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Joachim Lottmann Auf der Borderline nachts um halb eins. Mein ...

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sprach sie kein Wort mehr mit mir, ohne sich zu erklären. Das war am 21.<br />

Juni des Jahres 2002, einem Freitag. Ich war schon wie<strong>der</strong> allein. Die<br />

Vali<strong>um</strong> gingen mir aus, das Nervenkostüm war nach sieben Wochen<br />

Konversation über Mozart, Bach und Brahms bis auf den St<strong>um</strong>pf<br />

nie<strong>der</strong>gebrannt. Ich konnte nicht mehr schreiben. <strong>Mein</strong>en Freunden<br />

begann ich wie<strong>der</strong> leid zu tun, und sie nahmen mich zu Partys mit, wo ich<br />

weiter abfackelte. Es war ja die Zeit <strong>der</strong> Fußball Weltmeisterschaft, und<br />

die Freunde "kümmerten sich rührend" <strong>um</strong> mich. In großer Runde wurden<br />

die Spiele geguckt, mit viel Bier und Gelächter, immer auf niedrigstem<br />

Niveau, immer krachend lustig und <strong>der</strong>b, bis mir schwindlig wurde und ich<br />

vom Stuhl sank ins bewußtose Nichts. Lange konnte es nicht mehr<br />

gutgehen mit mir. Denn ein weiteres Mal half mir die Ex-Frau nicht mehr.<br />

Ich schaffte mir zwei Haustiere an, wirklich intelligente Tiere, die mich gut<br />

verstanden, aber auch sie schliefen <strong>nachts</strong> lieber ohne mich. Es war<br />

zudem ein Paar, das sich sehr mochte. Bald würden sie Kin<strong>der</strong> haben.<br />

Als nächstes kam eine Frau, über die ich nicht schreiben darf. Dieses<br />

Versprechen hatte ich ihr ziemlich am Anfang gegeben. Sie hatte nämlich<br />

vermutet, die Violinistin habe sich zurückgezogen, damit ich nicht über<br />

sie schreiben könne (ohne sie vorher gefragt zu haben!). Daraufhin wollte<br />

ich von <strong>der</strong> neuen Frau wissen, ob sie denn Angst vor so etwas habe. Als<br />

sie lachend bejahte, gab ich ihr das Versprechen. Ich kann daher über<br />

diesen Teil des Sommers nichts sagen und muß direkt z<strong>um</strong> Ariane-Teil<br />

übergehen, <strong>der</strong> damit begann, daß ich in einem alten Männermagazin<br />

Nacktfotos von ihr entdeckte, zufällig, beim Zahnarzt. Ich hatte noch<br />

niemals vorher eine solch geile Frau gesehen, nicht in Wirklichkeit, nicht<br />

im Film, nicht auf Fotos. Ich wußte: Diese geniale Schlampe mußte ich<br />

treffen!<br />

Es war natürlich sehr einfach, sie zu treffen. Ich rief bei n-tv an, wo sie<br />

einmal beschäftigt gewesen war, wie mir ein Freund für solche Fälle,<br />

Christian Y Schmidt, gesteckt hatte. Ich ließ mir ein Video schicken,<br />

"Lebens Art" hieß die Sendung, die Ariane mo<strong>der</strong>iert hatte. Das war z<strong>um</strong><br />

Lachen schlecht. Ariane konnte überhaupt nicht mo<strong>der</strong>ieren. Es war, als<br />

würde <strong>der</strong> Fußballspieler Ballack versuchen, die Thomas Gottschalk Show<br />

zu machen. Im Abspann erfuhr ich den Namen ihres Managements, rief<br />

dort an. Der Manager nahm meine N<strong>um</strong>mer auf, und Ariane rief mich an.<br />

Ihre Stimme war viel netter, authentischer und somit erotischer als auf<br />

dem Video. Wir verabredeten uns für den nächsten Tag. Ich fand, daß sie<br />

nicht hübsch lief, als sie mir im Literaturhaus entgegentrippelte, und daß<br />

sie überschminkt war, als sie vor mir stand. Ich bat sie, die fetten Crèmes<br />

auf <strong>der</strong> Toilette abzuwaschen, und danach gefiel sie mir besser.<br />

Sozusagen noch besser. Ich mußte ihr vorspielen, ein Interview mit ihr zu<br />

machen, und damit es mir leichter fiel, machte ich das dann wirklich. In<br />

<strong>der</strong> Süddeutschen Zeitung erschien tags darauf - es war zufällig die<br />

allerletzte Ausgabe <strong>der</strong> Berliner Seite, für die ich regelmäßig schrieb -<br />

folgendes kleine und gewöhnliche Feuilleton:<br />

"<strong>Joachim</strong> <strong>Lottmann</strong>s Tagebuch. Über Ariane Sommer.<br />

Man sagt, sie habe eine Männerstimme, die das <strong>Auf</strong>reizende ihres Körpers<br />

konterkariere. Man sagt, die Mädels aus 'baise-moi' seien harmlose<br />

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