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(Hg.) – Das ganz alltägliche Elend - Löcker Verlag

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Die beherrschte Freiheit Kunstschaffender<br />

Bettina Messner<br />

<strong>Das</strong> künstlerische Feld ist einer der unsicheren Orte des sozialen Raumes. 184 Es<br />

stellt nur vage Positionen bereit, legt wenig fest, ist an wenige Voraussetzungen<br />

und ungewisse Zukunftsaussichten gebunden. Einen gemeinsamen Nenner für<br />

Künstlerinnen und Künstler, ein klar abgestecktes Berufsbild zu finden, ist<br />

schwierig. Dazu trägt nicht zuletzt die Unschärfe der begrifflichen Bestimmung<br />

von »Kunst« und »Künstler« bei. Es gibt weder eine Standesvertretung wie für<br />

manche anderen freie Berufe, noch ist ein bestimmter Ausbildungsweg daran<br />

geknüpft. Der Betriebsablauf gehorcht keinen geregelten Arbeitszeiten. Die meisten<br />

der Vertreter und Vertreterinnen der Bildenden Kunst – und von diesem Feld<br />

ist hier die Rede – können nicht existenzsichernd von ihrer Arbeit leben. 185<br />

Im künstlerischen Kontext wird symbolischer Erfolg tendenziell höher bewertet<br />

als finanzieller. Um den Erfolg zu definieren, werden die Quantität der<br />

Ausstellungen und das symbolische Gewicht der Präsentationsorte als zentrale<br />

Kriterien herangezogen. Haben Kunstschaffende erst einmal die Chance, in<br />

bekannten und renommierten Häusern auszustellen, ergibt eines das nächste. Es<br />

dominiert das Schneeballprinzip. Die für den Aufstieg nötige Propaganda läuft<br />

über interne Kanäle – über Empfehlungen durch Kuratorinnen und Kuratoren. So<br />

sind Künstlerinnen und Künstler in höchstem Maße von Personen abhängig, die<br />

Öffentlichkeit repräsentieren.<br />

Der künstlerische Kanonisierungs- und Hierarchisierungsprozess stellt sich als<br />

hochkomplexes Machtgefüge dar, in dem die Möglichkeiten der Einzelnen von<br />

den symbolischen Kräfteverhältnissen zwischen ihnen und den Institutionen<br />

abhängen. Frauen befinden sich weiterhin in den untergeordneten Regionen. In<br />

Relation zu anderen Milieus mag ihre Position als überlegen erscheinen. Vielfach<br />

werden Künstlerinnen wegen ihrer angeblichen Unabhängigkeit auch beneidet.<br />

Im Verhältnis zur männlichen Konkurrenz aber haben sie prinzipiell die schlechteren<br />

Karten. Kunst von Frauen wird von vielen Galeristinnen und Galeristen,<br />

Kunsthändlerinnen und Kunsthändlern seltener gekauft und nicht mit demselben<br />

Wert gehandelt wie Kunst von Männern.<br />

Für Kunstschaffende, und das gilt für Frauen wie für Männer, ist der Weg der<br />

gesellschaftlichen Anerkennung schwierig. Ausstellungsmöglichkeiten zu finden,<br />

wird durch die Tatsache erschwert, dass Galeristinnen und Galeristen selbst auf<br />

die Künstlerinnen und Künstler zugehen wollen und deren offensive Bewerbung<br />

gar nicht schätzen. So müssen sich Kunstschaffende in einer Realität voller<br />

Doppelbotschaften zurechtfinden, ständig am Informationsfluss und am künstlerischen<br />

Gesellschaftsleben teilnehmen, sich stets sichtbar machen und über<br />

182

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