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(Hg.) – Das ganz alltägliche Elend - Löcker Verlag

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alternative »Kulturstadt« zu finden und ihre periphere Lage mit einem außergewöhnlichen<br />

Angebot zu kompensieren. 195 Mit dem Schwerpunkt »Avantgarde«<br />

sollte eine explizite Abgrenzung zu anderen kulturellen Festivals in Österreich<br />

gesetzt werden. In den Reaktionen und Nicht-Reaktionen der Bevölkerung spiegelt<br />

sich das sich ständig verschiebende Spannungs- und Konfliktfeld zwischen<br />

traditionellen und progressiven Kräften. 196 Kunst wollte einerseits kompromisslos<br />

gegenüber dem Publikumsgeschmack betrieben werden, andererseits sollte<br />

sich ein breites und kompetentes Publikum angesprochen fühlen. In dieser<br />

Ambivalenz versucht der steirische herbst seit Jahren einen Balanceakt zwischen<br />

der Förderung neuer innovativer Kunst und der Erfüllung der Erwartungshaltung<br />

des Publikums. Die durch Institutionen wie Forum Stadtpark und steirischer<br />

herbst gestützte Avantgarde-Bewegung hat sich im Laufe der Jahrzehnte, trotz<br />

immer wieder hochstilisierter Skandale und permanent aufkommender und wieder<br />

verebbender Gegenstimmen, allmählich in das bürgerliche Kunstverständnis<br />

integriert und somit etabliert. Mag die Anerkennung über die Jahrzehnte auch<br />

erreicht worden sein, sie erweist sich als zweischneidiges Schwert: Durch die<br />

Akzeptanz eines immer breiter werdenden Publikums droht sie vom allgemeinen<br />

Kunstkonsens einverleibt zu werden und damit ihr anfängliches Widerstandspotenzial<br />

zu verlieren. Die äußeren Zeichen bleiben, der Inhalt passt sich an.<br />

Kulturhauptstadt Graz 2003<br />

Seit den 80er Jahren entdeckt man weltweit die Bedeutung von Kultur als<br />

Wirtschaftsfaktor für Standorte und Regionen. Mit dem europäischen Konzept<br />

der »Kulturhauptstadt« 197 als Tourismus- und Wirtschaftssymbol wird Kultur als<br />

Schlagwort und als Etikett benutzt, um zahlungskräftige Investoren in die Stadt<br />

zu locken, publikumswirksame Kunst wird forciert. Mit der allgemeinen Tendenz<br />

zu Erlebnisparks werden Dekoration und Ambiente mitunter wichtiger als<br />

Inhalte. Die Durchführung von Mega-Events, das Forcieren von finanziell lukrativen<br />

Großausstellungen führt zu einer Erstarrung der Kulturfähigkeit vor Ort.<br />

Auch hier in Graz verlieren unabhängige, noch nicht etablierte künstlerische<br />

Kulturarbeiterinnen und Kulturarbeiter ihre Argumentationsbasis und damit auch<br />

Chancen für ihr finanzielles Überleben. Große Veranstaltungen, die Flakschiffe<br />

der Eventkultur, beanspruchen den Löwenanteil des Budgets. Viele Kulturschaffende<br />

beklagen, dass kleinere und vor allem regional gewachsene Initiativen<br />

übergangen werden. 198 Permanent werden Kulturbudget-Kürzungen angekündigt:<br />

Die 5%-Sperre der städtischen Subventionen für alle Projekte würde für<br />

kleinere Vereine und Initiativen eine mehrwöchige Betriebseinstellung bedeuten.<br />

199 Zusätzlich wird auch vom Landeskulturressort eine Kürzung der<br />

Ermessensausgaben, aus denen die Freie Szene finanziert wird, um 20% angekündigt.<br />

In diesem Szenarium hat sich der Stellenwert der Kultur und Kunst verschoben.<br />

Der Kulturhauptstadt 2003 fehlen die Rahmenbedingungen, um junge<br />

Kunstschaffende zu binden, die eine sich ständig erneuernde kreative Szene<br />

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