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Joachim Lottmann Auf der Borderline nachts um halb eins. Mein ...

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Jedenfalls kochte daraufhin das Thema erneut hoch. Es kam wochenlang zu endlosen<br />

Leserbriefseiten im SPIEGEL. Das ZDF rief an, <strong>der</strong> WDR, an<strong>der</strong>e Zeitschriften zogen nach.<br />

Ich hätte, wie gesagt, jeden zweiten Abend für 500 Euro Tagesgabe in Veranstaltungen<br />

z<strong>um</strong> Thema auftreten können.<br />

Aber ich hatte an<strong>der</strong>es im Sinn; <strong>der</strong> nächste SPIEGEL Artikel mußte geschrieben werden.<br />

Denn plötzlich wollte die Chefredaktion - so sagte man mir - große<br />

<strong>Auf</strong>gaben an mich herantragen.<br />

21. Singlekultur Berlin-Mitte o<strong>der</strong> das Buch „Liebe heute“ von<br />

Maxim Biller<br />

Maxim Biller, den immer noch so viele mit seiner legendären Kol<strong>um</strong>ne<br />

“Hun<strong>der</strong>t Zeilen Hass” verbinden, also mit Hass, hat ein Buch über die<br />

Liebe geschrieben. Es macht ihm übrigens nichts aus, das alte, über 20<br />

Jahre alte Hass-Image: “Man kann von den Menschen nicht verlangen,<br />

sich von einem Autor mehr zu merken als ein einziges Buch. Das ist schon<br />

sehr viel. Bei mir ist es halt das Destruktive geworden. Nichts ist dümmer,<br />

als ein Schauspieler, <strong>der</strong> sagt ‘Ich will mein Image än<strong>der</strong>n’. Soll er doch<br />

froh sein, dass er <strong>eins</strong> hat!”<br />

Wir stehen unten vor seiner Tür in Berlin Mitte, ich, er, dazu ein Mädchen<br />

mit einem Kin<strong>der</strong>handy vorm Gesicht, mit dem sie uns filmt. Er bohrt mit<br />

dem nackten Zeigefinger in ihre Richtung:<br />

“Was soll das? Was macht die Frau da? Das ist gegen die Absprache!”<br />

“Ach, das ist nichts. Sie macht was für meinen Blog in <strong>der</strong> Netzeitung.”<br />

Er geht kurz in die Wohnung zurück, kommt gleich wie<strong>der</strong>, wütend:<br />

“Du hast keinen Blog in <strong>der</strong> Netzeitung!”<br />

Er muß blitzschnell beim Computer gewesen sein. Richtig, <strong>der</strong> Blog wird<br />

erst eingerichtet. Aber war<strong>um</strong> bringt er mich in Verlegenheit? Das<br />

Mädchen ist ein Tra<strong>um</strong>. Je<strong>der</strong>, <strong>der</strong> Frauen nicht gerade hasst, wäre froh,<br />

von ihr gefilmt zu werden. Ist er also doch <strong>der</strong> alte Hassbolzen geblieben?<br />

Was ist denn nun mit dem Buch über die Liebe? Schon wie<strong>der</strong> vergessen?<br />

Übrigens hatte ich sie spontan mitgenommen. Minuten vorher, in <strong>der</strong> Bar<br />

103, hatte sie mich angesprochen. Sie hatte mich interviewen wollen. Das<br />

Leben konnte ja so spontan sein. Ich sagte also:<br />

“Sei doch mal spontan, Maxim.”<br />

“Spontan?! Das geht nicht. Das muß genehmigt werden. Und zwar vorher.<br />

Schriftlich!”<br />

“Ganz professionell.”<br />

“Genau! Dafür gibt es zuständige Stellen.”<br />

“Lange im voraus. In dreifacher Ausfertigung.”<br />

“Was?”<br />

“Alles muß seine Ordnung haben!”<br />

“Ja, natürlich!”<br />

“<strong>Mein</strong> Gott, bist du deutsch, Maxim!”<br />

Er hielt kurz inne, besann sich, und liess sie weiterfilmen. Man konnte ihn<br />

zu ALLEM bringen, wenn man sagte, das Gegenteil sei deutsch. Wir<br />

stiegen in das Auto, ein wenig gefahrener Wartburg Tourist, praktisch<br />

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