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Joachim Lottmann Auf der Borderline nachts um halb eins. Mein ...

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Frauen sind ganz Mensch, die Männer nur Ochsen. Bei Biller sind wir<br />

Männer von unfaßbarer H<strong>um</strong>anität und H<strong>um</strong>orkraft, die Frau ist DIE<br />

BITCH.<br />

Das könnte ich nun verurteilen, aber mir gefällt es, das nicht zu tun.<br />

Solange es die Monströsität des quasifeministischen Mainstreams gibt,<br />

finde ich es klasse, dass diese Schweinerei einmal von <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite<br />

gespiegelt wird, und zwar genauso naiv und unschuldig. Ja, und ich denke<br />

dabei an unsere armen männlichen Mitbürger im Kindesalter, die bereits<br />

heute <strong>um</strong> ein Drittel schlechter in <strong>der</strong> Schule sind als ihre Mitschülerinnen.<br />

Die auf allen Fel<strong>der</strong>n hinterher hinken, selbst in Mathe und Physik, Sport<br />

und Lesen. Die sich schlechter konzentrieren können und öfter bettnässen.<br />

Die ausschliesslich in Frauenwelten und mit Frauenweltbil<strong>der</strong>n<br />

aufwachsen. Die, mit einem Wort, benachteiligt sind.<br />

Nicht für sie, aber für ihre ausgesperrten Väter, ist ‘Liebe heute’ ein gutes<br />

Buch. Wenn es nur leichter wäre, mit Maxim darüber zu sprechen! Wir<br />

verlassen die Buchhandlung und suchen das Auto. An <strong>der</strong><br />

Winschutzscheibe klebt ein Strafmandat. Aus Billers schönem Larry David<br />

Gesicht weicht jede Farbe. Ich spüre, wie er einige Sekunden bebt, ehe er<br />

Worte findet:<br />

“War<strong>um</strong> hast du nicht die ordnungsgemäße Parkgebühr entrichtet?! Nun<br />

sind wir straffällig geworden! Ich finde das unmöglich!”<br />

“Aber ich HABE doch ein Ticket gezogen, da beim Ticketautomaten.”<br />

“Aber Du hast die Zeit überschritten!”<br />

“Um ZWEI Minuten.”<br />

“Na und?! Da gehts <strong>um</strong>s Prinzip!”<br />

Er war außer sich. Der verdrängte Deutsche brach wie<strong>der</strong> durch. Ich hielt<br />

lieber den Mund und trat aufs Gaspedal. Ich überlegte. ‘Liebe heute’<br />

begann schon auf <strong>der</strong> ersten Seite, die ich aufschlug, praktisch mit dem<br />

ersten Satz, mit einer Fünfjährigen, die einen Vierjährigen bei <strong>der</strong> Lehrerin<br />

verpetzt und grausam bestrafen läßt. Für einen Marmeladenklau, den<br />

nicht er, son<strong>der</strong>n sie begangen hat. Einen Absatz später zwingt die<br />

inzwischen Neunjährige den Achtjährigen gewaltsam z<strong>um</strong> Voyeurismus in<br />

<strong>der</strong> Umkleidekabine <strong>der</strong> Badeanstalt. Mit zwölf und dreizehn kommt es<br />

dann knüppeldick… das Stichwort Pornogaphie fällt mir reflexhaft ein.<br />

“Maxim, wie steht Dein Buch eigentlich zur allgemeinen<br />

Pornographisierung aller Lebensbereiche, wie sie in Ariadne von Schirachs<br />

Schocker ‘Tanz <strong>um</strong> die Lust’ geschil<strong>der</strong>t wird?”<br />

“Mich interessiert das alles nicht.”<br />

Das alles. Nicht. Überhaupt nicht. Niemals. Maxims Frauenbild kommt aus<br />

einer an<strong>der</strong>en Welt. Wir fahren z<strong>um</strong> KaDeWe, und diesmal zwingt uns<br />

Maxim Biller mit harter Hand, ein offizielles öffentliches Parkhaus<br />

anzusteuern. Damit das Kraftfahrzeug ordnungsgerecht verbracht werden<br />

kann. Ich löse eine komplizierte Chipkarte, gebe ein Passwort ein und eine<br />

sechsstellige PIN-Zahl, lasse Kfz-Schein und Personalausweis scannen. Wir<br />

fahren in den siebenten Stock des KaDeWe und setzen uns ins gemütliche<br />

‘le buffet’ im Wintergarten. Nun reden wir über deutsch-jüdische Themen,<br />

also vor allem über seine Emigration nach Israel. In ‘Tempo’ hatte er diese<br />

bekannt gegeben und begründet. Er erträgt es nicht länger, dieses unser<br />

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