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Joachim Lottmann Auf der Borderline nachts um halb eins. Mein ...

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6. Mit Ariane Sommer im „90 Grad“<br />

Natürlich fand ich Ariane Sommer immer schon klasse. Aber als sie dann<br />

vor mir stand, im Café des Literaturhauses in <strong>der</strong> Fasanenstraße... doch<br />

ich will <strong>der</strong> Reihe nach berichten. Jede Geschichte hat ihre ganz<br />

beson<strong>der</strong>e Vorgeschichte, wußte schon Lukrez, und die von Ariane<br />

Sommer ist nicht nur beson<strong>der</strong>s lang, son<strong>der</strong>n beson<strong>der</strong>s einzigartig, ja<br />

verblüffend.<br />

Als Pubertieren<strong>der</strong> sah ich einmal <strong>nachts</strong> im Fernseher unter dem Bett<br />

den Film "Ekel" von Roman Polanski, in dem die blutjunge Cathérine<br />

Deneuve eine verhaltensgestörte, autistische Blondine spielt, in<br />

Schwarzweiß. Ich komme noch darauf zurück.<br />

Am 19. Januar 1982, ich war nun schon ausgewachsen, erlebte ich den<br />

ersten und ganz sicher auch letzten epileptischen Anfall meines Lebens.<br />

Ich hatte mit einer jungen Frau, mit <strong>der</strong> ich <strong>eins</strong>t die Schulbank<br />

"gedrückt" hatte, wie es so sinnig heißt (natürlich drückt man etwas ganz<br />

an<strong>der</strong>es), eine Woche lang nichtsexuellen Verkehr gehabt. Ich hatte sie<br />

immer schon morgens getroffen, in dieser Woche, dann waren wir<br />

spazieren gegangen, dann in die Museen (sie war kunstinteressiert, als<br />

Tochter eines großen deutschen Nachkriegsmalers), dann in die Cafés,<br />

dann wie<strong>der</strong> die Boulevards entlang (d.h. die Leopoldstraße in München<br />

herauf und herunter und wie<strong>der</strong> herauf), dann nach Hause, wo wir<br />

Alkohol tranken. <strong>Mein</strong> Ziel war es natürlich, mit <strong>der</strong> jungen Künstlerin zu<br />

schlafen. Wir hatten das nämlich schon auf dem Schulhof verabredet. Ich<br />

hatte sie damals gefragt: "Wenn ich keine Freundin hätt', gell, und Du<br />

amal keinen Freund... dann..." Sie nickte: "Dann gehn wir miteinan<strong>der</strong>."<br />

Und so war es gekommen. <strong>Mein</strong>e Freundin Kirstin Ruge hatte mit mir<br />

Schluß gemacht, und <strong>der</strong> Maler Jan Philipp v. Bertheaux hatte mit ihr aus<br />

Standesgründen die Trennung vollziehen müssen, was ihm gewiß nicht<br />

leicht gefallen war. Wir waren beide solo. Ich löste das alte Gelöbnis ein<br />

und fuhr von Hamburg, wo ich geboren war, nach München, wo ich zur<br />

Schule gegangen war mit besagter Dame. Sie empfing mich mit offenen<br />

Armen, wie sich denken läßt. In ihrem kleinen Zimmer in <strong>der</strong> Maxvorstadt<br />

tranken wir immer mehr Alkohol. Sie war wirklich ein schönes Mädchen<br />

geworden, fast schon eine richtige kleine Frau und wahrlich gut<br />

entwickelt. Sie hatte herrliche Brüste, eine sehr helle Haut und fast<br />

weiße, langsträhnige, glatte und dichte Blondhaare, die ihr nervös ins<br />

Gesicht hingen und die sie immer wie<strong>der</strong> ebenso nervös wegpustete. Die<br />

Haare waren gefärbt, aber das waren die von Cathérine Deneuve auch. In<br />

<strong>der</strong> Schule, auf den Innentüren <strong>der</strong> Knabentoiletten, hatten <strong>eins</strong>t<br />

eingekratzte Botschaften auf Eva Maria, so hieß die Schöne, aufmerksam<br />

gemacht: "Try Eva fast hand Maria", "Eva fast hand Maria rides best",<br />

und so weiter. Es gab an <strong>der</strong> Schule mehrere Mädchen mit diesen in<br />

Bayern häufigen Vornamen, aber ich glaubte, es könne nur meine<br />

hübsche Banknachbarin sein, mein Deneuve-Lookalike. Ein Fehler? Ich<br />

war jedenfalls nervlich beschädigt ins Bett gegangen, als mich Eva Maria<br />

am ersten Abend nicht angefaßt hatte. Auch ich hatte sie natürlich nicht<br />

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