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(Hg.) – Das ganz alltägliche Elend - Löcker Verlag

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des Ministerialbeamten:] »Sind ja nicht alle immer zur gleichen Zeit da, da muss<br />

man halt einen Schichtbetrieb einrichten.« Ja! Bitte, das ist wohl sehr arg. Ich war<br />

empört. <strong>Das</strong> ist die neue Zeit. Die haben uns aber nichts anderes gegeben.<br />

[…]<br />

Ich habe mir das anders vorgestellt<br />

Herr Winter – In der Zwischenzeit habe ich sehr viele problematische Schüler<br />

kennen gelernt. Von denen habe ich vorher nur am Rande gewusst. Und da sehe<br />

ich nun <strong>ganz</strong> stark meinen Aufgabenbereich. Ich möchte mich mit diesen Schülern<br />

auseinandersetzen und versuchen, den Klassenvorständen und Klassenlehrern<br />

in der Form zu helfen, dass ich Gespräche führe, und mit den Eltern<br />

zusammen eine Lösung zu finden. In der Oberstufe habe ich das <strong>ganz</strong> große<br />

Problem des Fehlens. Die Schüler kommen und gehen, wie es ihnen gefällt. Und<br />

das kann man eigentlich gar nicht in den Griff bekommen. Es gibt die Eigenberechtigten,<br />

die können mit ihren 18 Jahren ihre eigene Entschuldigung unterschreiben.<br />

Der braucht seine Eltern gar nicht mehr informieren, ob er jetzt in die<br />

Schule geht oder nicht. Die Lehrer und die Eltern müssen das zur Kenntnis nehmen.<br />

So ist die Situation. Wenn einer dann pausenlos fehlt, dann versuche ich einzugreifen,<br />

mir die Leute zu holen und zu reden, zu reden und zu reden, bis wir<br />

eine konstruktive Lösung finden. <strong>Das</strong> ist meine Aufgabe. So sehe ich das. Ich<br />

stehe den Schülern und auch den Eltern zur Verfügung. Ich rede mit den Eltern,<br />

auch wenn ich da gerade keine Sprechstunde habe. Ich weiß, wie schwer es ist,<br />

mit einem Problem beladen in die Schule zu gehen und dann noch darüber offen<br />

zu reden. Und wenn ich dann sage: »Nein, ich habe keine Zeit, kommen Sie ein<br />

anderes Mal«, dann wird sich die Frau oder der Mann überlegen, noch einmal in<br />

die Schule zu gehen. Dann ist das Problem mit dem Schüler auch nicht mehr zu<br />

lösen.<br />

– Und die Schüler, kommen die auch zu Ihnen?<br />

Herr Winter – Mit Lehrer-Schüler-Problemen, ja, und auch mit Laufbahnproblemen.<br />

Früher musste man in maximal zehn Jahren die Höhere Schule beendet<br />

haben. <strong>Das</strong> ist heute nicht der Fall. Ob der Schüler noch einmal repetieren<br />

kann, das kann ich als Direktor entscheiden, jedenfalls wenn Gründe vorliegen,<br />

die ein nochmaliges Repetieren begründet erscheinen lassen. Da kommen die<br />

Schüler sehr oft: »Aus den und den Gründen ist es mir heuer dreckig gegangen,<br />

ich habe Probleme gehabt, die Mutter hat mich hinausgeschmissen«, und so weiter.<br />

<strong>Das</strong> erzählen sie dann schon. Dann versuche ich eben, ihnen noch einmal ins<br />

Gewissen zu reden und ihnen doch die Chance noch einmal zu geben. Da muss<br />

man sich vorstellen: Da sitzt ein Schüler zum zweiten Mal in der 6. Klasse und<br />

muss noch einmal repetieren. Was passiert mit dem, wenn ich ihm diese Chance<br />

verweigere? Diese letzte Chance. Da ist er dann 19 Jahre und hat kein Abschlusszeugnis<br />

vorzuweisen. Was wird aus dem? Der hat doch nirgends eine Chance,<br />

dass er einen Posten, einen Job kriegt. Also sind wir schon gefordert, irgendwo<br />

das Netz zu bilden. Wenn wir ihn schon soweit hinaufgelassen haben, dann muss<br />

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