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(Hg.) – Das ganz alltägliche Elend - Löcker Verlag

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illusionslos«. Deshalb strebte sie gleichzeitig die vielseitige und praxisorientierte<br />

Grafikausbildung an, in der ihr handwerkliches Können vermittelt wurde.<br />

Wieder setzte sich Veronika gegen die traditionellen Muster weiblicher Lebensentwürfe<br />

durch. Ihre Ausbildung sollte die Basis für die spätere finanzielle<br />

Unabhängigkeit werden, denn die experimentelle, freie und avantgardistische<br />

Kunst – das war ihr von Anfang an klar – steht einer existenziellen Sicherheit<br />

unvereinbar gegenüber.<br />

Ihr künstlerisches Schaffen ist heute noch zweigeteilt. Ihren Lebensunterhalt<br />

bestreitet sie aus Aufträgen in der Werbegrafik. Damit schafft sie sich Raum und<br />

Grundlage für ihre experimentellen Kunstproduktionen. Diese Strategie bietet<br />

gleichzeitig eine Verknüpfung ihrer Interessensgebiete. Unabhängigkeit ist ihr ein<br />

zentrales Anliegen, wofür sie auf die Sicherheit einer fixen Anstellung verzichtet<br />

und soziale wie finanzielle Risiken in Kauf nimmt. <strong>Das</strong> Vorbild ihrer starken<br />

Großmutter findet eine vertraute Entsprechung im Frauenbild der modernen<br />

Selfmade-Women, die selbstbestimmt ihren beruflichen Weg einschlagen und<br />

finanziell unabhängig bleiben. Die Realität dahinter ist jedoch von rauerem Stoff.<br />

Einige Jahre lebte Veronika in einer Lebensgemeinschaft mit dem Vater ihres<br />

heute 25-jährigen Sohnes. Sie ordnete ihre beruflichen Ziele nicht denen ihres<br />

Mannes unter und blieb für ihr Kind allein zuständig. Ihr künstlerischer Beruf,<br />

der es ihr erlaubte, zu Hause zu arbeiten, erleichterte zumindest ihre zeitliche<br />

Ökonomie. Veronika erinnert sich an die Zeit mit ihrem Sohn, an die Zeit ihrer<br />

ersten künstlerischen Projekte. <strong>Das</strong> in den 80er Jahren propagierte Bild der<br />

»Powerfrau«, die alles mit Leichtigkeit und ohne Hilfe erreichen kann, ließ sich<br />

an ihr Leben als alleinerziehende Mutter und Künstlerin nicht vermitteln. Sie<br />

kämpfte gegen die realen strukturellen Gegebenheiten in ihrem Umfeld, das auf<br />

eine intakte Kleinfamilie abgestimmt war und für alternative Lebensentwürfe<br />

keinen Raum bot. Sie erzählt, wie sehr ihre Lebensvorstellungen mit denen ihrer<br />

bürgerlichen Umgebung in Graz kollidierten. Die Vereinbarkeit ihrer Rolle als<br />

Künstlerin und als Mutter wurde dauernd in Zweifel gestellt, ihr ständig streitig<br />

gemacht. Immer wieder waren sie und ihr Sohn den prüfenden Blicken der<br />

Fürsorge, misstrauischer Lehrer oder Nachbarn ausgesetzt. Nicht nur im Alltagsleben,<br />

sondern auch im Kunstbetrieb wurde sie zu einer Außenseiterin. Es war<br />

daher für Veronika klar, gegen die Benachteiligung von Frauen »anarbeiten« zu<br />

müssen und den Ideen der 70er Jahre in den 80er Jahren Taten folgen zu lassen.<br />

Mit drei Künstlerinnen gründete sie Mitte der 80er Jahre das Netzwerk Eva&Co,<br />

das über ein Jahrzehnt mit zahlreichen Projekten auf sich aufmerksam machen<br />

konnte. 1992 wählte Eva&Co den »Freitod«. Die Ziele wären nur langwierig zu<br />

erreichen gewesen. Schließlich scheiterte das Projekt an seiner Budgetausstattung<br />

in einem zunehmend marktkonformen Kunstbetrieb.<br />

Veronikas Vergleich mit der Gegenwart fällt ernüchternd aus. Sie ist desillusioniert.<br />

Heute werde der Anspruch der Projekte von Eva&Co auf deren feministische<br />

Anliegen reduziert dargestellt und ihr umfassendes sozialpolitisches<br />

Engagement ignoriert, entwertet und in ein »Frauen-Eck« gestellt. Aus der<br />

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