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(Hg.) – Das ganz alltägliche Elend - Löcker Verlag

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lich sagen, dass ich in der Mitte meines Lebens bin, oder habe die schon ziemlich<br />

überschritten. […] Wieweit, wo liegt mein Handlungsspielraum? Auch wenn das<br />

bedeutet, dass ich meinen Lebensstandard total reduzieren muss. Vielleicht habe<br />

ich dann für mich einen anderen Lebensstandard erreicht, der mir persönlich<br />

mehr gibt als der Rest, nicht? Und dementsprechend auch zu handeln. […] Ich<br />

kann nicht sagen, dass ich von einer Diskriminierung der Frau schon von Jugend<br />

an geprägt war, aber diese Steigerung der Situation [ernst und leise:] ist wohl<br />

eine, also, angefangen vor zehn Jahren, die mir Angst macht, oder beziehungsweise,<br />

die mich zum Denken gebracht hat.<br />

– In deinem persönlichen Leben…<br />

Edith – Bei mir persönlich, aber auch in meiner Umgebung. Also, diese Einkommensschere,<br />

die Situation der Überschuldung der Haushalte, das müssen jetzt gar<br />

nicht nur Alleinerzieherinnen sein, aber da ist es <strong>ganz</strong> extrem. Die Unsicherheit der<br />

Lebensbedingungen, vor allem, wenn man allein mit Kindern ist, die Unsicherheit<br />

der Ausbildungsmöglichkeiten für die Kinder, [stockt, längere Pause] die Perspektiven<br />

und so. [Sehr leise und bedrückt:] Dann auch die Auswirkungen dieser<br />

Perspektivenlosigkeit auf die Kinder, die jetzt soweit sind. Man braucht ja nicht<br />

glauben, dass die das nicht wissen. Die wissen das sehr genau und spüren das.<br />

– Wie meinst du Perspektivenlosigkeit?<br />

Edith – [Sehr aufgebracht:] Ja, ja, was sollen sie denn jetzt machen? Die eine<br />

studiert Slawistik, das macht ihr halt noch einigermaßen Spaß, aber was sie<br />

jemals… Sie hat keine Ahnung, was sie beruflich tun will.<br />

– Sie könnte ja, was weiß ich, Computerwissenschaften studieren…<br />

Edith – Aber das ist etwas, was ihr nicht taugt. Bei der anderen ist das was<br />

anderes, das ist etwas, was der Jüngeren, die ist jetzt 20, nicht taugt. Bei der Älteren<br />

ist das eh nicht so. Aber zum Beispiel, gerade was die 20-Jährige anlangt, die<br />

will so was nicht. Sie denkt auch viel kurzfristiger als ich damals in dem Alter<br />

gedacht habe. Damals in dem Alter hast du noch gedacht, wenn du das Studium<br />

fertig hast, dann wirst du eine…, und immer dann-wenn, dann-wenn, dann-wenn.<br />

Hingegen dieses dann-wenn haben meine Kinder überhaupt nicht mehr. Nein. Die<br />

haben ein waches Aufnahmevermögen für jetzt, und haben die Tendenz, ich<br />

möchte lernen, ich möchte leben lernen, also, ich möchte nicht für das Leben lernen,<br />

sondern ich möchte leben lernen. Also, ich empfinde das als Riesenunterschied<br />

zu dem, wie ich in dem Alter war.<br />

– Du hast also damals so gedacht, Ausbildung und einen Job?<br />

Edith – Bei mir gab es immer dann-wenn, bei mir war immer irgendein ominöses<br />

Ziel, das es zu erreichen gibt. Und dieses Ziel kennen meine Kinder zum<br />

Beispiel nicht. Und ich wüsste auch nicht, was ich ihnen da raten sollte, in der<br />

heutigen Situation.<br />

Ein Abbau von bereits erarbeiteten Geschichten<br />

– Du sprichst von alternativen Wegen für deine Zukunft. Wie willst du dem<br />

finanziellen Druck, den du erfüllen musst, begegnen? Die Kinder bekommen die<br />

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