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Anforderungen an Finanzvermittler – mehr Qualität ... - Evers und Jung

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F.2.6<br />

Weißmarkt-Produkte als Türöffner zum Graumarkt<br />

Unseriöse Fin<strong>an</strong>zvermittlung in Deutschl<strong>an</strong>d funktioniert häufig nach dem Muster, dass<br />

das erste vermittelte Produkt völlig harmlos ist (z.B. Tagesgeldkonto,<br />

Haftpflichtversicherung oder Riester-Rente), sodass zunächst eine Vertrauensbasis zum<br />

K<strong>und</strong>en entsteht. Diese wird erst später ausgenutzt für den Vertrieb von hochsensiblen,<br />

teilweise auch unseriösen Produkten. Dies liegt in der Struktur der Provisionen<br />

begründet, die bei den unbedenklichen <strong>und</strong> fast für jeden K<strong>und</strong>en <strong>an</strong>gezeigten Produkten<br />

(Haftpflicht, Berufsunfähigkeit, Risikoleben) durchweg unattraktiver sind als die<br />

unvorteilhaften oder gar unseriösen. Selbst für Vermittler, die eigentlich seriös arbeiten<br />

möchten, ist die Versuchung groß, ihren bis dato gut beratenen K<strong>und</strong>en früher oder<br />

später ein Steuersparmodell oder <strong>an</strong>dere komplexe Anlagen <strong>an</strong>zubieten, die<br />

möglicherweise nicht zum K<strong>und</strong>en passen, zumindest aber nicht zwingend wären. Diese<br />

verbreitete Praxis ist mit herkömmlichen Beratungstests, wie sie für die Medien<br />

regelmäßig erstellt werden, nur schwer aufzudecken, da m<strong>an</strong> eine L<strong>an</strong>gfristberatung<br />

beobachten müsste.<br />

Relev<strong>an</strong>z: Beratungsqualität ist nicht <strong>an</strong> der ersten Vermittlung ablesbar, sondern nur<br />

l<strong>an</strong>gfristig <strong>und</strong> produktübergreifend zu beurteilen. Angesichts der gegeben<br />

Provisionsstrukturen der aktuellen Produktl<strong>an</strong>dschaft muss sich zw<strong>an</strong>gsläufig gegen<br />

verschiedene, fin<strong>an</strong>ziell attraktive Optionen entscheiden, wer wirklich Qualität liefern will.<br />

Dies ist auch das Qualitätsmerkmal, <strong>an</strong> dem sich verbraucherorientierte<br />

Selbstverpflichtungen z.B. von Verbänden messen lassen müssen, da ihnen der<br />

Produktvertrieb mit seinen Sachzwängen systematisch entgegenläuft.<br />

F.2.7<br />

M<strong>an</strong>gelhafte Fin<strong>an</strong>zbildung <strong>und</strong> Behavioral Fin<strong>an</strong>ce-Effekte<br />

Einer der am häufigsten <strong>an</strong>geführten Gründe für Fehlfunktionen im<br />

Fin<strong>an</strong>zvermittlungsgeschehen ist die unzureichende Vorbildung der Nachfrager.<br />

Deutschl<strong>an</strong>d spielt hier keine Sonderrolle, viel<strong>mehr</strong> ist dies ein Problem in fast allen<br />

entwickelten Volkswirtschaften. Es verstärkt sich in dem Maße, wo kollektive<br />

Sicherungssysteme aus demografischen Gründen oder politischen Paradigmenwechseln<br />

nicht <strong>mehr</strong> jenes Ausmaß <strong>an</strong> Absicherung bieten, das noch eine Generation zuvor fast<br />

jede Eigeninitiative unnötig machte.<br />

Zudem arbeitet die Verhaltensökonomik (Behavioral Fin<strong>an</strong>ce) immer stärker heraus,<br />

warum sich Marktteilnehmer oft nicht so verhalten, wie es die klassische Markttheorie mit<br />

ihrem Bild vom „Homo oeconomicus“ eigentlich prognostiziert. Die jüngere<br />

Verhaltensökonomik geht von einer eingeschränkten Rationalität der Marktteilnehmer am<br />

Fin<strong>an</strong>zmarkt aus, die sich aus psychischen, mentalen <strong>und</strong> neuronalen Beschränkungen<br />

begründet. 132 Diese Anomalien treten in verschiedenen Phasen der<br />

Informationswahrnehmung, der Informationsverarbeitung oder der Informationsbewertung<br />

auf <strong>und</strong> zeichnen sich durch eine enorme Vielschichtigkeit aus. Sie sind keiner Phase<br />

eindeutig zuzuordnen, sondern bedingen ein<strong>an</strong>der oder bauen aufein<strong>an</strong>der auf.<br />

132<br />

Vgl. Jakob, 2007, S. 150ff.<br />

© <strong>Evers</strong> & <strong>Jung</strong> 2005 <strong>Anforderungen</strong> für Fin<strong>an</strong>zvermittler – <strong>mehr</strong> Qualität, bessere Entscheidungen Seite 95

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