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Joachim Lottmann Auf der Borderline nachts um halb eins. Mein ...

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Der Himmel ist nun schwarz. Saloon-Stimmung wie in alten 30er<br />

Jahre Western. "Juchuuu!" Die Säufer purzeln aus den<br />

Bierburgen... draußen peitscht <strong>der</strong> Regen ins Gesicht, niemanden<br />

stört's. Loopings bei 100 km/h in <strong>der</strong> sich drehenden, in<br />

den nassen Himmel schießenden "Top Spin" Rakete. Nach jedem<br />

Bier ein Super Scooter, und zur Beruhigung wie<strong>der</strong> ein Bier.<br />

Todesschreie in den Sitzen, o<strong>der</strong> Lustschreie.<br />

Die Drehorgel mit dieser alten, zugleich roboterhaften Musik, die<br />

Musik von Alpträ<strong>um</strong>en... die achte Maß inzwischen. Eine<br />

südamerikanische Sambamusik schwappt heran, diese Dean-Martin-<br />

Filme aus Acapulco in den frühen 60ern, die Platte haben sie aber<br />

gut aufgehoben. Schwarze Hiphopper lungern am Autoscooter<br />

her<strong>um</strong>, warten auf Landeier... und die kriegen sie auch... da, die<br />

küssen sich... jetzt schwankt ein Haus WIRKLICH, das ist ja ideal<br />

für Betrunkene, es ist das "Hof Freu Haus"...<br />

Das Volk marschiert. Es ist ja auch ein Volksfest. Alles bewegt<br />

sich, ist aufgewühlt, feurig, durchgeknallt, drängt zur Bastille.<br />

Jeden packt es. Die altertümlichen Glühbirnen überall, <strong>der</strong><br />

mächtige Winterhimmel darüber, es ist so wahnsinnig romantisch.<br />

Man liebt sie alle. Die Bierkrüge schleppen sie nachlässig mit sich,<br />

bei jedem Schritt schwappt mächtig was raus...<br />

"Die Fußballweltmeisterschaft, da warns scho alle aus dem<br />

Häuschen, dann <strong>der</strong> Papst, und jetzt des Oktoberfest..."<br />

23 Uhr, die Wiesn schließt, die letzte Maß. Nur bei Feinkost Käfer<br />

noch was los... nix wie hin... das Zelt ist systematisch mit Security<br />

Leuten abgeriegelt... Einstieg durch ein Fenster... aber bei Käfer ist<br />

ein ganz an<strong>der</strong>es Wiesn-Feeling. Das ist die Stoiber-und-Uschi-<br />

Glas-Welt. Leute, die VIP-Tische bestellen. Versteinerte George-<br />

Grosz-Visagen, schrecklich. Das Böse lebt. Da muß man gar nicht<br />

mehr in die "Horror-Schau" ("Lebendige Geister!"). Reaktionäre<br />

Rockmusik, daran erkennt man immer die Schurken: "We will / we<br />

will / rock you!" Die Welt <strong>der</strong> Türsteher, <strong>der</strong> geheimen Zeichen für<br />

das Reindürfen o<strong>der</strong> Draußenbleibenmüssen. Nein, das bringt<br />

nichts. Die Wiesn ist zuende.<br />

<strong>Auf</strong> den letzten Blick ist alles wie<strong>der</strong> wie immer.<br />

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