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Joachim Lottmann Auf der Borderline nachts um halb eins. Mein ...

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Hauptschule war immer schon <strong>der</strong> Abgrund. Neu ist nur die Verachtung<br />

jugendlicher Moslems gegenüber <strong>der</strong> westlichen Kultur. Und das finde ich<br />

sogar nachvollziehbar. Noch mal zu diesen Lehrern: keine Autorität, keine<br />

Ordnung, keine Struktur. Wer würde die nicht verachten?<br />

24. Mir wäre ein antiautoritärer Lehrer tausendmal lieber als ein<br />

autoritärer. Was Sie sagen klingt sehr nach dem guten alten „FAZ-<br />

Feuilleton“ und <strong>der</strong> üblichen konservativen Abrechnung mit den Folgen<br />

von 1968.<br />

! Nein. Die wollen ja immer Werte vermitteln. Aber es sind ja gar keine<br />

da, die sich vermitteln ließen. Sehen Sie sich doch die Feuilletondebatten<br />

über Bildung, Familie o<strong>der</strong> neue Bürgerlichkeit mal an. Da wird doch alles<br />

zerredet. Niemand sagt klar und deutlich, Bildung ist gut und Unbildung<br />

ist schlecht. Immer wird sofort ein „aber“ nachgeschoben, wird noch mal<br />

relativiert. Ich kann Ihnen genau sagen, was ich gut und was ich schlecht<br />

finde.<br />

25. Und das wäre?<br />

! Das sag’ ich jetzt nicht, weil ich sonst aus unserem System rausfliege.<br />

Aber ich könnte es jedenfalls.<br />

26. Wenn sie es verrieten, entspräche es dann dem, was Ihr Verleger<br />

neulich bei einer Lesung über Sie gesagt hat? Dass Sie ein durch und<br />

durch konservativer und romantischer Mensch sind?<br />

! Ja, genau.<br />

27. Wenn wir jetzt geradeaus gehen, kommen wir nach Kreuzberg: mehr<br />

Cafés, weniger Prolls, was einem soziophoben konservativen Romantiker<br />

wie Ihnen vielleicht mehr behagt als dieses dreckige Neukölln mit seinem<br />

Gemisch aus türkischen o<strong>der</strong> arabischen Jugendgangs, die, wie sie sagten,<br />

auch noch den Westen verachten. Gehen wir aber rechts o<strong>der</strong> links,<br />

bleiben wir in Neukölln. Entscheiden Sie.<br />

! Wir bleiben. Das hier ist besser als jedes Honorar. Da, schauen Sie sich<br />

diese Typen an, immer zu dreien o<strong>der</strong> vieren geballt, und wie sie sich und<br />

ihre Umgebung anstieren. Z<strong>um</strong> Glück habe ich das Geld aus meinem<br />

Portemonnaie genommen und Zeitungspapier rein getan. Über was die<br />

sich wohl gerade unterhalten?<br />

28. Über Mädchen, Musik und all das, worüber auch ihre deutschen<br />

Mitschüler reden.<br />

! Ja, denn die deutschen und die nicht deutschen Jugendlichen haben ja<br />

meistens das gleiche Wertesystem. Es ist das Regelwerk <strong>der</strong> Straße, das<br />

von beiden Gruppen verinnerlicht wird. Aber einen Unterschied gibt es<br />

doch: die Deutschen haben sexuelle Probleme und die Auslän<strong>der</strong> nicht.<br />

O<strong>der</strong> doch, aber es sind an<strong>der</strong>e sexuelle Probleme.<br />

29. Wie kommt man von einem Jugendromand zu einem Familienroman?<br />

202

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