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Joachim Lottmann Auf der Borderline nachts um halb eins. Mein ...

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Programm." Mit Hofgarten meint sie Willy Brandts Friedensrede in Bonn<br />

gegen den Nato-Doppel... ach, wissen Sie schon. Man weiß irgendwie<br />

alles. Auch daß die Grünen immer 'gestalten' wollen. Das Wort fällt<br />

andauernd, auf einer Podi<strong>um</strong>sdiskussion mit Schäuble, Marie-Louise Beck,<br />

Ralf Fücks und so weiter. Nur die Tochter von Marie-Louise Beck sieht gut<br />

aus. Cool. Die einzige Frau unter 50. Lei<strong>der</strong> interessiert sie sich nicht für<br />

die Grünen. Nicht für Ralf Fücks z<strong>um</strong> Beispiel, geschätzte 59, mit Piercing<br />

im Ohr und Hiphop-Glatze. Obwohl er noch so fresh rüberkommt,<br />

favorisiert die 17jährige Eminem.<br />

Gleich mehrere Hallen <strong>der</strong> weitläufig totsanierten Kulturbrauerei sind von<br />

den Grünen zwei Tage lang gemietet worden. Man quält sich durch die<br />

dunklen Backsteingemäuer von Halle zu Halle. Hier wird diskutiert, dort<br />

getrunken, woan<strong>der</strong>s ein Film gezeigt. Jede Halle hat auch eine Bar, und<br />

dort wird geredet, geredet, geredet. Eigentlich keine schlechte Sache.<br />

Spät in <strong>der</strong> Nacht taucht auch eine Prominente auf, Christa Müller,<br />

Staatministerin. Sie guckt mir über die Schulter, liest meine Notizen.<br />

"Hallo Kleines!" sage ich spontan. Sie dreht sich weg. Die Süße ist noch<br />

keine 60, muß die Haare ka<strong>um</strong> nachfärben. Sie ist meine zweitliebste<br />

Politikerin. An erster Stelle steht Krista Sager. Auch sie kommt, ich sage:<br />

"Sie haben das so fein gemacht in Hamburg mit Ortwin Runde. Damals lag<br />

das Schicksal <strong>der</strong> Stadt noch in den Händen redlicher Menschen. Herr<br />

Runde war sicher auch ein sehr partnerschaftlicher und fairer Mann!" Bei<br />

dem Wort verschluckt sie sich fast. "Partnerschaftlich?!" Sie hustet,<br />

überlegt lange. "Na, fair, von mir aus."<br />

Je länger <strong>der</strong> Abend, desto netter die Gäste. Konrad Weiß, Werner Schulz,<br />

Andrea Fischer, Minu Barati sind da, z<strong>um</strong>indest eine blutjunge Muslimin,<br />

die sie sein könnte. Ich spreche sie an. "Wo ist Josef? Josef Fischer?<br />

Joschka??" Sie hat in Ankara Abitur gemacht und studiert an <strong>der</strong><br />

H<strong>um</strong>boldt Universität Internationale Politik und Europäische Studien o<strong>der</strong><br />

sowas. Seit drei Wochen ist sie erst in Deutschland. Seit einer Woche ist<br />

sie Mitglied <strong>der</strong> Grünen. Keiner hat ihr gesagt, daß es keine jungen<br />

Grünen gibt. Sie sitzt da wie in <strong>der</strong> Tanzschule und wartet darauf,<br />

aufgefor<strong>der</strong>t zu werden. Aber kein feuriger junger Tänzer kommt. Das<br />

Methusalem Komplott hält sie <strong>um</strong>fangen. Röchelnd kommen Hans-Jürgen<br />

Wussow Typen auf sie zugetorkelt. "Oh my god! They're so OLD!" Ich<br />

erkläre es ihr. Weiß ich doch, daß unter den jungen Auslän<strong>der</strong>n<br />

('Deutschlän<strong>der</strong>' nennen sie sich) Rentner und Nazis synonyme Begriffe<br />

sind. "They are old, but good people. In former times, they have been<br />

lions! They fought for the right thing..." Bl<strong>um</strong>ig sprach ich von ihren<br />

Taten, wie sie mit friedlichen Mitteln und pazifistischer Absicht Züge<br />

entgleisen ließen, Strommasten kippten und mit Säurefarbbeuteln das<br />

Trommelfell des Außenministers z<strong>um</strong> Platzen gebracht hatten. Doch halt,<br />

das war ja Fischer... aber sie nicht seine Minu. Von <strong>der</strong> Optik her hätte es<br />

sein können ("Die Physik muß stimmen", dj rezzo schlauch<br />

zugeschriebenes Motto), aber sie wars trotzdem nicht.<br />

Und dann ein Mann im Dreiteiler. Ein Frem<strong>der</strong>. Ein CDU-Typ: Reinhard<br />

Bütikofer vom Bundesvorstand. Alles an ihm schien zu schreien: 'ICH BIN<br />

ANDERS! Ich bin kein Fusselbart! Ich bin nicht grün! Led Zeppelin gehen<br />

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