(Hg.) – Das ganz alltägliche Elend - Löcker Verlag

was bringen und das hat eben diese Firma schon. Nur so kann sie existieren, weil
sonst bringt es nichts. Wenn ich den ganzen Tag dort stehe, bis eine Kundschaft
einakommt, dann ist mein Arbeitsplatz auch nicht gesichert, also irgendetwas
muss da recht sein.
[…]
Wenn du nicht alt werden willst, musst du dich eh aufhängen
– In der Firma sind alle per Du?
Frau Ninaus – Das war auch eine Umstellung [schlägt die Hände zusammen]!
Sicher, ich mein, ein junger Mensch tut sich leichter. Wir waren damals ja alle per
Sie, bei uns hat es kein Du gegeben. Das waren ganz wenige, die per Du waren
und wie der Chef von der Bekleidungsfirma da war und das gesagt hat, dass wir
alle bei Du sind, das war ja am Anfang… [lacht verlegen]. Ich habe nicht gewusst,
wo ich hingehen soll und dann hab ich nicht gewusst, wie ich ihn anreden soll,
weil das war für mich, ich weiß nicht… Ich hab es eh nicht zusammengebracht,
ich hab immer Sie gesagt, ich hab mir immer gedacht, nein, das ist nichts für mich.
Bei den Kolleginnen war das ganz einfach, weil die hab ich eh schon Jahre
gekannt, aber ein Chef? Nein, das war nix für mich! Und die Martina, unsere
Chefin jetzt, das ist ja nicht so eine Chefin, wo du sagst, das ist ein Chef, weil ein
Chef… ? Da stell ich mir was anderes vor in dem Sinn, so wie wir unsere Chefs
halt gewohnt waren. Das war wieder leichter. Und der andere Chef, der Österreich
überhat, der ist ja nicht so oft da und wenn er kommt, sag ich: »Hallo!« Weil
irgendwie musst das umgehen. Manche tun sich da leichter, manche schwerer.
Oder wir können auch zu den Kunden Du sagen. Also, wenn eine älter ist, fällt es
mir nicht leicht, weil ich kann nicht zu einer älteren Dame Du sagen, ich mein, es
ist ganz wurscht wie das System ist oder sonstiges. Ich mein, das gehört sich nicht.
Mädchen – wenn ich mir denk, sie sind ganz jung, da sag ich oft: »Kannst schon
kommen [in die Kabine].« Aber dass ich direkt auf das Du eingeh? Nein. Weil du
kannst mit dem Du auch fehltreten. Da kann ich mich erinnern bei der Kassa einmal,
unsere Petra, die war sofort mit allen per Du, hat auch zu allen Du gesagt.
Und da waren wir einmal bei der Kassa. Sie hat kassiert, ich hab eingepackt.
Jedenfalls hat sie zu dem Mädchen Du gesagt und das Mädchen hat dann gesagt:
»Ich möchte das nicht, dass du Du sagst zu mir.« Und da habe ich mir gedacht,
bevor ich mich einmal so blamiere, weil das wäre unter meiner Würde, habe ich
mir gesagt, nein, das tu ich nicht. Da bin ich so vorsichtig. […] Ich komm mir oft
auch ein bissel blöd vor, aber die Chefs sind ja alles Junge. Unser Gottoberster, der
war ein einziges Mal da, ich mein, da würd ich mich auch nicht so trauen, aber zu
denen, die wir da haben, da kannst leicht Du sagen. Weil es ist in dem Sinn kein
so ein Chef mehr, wo du sagst, da hast noch einen Respekt. So wie unsere Chefs
waren, wo du dir nichts sagen hast traut oder wo du so Buckerl gemacht hast, das
ist ja da nicht so. Das ist nicht so, dass du sagst, das ist ein älterer Chef und wenn
der sagt, das ist so, dass das so ist, weil der hat Erfahrung, das ist nicht mehr so.
Und da fangt es schon an, da musst schon mittun, weil die alten Chefs sind ja auch
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