Anforderungen an Finanzvermittler â mehr Qualität ... - Evers und Jung
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Grob gesprochen darf bei einem Versicherungsvermittler nur in Ausnahmefällen das<br />
Beratungsergebnis lauten „Kein H<strong>an</strong>dlungsbedarf“, da er in diesen Fällen keine<br />
Einnahmen für seine Leistung generiert. Auch auf eine Reihe von provisionsschwächeren<br />
Produkten muss irgendw<strong>an</strong>n ein margenstarkes Produkt als Empfehlung folgen, da der<br />
Großteil der freien Vermittler <strong>an</strong>ders nicht überleben k<strong>an</strong>n.<br />
2. Verbraucher gehen wenig kompetent mit der Materie um <strong>und</strong> setzen<br />
ungeeignete Präferenzen<br />
Ausgerechnet in der ersten Lebenshälfte, wenn die entscheidenden Weichenstellungen<br />
zu den privaten Fin<strong>an</strong>zen getroffen werden sollten, sind Verbraucher mit der komplexen<br />
Materie regelmäßig überfordert. Es fehlt <strong>an</strong> entsprechendem Know-how ebenso wie <strong>an</strong><br />
Erfahrungen im Umg<strong>an</strong>g mit zentralen Fin<strong>an</strong>zprodukten. Hier entwickeln sich<br />
Verbraucher offensichtlich <strong>an</strong>ders als im Konsumgüterbereich: Auch ein Auto ist ein<br />
komplexes Produkt. Allerdings sind wir weit früher damit konfrontiert <strong>und</strong> bilden auch<br />
früher produktive Präferenzen aus, damit am „Tag X“ eine ausreichend kompetente<br />
Entscheidung getroffen werden k<strong>an</strong>n.<br />
Im Fin<strong>an</strong>zbereich werden in der entscheidenden Lebensphase nur im Ausnahmefall<br />
Zukunftspräferenzen gesetzt – also Existenzsicherung <strong>und</strong> Kapitalaufbau/Altersvorsorge<br />
gegenüber aktuellem Konsum der Vorzug gegeben. Dennoch müssen Entscheidungen<br />
gefällt werden – <strong>und</strong> sei es nur, weil ein Versicherungsvertreter dieses Thema aktiv<br />
einbringt. Dies führt im Versicherungsbereich wie in den <strong>an</strong>deren Teilmärkten<br />
systematisch zu Fehlentscheidungen. Die am weitesten verbreitete liegt darin, in<br />
unklaren Lebenssituationen l<strong>an</strong>gfristige Vertragsbindungen einzugehen, u.a. weil<br />
ged<strong>an</strong>klich die Themen Vermögensaufbau mit l<strong>an</strong>gfristigen Verträgen gleichgesetzt<br />
werden. Von Vermittler- <strong>und</strong> Anbieterseite wird dies nicht automatisch korrigiert, da diese<br />
ein Interesse <strong>an</strong> l<strong>an</strong>gfristigen Verträgen hat.<br />
Ein Trend in der Bevölkerung zu einem kompetenteren Umg<strong>an</strong>g mit den eigenen<br />
Fin<strong>an</strong>zen ist noch nicht stabil erkennbar. Allerdings nimmt die Zahl <strong>an</strong><br />
Fin<strong>an</strong>zbildungsinitiativen von unterschiedlichsten Trägern zu, die diesen Umst<strong>an</strong>d<br />
überwinden sollen.<br />
3. Die Versicherungsvermittlung ist stark konzentriert auf Kernprodukte<br />
Auf herkömmlichen Märkten sind die meist verkauften Produkte immer gleichzeitig<br />
diejenigen, die von den K<strong>und</strong>en am meisten nachgefragt werden. Da jedoch<br />
Versicherungen im Privatsektor – im Br<strong>an</strong>chenjargon gesprochen – „nicht vom K<strong>und</strong>en<br />
gekauft <strong>und</strong> deshalb vom Vermittler verkauft werden müssen“, hält dieser Eindruck im<br />
Versicherungsbereich einer Überprüfung nicht St<strong>an</strong>d. Zu vermuten ist eher eine<br />
strukturelle Besonderheit: Im entscheidenden Bereich „Leben“ scheinen<br />
Versicherungswirtschaft <strong>und</strong> ihre Vermittler abhängig von relativ wenigen Produkten, in<br />
erster Linie der Kapital bildenden Lebens-/Rentenversicherung, der Unfallversicherung<br />
sowie der Privaten Kr<strong>an</strong>kenversicherung. Aus verschiedenen Gründen konzentriert sich<br />
der Versicherungsvertrieb zu einem erheblichen Teil auf diese Produkte <strong>und</strong> schafft damit<br />
ein selbstreferenzielles System: Es sind tatsächlich die meistverkauften im Markt. Daraus<br />
auf einen entsprechenden Bedarf bei den Verbrauchern schließen zu wollen, ist<br />
verbreitet, aber nicht stichhaltig. Auch die bereits <strong>an</strong>gesprochene niedrige<br />
Fin<strong>an</strong>zkompetenz <strong>und</strong> Beurteilungsschwäche großer Bevölkerungsteile mit der damit<br />
einhergehenden Fehlerhäufigkeit sprechen dagegen.<br />
© <strong>Evers</strong> & <strong>Jung</strong> 2005 <strong>Anforderungen</strong> für Fin<strong>an</strong>zvermittler – <strong>mehr</strong> Qualität, bessere Entscheidungen Seite 114