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Joachim Lottmann Auf der Borderline nachts um halb eins. Mein ...

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Nein, in Dortmund natürlich. Das ist ihr Wahlkreis. Länger als drei Wochen<br />

hat sie da aber noch nicht gewohnt. Das Nachtleben dort kennt sie nicht<br />

und die Bürger auch nicht. In Lokale geht sie nur, <strong>um</strong> dort Termine<br />

wahrzunehmen. Der ganze Freizeitbereich ist ihr unbekannt. Tanzen,<br />

Spaß, Drogen, Sex? Schon die Frage läßt mann lieber. Eigentlich ist das<br />

doch recht sympathisch: auch Rosa Luxemburg hätte die Disco gemieden.<br />

Marx hätte den Joint dankend abgelehnt.<br />

Goethe hatte bekanntlich seinen ersten One-Night-Stand erst im 40.<br />

Lebensjahre, sicher wußte er, war<strong>um</strong> erst so spät. Wozu doof<br />

her<strong>um</strong>ficken, wo er doch so hübsch dichten konnte? Dennoch: Daß Sahra<br />

nicht wenigstens zu ihren neuen Nachbarn gute Beziehungen aufbaut,<br />

erklärt nur eine ungeotheanische West-Phobie.<br />

"Deutschland war für mich die DDR. Was sollte ich mit dem Westen... ich<br />

hatte ja auch nichts in Frankreich o<strong>der</strong> so zu suchen... Z<strong>um</strong> Glück war<br />

Goethe ja in Weimar und so." Sie lacht. Geboren war er in Frankfurt am<br />

Main. Scheiße. Na, egal.<br />

Mit <strong>der</strong> Ingolstädter PDS-Bundestagsabgeordneten Eva Bulling-Schroeter<br />

wird an diesem Tag des Endwahlkampfs "über Straßen und Plätze<br />

gezogen" (so das Kohl-Wort). Aber während die MdB Hände schüttelt und<br />

flapsige Bemerkungen in die Menge wirft wie Kußhände, gleitet die<br />

kommunistische Ikone wie auf Schienen an den diversen Schauplätzen<br />

und Wessi-Wählern vorbei. "Die Bullinger" ist Profi-Politiker und<br />

Bürgerschreck zugleich: vom Outfit her könnte sie beim Revival-Konzert<br />

<strong>der</strong> Ramones mitspielen, als späte Suzi Quatro und Punk-Oma, aber<br />

leutselig und "spontan" ist sie wie Gerhard Schrö<strong>der</strong>. Die unnahbar schöne<br />

Wagenknecht dagegen trägt ein perfektes, akkurates, steingraustählernes<br />

Kostüm mit mattsilbernen Knöpfen, als wäre sie die Alibifrau im<br />

Vorstand <strong>der</strong> Deutschen Bank.<br />

Passend dazu die ebenfalls steingrauen Nylons, von denen <strong>der</strong> linke eine<br />

verräterisch wirkende Laufmasche aufweist, die man einfach verfolgen<br />

muß bis in den hochsitzenden Rock hinein: was für herrlich schlanke Beine<br />

sie doch hat und wie knapp <strong>der</strong> Rock sitzt - ohne Laufmasche wäre einem<br />

das gar nicht aufgefallen.<br />

Und die makellosen Knie. Aber das Inhaltliche ist wichtiger, vor allem ihr.<br />

Wie wird sich die Welt ohne ein sozialistisches Gegengewicht entwickeln?<br />

Wie kann <strong>der</strong> Planet überleben, ohne Ulbricht? Doch Spaß beiseite, denn<br />

ist es spaßig, wenn das SPD-geführte Arbeitsamt die Bezüge kürzt? Dar<strong>um</strong><br />

geht es ihr und darüber spricht sie auch mit den Menschen. Sagt sie. Wen<br />

interssiert schon, daß sie besser aussieht als Cathérine Deneuve in ihren<br />

coolsten Filmen? Daß ihre Haut bronzefarbener, reiner und samtiger ist als<br />

die von Verona Feldbusch? Daß ihre Augen größer, dunkler und<br />

grasgrüner sind und weiter auseinan<strong>der</strong>stehen als die von... lassen wir<br />

das! Schnell eine Frage: welchen lebenden Politiker mag sie am meisten?<br />

"Fidel Castro!"<br />

Über ihren Vater spricht sie nicht. Der kommt in ihrer Biographie nicht<br />

vor. Der Großvater war Proletarier bei Zeiss. Lothar Späth hat dann 90<br />

Prozent <strong>der</strong> Leute entlassen und wird dröhnend auf CDU-Jubelfeiern<br />

beklatscht, wenn er sagt: "Bey unsch kennma sähn, was sharehol<strong>der</strong><br />

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