künstlerinnen zuwenden, davon gebe es mehr<br />

als genug. Veronika habe es ohnehin schon geschafft. Diese Äußerungen verrieten<br />

den manifesten Konkurrenzdruck zwischen den Generationen innerhalb der<br />

Kunstszene.<br />

Veronika ist groß und schlank. Ihr rotes, gewelltes Haar umgibt ihren Kopf wie<br />

eine Flamme. Ihr auffallendes Erscheinungsbild kontrastiert ihre zurückhaltende,<br />

beinahe scheue Art. Sie spricht ruhig, überlegt abwägend und entschärft emotionale<br />

Äußerungen durch ein zurücknehmendes Lachen. In ihren Formulierungen<br />

bewegt sie sich oft auf einer Metaebene, ersetzt das verletzbare »Ich« durch ein<br />

anonymisierendes »man«. Ihre jahrelangen Erfahrungen im Umgang mit Öffentlichkeit<br />

waren Inhalt unseres ersten Treffens in einem Café in der Innenstadt. Als<br />

Privatperson ließ sie sich dabei im Hintergrund. Da wir uns bereits von verschiedenen<br />

Anlässen kannten, wurde die Gesprächsatmosphäre bald privater, freundschaftlicher<br />

und offener. <strong>Das</strong> unkompliziert angebotene Du-Wort trug dazu bei,<br />

die Generationsdifferenz zwischen uns schnell zu verringern. Im Laufe mehrerer<br />

Gespräche stellte sich in einigen Momenten eine Art »Verschwesterung« her. Nun<br />

lernte ich Veronika als Künstlerin kennen, die auf struktureller und persönlicher<br />

Ebene immer wieder hart auf die Probe gestellt und eingebremst wurde.<br />

Prozesshaftigkeit und Nachhaltigkeit, Prinzipien, die in den 70er Jahren verstärkt<br />

in den künstlerischen und gesellschaftlichen Vordergrund traten, bestimmten ihre<br />

Sprache, ihre überlegt gewählten Worte und den immer wieder verzögerten<br />

Redefluss ihrer reflektierenden Gedanken. Prinzipien, die sie durch ihre künstlerische<br />

Tätigkeit zum Ausdruck bringt und die mit Qualitäten verbunden sind, die<br />

seit den 80er Jahren durch die Forderungen nach Schnelligkeit, Kurzfristigkeit<br />

und Marktkonformität mehr und mehr an Bedeutung verlieren.<br />

187

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!