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Joachim Lottmann Auf der Borderline nachts um halb eins. Mein ...

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Außer<strong>halb</strong> des Theaters kennen sie niemanden, aber dafür geht ihr<br />

Guru und Regie-Star in den Privathäusern <strong>der</strong> zuständigen Politiker<br />

ein und aus.<br />

Eine Unterschriftenliste wird von Tisch zu Tisch gereicht. Genervt<br />

unterschreiben die Leute. Irgendeine Petition. Sicher wichtig,<br />

denke ich, und frage die Frau, die damit her<strong>um</strong>läuft. Sicher eine<br />

politische Resolution gegen Stadelmaier. Immerhin soll am<br />

nächsten Abend ein öffentliches Tribunal im Großen Haus gegen<br />

ihn stattfinden, direkt nach <strong>der</strong> Vorstellung jenes Stückes, in dem<br />

er angegriffen wurde. Er ist jetzt <strong>der</strong> große Feind. Er bedroht<br />

irgendwie durch seinen 'Fall' das ganze staatlich geschütztes<br />

Biotop, und das 'wehrt' sich jetzt bestimmt. Ich frage:<br />

"Politische Sache, wie?"<br />

"Ja, es geht <strong>um</strong> die neue Raucherordnung."<br />

Nichtraucher und Raucher sollen besser o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>s voneinan<strong>der</strong><br />

getrennt werden. Die Intendantin, denn das ist die Frau, for<strong>der</strong>t<br />

irgend einen besseren Schutz vor Rauchern o<strong>der</strong> so, auch im<br />

Namen... ich lese den Zettel:<br />

"...seither in Gesprächen mit dem Betriebsrat, <strong>der</strong><br />

Frauenbeauftragten, <strong>der</strong> Schwerbehin<strong>der</strong>tenvertretung sowie auch<br />

im Arbeitskreis Betriebliche Gesundheitsför<strong>der</strong>ung immer wie<strong>der</strong><br />

nach Wegen gesucht wurde..."<br />

Gesundheitsför<strong>der</strong>ung? Die Leute werden doch alle über 100. Die<br />

tanzen, lachen, spielen, springen und singen doch jeden Tag, keine<br />

Sorge bleibt zurück! Dagegen war Bhagwans Poona ein<br />

Siechenhaus.<br />

So sieht Sektent<strong>um</strong> aus, wird mir klar.<br />

Später kommt sie wütend an meinen Tisch und fragt, was ich in<br />

<strong>der</strong> Kantine zu suchen hätte. Hier kämen grundsätzlich keine<br />

theaterfremden Leute rein!<br />

"Kann ich mir denken..." murmele ich. Z<strong>um</strong> Glück bin ich auf<br />

ausdrücklicher Einladung meiner kleinen Schauspielerin da. Die<br />

bekommt natürlich jetzt Angst und verzieht sich. Ich denke: wenn<br />

ich das später alles schreibe, hagelt es Gerichtstermine. Solche<br />

Leute schießen immer mit Kanonen auf jegliche Art von Spatzen.<br />

Im Namen <strong>der</strong> Raucherordnung.<br />

Bloß schnell weg. <strong>Auf</strong> nach Hamburg, z<strong>um</strong> nächsten Blut- und<br />

Hoden-Gig, dem Horvath-Klassiker "Zur schönen Aussicht".<br />

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