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Joachim Lottmann Auf der Borderline nachts um halb eins. Mein ...

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WIRKLICH bewun<strong>der</strong>e, mich verachten. Diese Erfahrung habe ich in<br />

meiner zweiten Lebensphase auf das schmerzlichste fast durchgehend<br />

machen müssen. Als ich jung war und mit dem Schreiben begann, hatte<br />

ich drei Vorbil<strong>der</strong>: Maxim Biller, Rainald Goetz und Matthias Matussek. Die<br />

ersten beiden haben mich gehaßt. Und zwar nur aus dem einen Grund,<br />

daß ich sie so bewun<strong>der</strong>te. Nun wäre das ja nicht schlimm. Nur: ich<br />

konnte nicht aufhören, sie zu bewun<strong>der</strong>n. Und ich wußte: solange sie nicht<br />

schlecht wurden (im Schreiben) konnte ich nichts gegen meine Zuneigung<br />

tun. Ich kaufte an jedem Monatsende das neue TEMPO-Heft, hoffend,<br />

Biller hätte endlich eine schlechte Kol<strong>um</strong>ne geschrieben. Umsonst. Ich<br />

konnte nur "richtig!" brüllen bei jedem Satz.<br />

Später in Talkshows dasselbe Bild: immer sagte Biller genau das, was<br />

gesagt werden mußte. Als einziger. Das Fernsehen war arm ohne ihn. Nun<br />

sind Biller, Goetz und ich (und Matussek) ja eine Generation, und wir<br />

begegneten uns unfreiwillig immer wie<strong>der</strong>. Rainald übernachtete bei mir,<br />

wenn er in Hamburg war, manchmal gingen wir in München spazieren. Wir<br />

trafen uns auf Buchmessen, Partys, im Sch<strong>um</strong>ann's, gefielen uns als<br />

un<strong>der</strong>-cover-Agenten bei Burda. Wir hatten, auch mit Biller, so viele<br />

gem<strong>eins</strong>ame Freunde, daß wir uns vertragen mußten. Aber meine<br />

Zuneigung war immer schwerer zu verbergen und die Verachtung, die sie<br />

hervorrief, ebenso. Das alles hat natürlich viel mit dem neuen Buch von<br />

Kathrin Passig zu tun. Mit Sadismus also. Ich will nicht sagen "auch mit<br />

Masochismus, denn dazu gehören immer zwei", denn meine<br />

Hochschätzung hing nachweisbar mit dem zusammen, was sie schrieben<br />

und nicht mit ihrer Behandlung meiner Person. Als dann - zehn Jahre<br />

hatte ich auf diesen Tag warten müssen - Biller endlich literarisch<br />

komplett versagte, war <strong>der</strong> Spuk vorbei. Ich spreche von seinem<br />

unsäglichen Roman von vor einem Jahr. Als ich ihn kürzlich auf <strong>der</strong> Straße<br />

traf, bin ich durch ihn hindurch gegangen als wäre er nicht da. Als wäre er<br />

Luft. Ich habe es selbst nicht bemerkt. Vielleicht hat er es bemerkt.<br />

Vielleicht läßt sein Haß nach. Ein Haß, <strong>der</strong> irrational und gefährlich war,<br />

nebenbei bemerkt. Für Maxim stand fest, daß ich ein "Antisemit" sei. Das<br />

war exakt so absurd, als würde man ihn selbst so nennen. Mir brachte das<br />

furchtbare Nachteile ein. Und was Rainald alles über mich in Umlauf<br />

bringt, wissen ja die meisten von Euch, wie ich gehört habe. Da mir aber<br />

das letzte Buch "Rave" von ihm besser gefallen hat als all seine<br />

vorangegangenen, kann ich nicht <strong>um</strong>hin, ihn zu mögen. Wenn ich Pech<br />

habe, wird er NIE schlecht! Und er wird mich auch in zwanzig Jahren noch<br />

als Raspe beschreiben, jenes Alter Ego (o<strong>der</strong> auch nur Ego) aus seinem<br />

Erstling "Irre". Er muß auch keine Rücksicht mehr auf gem<strong>eins</strong>ame<br />

Freunde nehmen. Die sind uns ausgegangen. Zuletzt hat Joseph von<br />

Westphalen nochmal für mich Partei ergriffen ("Jetzt laß doch endlich den<br />

Scheiß mit dem lottman-bashing"). Bei Biller war es seine Freundin. Ich<br />

hatte sie doch tatsächlich - soweit kann man als Fan sinken - <strong>um</strong> eine<br />

"Zweite Chance" angefleht. Ist aber schon länger her. Und war natürlich<br />

kontraproduktiv: die Leute können ja nicht raus aus ihrer Veranlagung.<br />

Aber bevor ich jetzt als hardcore-Masochist verdächtigt werde, noch kurz<br />

<strong>der</strong> Gegenbeweis: Der Dritte im Bunde meiner Vorbil<strong>der</strong>, Matthias<br />

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