20.11.2014 Aufrufe

(Hg.) – Das ganz alltägliche Elend - Löcker Verlag

(Hg.) – Das ganz alltägliche Elend - Löcker Verlag

(Hg.) – Das ganz alltägliche Elend - Löcker Verlag

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

te Kunstkörper erinnern, Vorstellungen über Gesundheit, die zur moralischen<br />

Verpflichtung und Eigenverantwortung werden, so als wären seine Schwächen<br />

Folgen eigener Entscheidungen und eigenen Tuns. Während die Markt- und<br />

Freizeitökonomie auf den leistungsorientierten Körper setzt, der allen Anforderungen<br />

gerecht werden soll, wird der Körper für seine Besitzer und<br />

Besitzerinnen zur Grundlage der personalen Identität schlechthin. Als »Symbol<br />

für eine noch kontrollierbare Wirklichkeit« 83 wirkt er als Kompensationsobjekt,<br />

das durch seine Nähe und Unmittelbarkeit die Wunden einer auf Zukunft und<br />

Beschleunigung ausgerichteten Welt zu heilen verspricht. Dabei wird er bis zum<br />

Rand seines Zusammenbruchs getrieben.<br />

Eine neue Kommunikationskultur<br />

Während sich die Kommunikation zwischen Verkaufspersonal und Kundschaft<br />

fast ausschließlich auf Nonverbales beschränkt, ist Kommunikation im Sinne<br />

eines »offenen Redens über alles« zwischen Verkaufspersonal und Chefetage<br />

erwünscht bzw. elementarer Bestandteil der Betriebsideologien. Damit wurde das<br />

Bedürfnis der jüngeren Generation nach gut funktionierender Kommunikation<br />

und Offenheit aufgegriffen und mit eigenen Interessen verknüpft: Auflehnung<br />

gegen unangenehme Arbeitsbedingungen wird aufgefangen, bevor sie die<br />

Vertretung von Gewerkschafterinteressen, ja selbst bevor sie Kollegen und Kolleginnen<br />

erreicht. Den Verkäuferinnen und Verkäufern wird in der flach ausgeprägten<br />

hierarchischen Ordnung das Gefühl vermittelt, ihre soziale Position entspräche<br />

jener der Manager und Managerinnen. Als Team seien alle verantwortlich für<br />

das Funktionieren des Unternehmens. Für die ältere Generation schafft diese<br />

Neuordnung Verwirrung. Sie weiß nicht mehr, wo sie gesellschaftlich steht, ihre<br />

berufliche Identität ist schwach.<br />

Bei täglichen Treffen vor Arbeitsbeginn wird die Notwendigkeit einer<br />

Gemeinschaftsbildung beschworen und über den vergangenen Arbeitstag reflektiert.<br />

Die Gemeinschaftsfiktion, die dabei konstruiert wird und deren konstitutive<br />

Basis das Du-Wort bildet, verstellt den Blick auf Lohnarbeit als Herrschaftsverhältnis,<br />

auf den Interessengegensatz zwischen Arbeit und Kapital. Autorität<br />

und Machtausübung scheinen in dem Maße zu verschwinden, in dem eine fiktive<br />

Nähe zwischen Managementetage und Verkaufsangestellten hergestellt wird.<br />

Gleichzeitig werden Solidaritäts- und Loyalitätsgefühle unterbunden, indem die<br />

Konkurrenz zwischen den Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen gefördert<br />

wird. 84 Die tatsächlich existierende Hierarchie wird von der Idee der Selbstverwaltung<br />

überschattet und ist unüberschaubar geworden.<br />

Die strukturellen Widersprüche zwischen dem Ideal der Teamarbeit und der<br />

eigentlichen Prekarität der Arbeitsverhältnisse verlagern sich als Konflikt ins<br />

Innere der Personen. Die Unlösbarkeit ambivalenter Bedingungen und Zwänge<br />

lässt die Verkaufsangestellten politisch erlahmen. Kollektiven Widerstand zu produzieren<br />

wird zum sinnlosen Unterfangen, weil er das unsichere Arbeits-<br />

65

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!