20.11.2014 Aufrufe

(Hg.) – Das ganz alltägliche Elend - Löcker Verlag

(Hg.) – Das ganz alltägliche Elend - Löcker Verlag

(Hg.) – Das ganz alltägliche Elend - Löcker Verlag

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

worden mit diesen Damen der Nacht, obwohl ich nicht in der Nacht offen gehabt<br />

hab, muss ich dazusagen. Ich hab nur am Tag offen gehabt bis neun am Abend,<br />

spätestens halb zehn.<br />

– Wie war das damals, sind die da in der Gasse gegangen?<br />

Irmgard K. – Ja, ja freilich, ja, eine richtige…, ich weiß nicht, wie man da sagt,<br />

so wie in Hamburg da, eine Strichstraße halt, so war das da draußen. Ich hab das<br />

ja nicht gewusst, nicht. Nein, keine Ahnung gehabt, ich bin da von Leonhard<br />

gekommen. Gries eigentlich, ich mein, ich hab wohl irgendwann einmal was gehört,<br />

aber Gries, Griesgasse, nein, ich hab mir nichts gedacht dabei. Für mich war<br />

das einfach ein Geschäft, nicht. Aber ich muss eines sagen, ich hab mich dann<br />

sehr gut mit diesen Damen verstanden. Die haben mich sehr gerne mögen. Ich<br />

hab sie mögen, sie haben mich auch mögen und akzeptiert. Zwischendurch sind<br />

auch so ab und zu die Freunde von den Damen hereingekommen, wie man so<br />

sagt, die Zuhälter. Aber ich muss eines sagen: Ich habe sehr gute Erfahrungen<br />

gemacht mit denen, also, mich hat nie einer … ah, was weiß ich, ums Haxl<br />

gehaut, dass er seine Zeche nicht gezahlt hätte oder mich bedroht hätte oder<br />

irgendwas anderes. Also, die waren eher charmant, muss ich wirklich sagen. Also,<br />

mir gegenüber, bitte. Gut, was sie mit den Mädels gemacht haben, ich mein, da<br />

habe ich auch einiges gesehen, nicht. Aber da darfst dich nicht reinmischen,<br />

[nochmals betont:] da darfst dich nicht reinmischen. Oder die Mädels sind oft<br />

gekommen. Mein Gott, kalt war es ihnen, mit einem Minirockerl sind sie dagestanden,<br />

unmittelbar da, nicht, zitternd. Und dann hab ich irgendwie geschaut,<br />

dass ich gut auskomm. Ich hab gesagt: »Jetzt komm rein, trink schnell einen Tee<br />

oder trink einen Kaffee,« und, und: »Ja, ich hab kein Geld«, hat sie dann gesagt,<br />

weil die haben ja alles müssen… Damals war das sehr streng. Die haben ja alles<br />

müssen abliefern. <strong>Das</strong> war früher sehr streng, das waren arme Madeln und [wechselt<br />

in eine szenische Darstellung:] »Ja, ich hab kein Geld«, hat die gesagt. »Na<br />

komm, trink einen Kaffee oder einen Tee und wärm dich an«, und hab sie reingeholt.<br />

»Ja, ein bisserl«, und dann waren sie schon wieder weg. Aber ich muss<br />

Ihnen eines sagen, die waren sehr anständig auch, die Mädels. Die sind das nächste<br />

Mal, wenn sie dann was verdient haben, nicht, die sind gekommen und die<br />

haben gezahlt, obwohl ich gesagt hab: »Lass es.« <strong>Das</strong> war früher so. Am Schluss<br />

haben s’ gesagt, ich bin die Mutter Teresa, weil ich war ja für alle da. Ich hab<br />

mich so gut da eingelebt, auch gern, muss ich ehrlich sagen. Ich hab mich wirklich<br />

gut mit allen verstanden. Ich hab auch viele Geschäftsleute beliefert.<br />

– Wie beliefert?<br />

Irmgard K. – Na ja, ich bin gegangen mit dem Tablett. Die Leute haben angerufen.<br />

Da waren früher ja noch alles österreichische Geschäftslokale. Also, was<br />

weiß ich, da war ein Juwelier, da war eine Boutique, da war ein… Was war da<br />

noch? Ja, so verschiedene Sachen halt, so Geschäfte halt. Ein kleiner Uhrmacher<br />

war da und so halt. Eine Trafik hab ich beliefert und so weiter. Und da war da<br />

oben sogar eine Peepshow, die war <strong>ganz</strong> neu, da am Eck oben, sogar da hab ich<br />

den Damen Kaffee serviert, so um elf Uhr am Vormittag, weil die haben ja<br />

351

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!