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Joachim Lottmann Auf der Borderline nachts um halb eins. Mein ...

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konnte, wenn weibliche Angestellte in Medienberufen gegen Kracht<br />

wetterten und stattdessen ‚ru<strong>der</strong>nde Hunde’ von Elke Heidenreich o<strong>der</strong><br />

‚Asche aufs Haupt meiner toten Mutter’ kauften. Aber muß ich nicht<br />

wenigstens z<strong>um</strong> Abschied einmal ausrufen dürfen: Faserland war gut, es<br />

war ein wun<strong>der</strong>voller Text, ich habe mich wahnsinnig darüber gefreut,<br />

aber es war natürlich NICHT so gut wie ‚Mai, Juni, Juli’. Es fehlte, bei aller<br />

Lustigkeit, doch diese eine <strong>halb</strong>e weitere Dimension, die das an<strong>der</strong>e Buch<br />

eben doch auch noch hat, als kleine Dreingabe.<br />

Natürlich ist ‚Faserland’ ein herzensgutes Buch, anerkennenswert schon<br />

des<strong>halb</strong>, weil es <strong>der</strong> einzige konsequente Nichtentwicklungsroman ist, den<br />

ich kenne. Aber genial ist es natürlich NICHT. Das ist das an<strong>der</strong>e Buch,<br />

und Kracht weiß das und er verhält sich kindisch deswegen. Seit zehn<br />

Jahren verhält er sich einfach nur kindisch. Ein echter großer Autor hätte<br />

sich niemals so kindisch und abwehrend verhalten. Ein wirklicher großer<br />

Autor hätte sich über einen genialen Text immer und vorbehaltlos gefreut,<br />

ohne ängstlich zu überlegen, ob <strong>der</strong> eigene Text wohl schlechter sein<br />

könne. Auch Kracht ist somit nur ein kleiner Arsch, und das muß eben<br />

auch einmal gesagt werden, was ich hiermit tue. Aber damit will<br />

ich es auch erstmal bewenden lassen. Ich glaube, die Botschaft ist<br />

verstanden worden. Popliteratur war für eine kleine, feine Riege das<br />

Sprungbrett zu hohen <strong>Auf</strong>lagen und Wohlstand. Aber je<strong>der</strong> von denen hat<br />

sich postwendend von dem z<strong>um</strong> Schimpfwort gewandelten Begriff<br />

Popliteratur distanziert und hat hat ehrenhafter deutscher<br />

Großschriftsteller gemacht, auf Peter Handke, auf Freund <strong>der</strong><br />

Feuilletons. Ein guter Autor muss aber immer <strong>der</strong> größte Feind <strong>der</strong><br />

Feuilletons sein. Wenn man das aber ist, bekommt man eine Biographie<br />

wie <strong>Joachim</strong> <strong>Lottmann</strong>.<br />

Das ist natürlich nicht z<strong>um</strong>utbar, o<strong>der</strong> wie man heute nachsetzen würde:<br />

nicht wirklich. Ich verstehe sie also, die kleinen Arschlöcher, die<br />

Geistzwerge, die jahrzehntelangen Etikettenschwindler, will mich aber<br />

gerade von ihnen nun mit Nachdruck verabschieden. Übrigens auch von<br />

Alexa, die ich gerade im vor<strong>der</strong>en Bereich gesichtet habe, Alexa Hennig<br />

von Lange, die Autorin des phasenweise großartigen Romans ‚Relax’. Also<br />

die erste Hälfte des Romans ist so gut, weil Alexa da in Ich-Form von<br />

ihren sexuellen und an<strong>der</strong>en Exzessen aus ihrer Teenagerzeit berichtet,<br />

<strong>eins</strong> zu <strong>eins</strong>, so wie es wirklich war, ohne jede Distanz, o<strong>der</strong> wie ein<br />

Feuilletonist es ausdrücken würde: atemlos. Im zweiten Teil des Buches<br />

schreibt sie aus einer notgedrungen ausgedachten Perspektive eines<br />

Mannes:<br />

dieser Teil des Buches ist so tot wie eine Bleiente. Was aber niemand <strong>der</strong><br />

Autorin gesagt hatte. ‚Relax’ verkaufte sich 250.000 mal, und Alexa<br />

schrieb noch vier weitere Romane aus <strong>der</strong> Perspektive eines Mannes,<br />

eines so tot wie das an<strong>der</strong>e. Den Kritikern gefiels, die bekamen ja auch<br />

Geld fürs Lesen, und Alexa weiss bis heute nicht, welchen Mist sie seit<br />

Jahren herstellt. So, aber jetzt weißt Du es, Alexa! Komm nachher rüber,<br />

kannst bei <strong>der</strong> Podi<strong>um</strong>sdiskussion mitmachen...<br />

Ich will auch gar nicht länger meckern. Es ist ja auch so, dass es<br />

wesentlich mehr gute neue Autoren gibt als schlechtgewordene alte. <strong>Auf</strong><br />

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