Drucksache 14/9852 – 104 – Deutscher B<strong>und</strong>estag – 14. Wahlperiodewird generell durch <strong>eine</strong> geringere Flexibilität in der Programmgestaltung<strong>und</strong> der Ausgestaltung der Verträge mitden Landwirten sowie durch die Einhaltung der starrenEU-Regelungen zur Kontrolle erkauft. Naturschutzauflagenkönnen unter diesen Auflagen zum Teil wenigergut an die örtlichen Bedingungen angepasst werden.Kurzfristige, individuelle Anpassungen an örtliche,betriebliche oder jahreszeitenabhängige Gegebenheitensind innerhalb vorgefertigter Massenanträge schwierigerzu erreichen.235. Die neue Möglichkeit, <strong>eine</strong> Ausgleichszulage mitEU-Kofinanzierung auch in Gebieten zu zahlen, die vonnaturschutzrechtlichen Auflagen aufgr<strong>und</strong> von EU-Rechtbetroffen sind (Artikel 16 VO(EG) Nr. 1257/1999; KapitelV.), hat die Möglichkeiten der Naturschutzfinanzierungin Schutzgebieten erweitert. Allerdings liegt der Höchstbetragbei Ausgleichszahlungen für Auflagen in FFH-Gebietenbei maximal 200 Euro pro ha, während für freiwilligeUmweltmaßnahmen auf Grünland bis zu 450 Euro<strong>und</strong> bei Dauerkulturen bis zu 900 Euro gezahlt werdenkönnen (vgl. Europäische Kommission in OSTERBURG,2002, S. 9). Aufgr<strong>und</strong> dieser Benachteiligung wird dieAusgleichszulage (nach Artikel 16) von den B<strong>und</strong>esländernkaum in Anspruch genommen. Um <strong>eine</strong> EU-Finanzierungvon Naturschutzzielen durch freiwillige Maßnahmenzu ermöglichen, wurden statt<strong>des</strong>sen in einigen Fällenhoheitliche Schutzmaßnahmen gelockert <strong>und</strong> damit dielangfristige Sicherung von Schutzgebieten auf ein niedrigeresNiveau verschoben (von dem BUSSCHE, 2001 inOSTERBURG, 2002). Dieses Vorgehen ist vermutlich inB<strong>und</strong>esländern verbreitet, die in ihren Naturschutzgebietenk<strong>eine</strong> Ausgleichszahlungen für Auflagen der Schutzgebietsverordnunggewähren. Die Landwirte müssen dieAuflagen der Verordnung dort im Rahmen der Sozialbindung<strong>des</strong> Eigentums erfüllen. In anderen B<strong>und</strong>esländernwie z. B. Niedersachsen werden hoheitliche Auflagen inSchutzgebieten durch Zahlungen ausgeglichen, die derzeitvon der EU kofinanziert werden, auch wenn es sichnicht um FFH-Gebiete handelt. Probleme im Rahmen dieserStrategie bestehen eher in <strong>eine</strong>r sehr stark an der Akzeptanzausgerichteten Auslegung der Sozialbindung, sodassselbst die Aufrechterhaltung der gegenwärtigenNutzung (z. B. Grünlanderhaltung) gefördert wird. Auchist <strong>eine</strong> Anpassung <strong>des</strong> Niveaus der hoheitlichen Auflagenan die Finanzierungsmöglichkeiten <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> zu beobachten<strong>und</strong> es besteht die Gefahr, dass naturschutzorientierteFörderungen in den finanzschwachen B<strong>und</strong>esländernauf Schutzgebiete beschränkt werden. <strong>Für</strong> wertvolleFlächen außerhalb von Schutzgebieten bleiben dannkaum noch Fördermittel übrig.236. Die Ausgestaltung der EU-Kofinanzierung wirftfür die Förderung naturschutzorientierter Maßnahmennoch weitere Probleme auf. Die maximal von der EU erstattungsfähigenPrämien reichen für bestimmte aufwendigeNaturschutzmaßnahmen nicht aus. In vielen Ländernwerden <strong>des</strong>halb so genannte „TopUps“ (Zusatzzahlungen)als notwendig angesehen, die nicht nur zu <strong>eine</strong>rhöheren Haushaltsbelastung der im Naturschutz besondersaktiven Länder führen, sondern auch mit <strong>eine</strong>m erhöhtenVerwaltungsaufwand verb<strong>und</strong>en sind.Als Empfänger der EU-kofinanzierten Fördermittel kommenbei Agrarumweltmaßnahmen (nach Artikel 22) sowiefür Ausgleichszahlungen in Schutzgebieten (Artikel 16)ausschließlich Landwirte infrage. Dadurch werden potenzielleLeistungserbringer wie z. B. Umweltverbändeoder Jäger ausgeschlossen <strong>und</strong> es kommt zu Parallelprogrammenfür Nichtlandwirte, die den Verwaltungsaufwanderhöhen. Im Rahmen der Maßnahmen nachArtikel 33 können auch Nicht-Landwirte gefördert werden(OSTERBURG, 2002, S. 53). Hier sind die Mittel jedochan investive Maßnahmen geb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> werden inder Praxis vor allem für den Flächenankauf verausgabt.Die Chance mit der VO(EG) Nr. 1257/1999 auch sektorübergreifend<strong>eine</strong> stärkere Integration in der Förderung<strong>des</strong> ländlichen Raumes zu erreichen, wurde in diesemPunkt nicht genutzt.Problematisch für die Länder wirkt sich ebenfalls derdurch die EU-Vorgaben bewirkte hohe Aufwand für dieAbwicklung, Kontrolle <strong>und</strong> Evaluation der Maßnahmenaus. Das Integrierte Verwaltungs- <strong>und</strong> Kontrollsystem(InVeKoS) erhöht derzeit den Verwaltungsaufwand fürdie Agrarumweltprogramme <strong>und</strong> vermindert die Kapazitäten,die der Beratung <strong>und</strong> fachlichen Betreuung vonLandwirten zugute kommen könnten. Dies gilt insbesonderefür die ohnehin vielfach überlasteten Naturschutzbehörden(s. Kapitel 4.1).237. Hinsichtlich der Regelungen über den Abzug vonnicht genutzten Kleinstrukturen auf der Förderfläche stehendie EU-Vorgaben zudem im Widerspruch zu Naturschutzzielen.Die von Bayern <strong>und</strong> Hessen praktizierteLösung, <strong>eine</strong>n Anteil von 10 bis 20 % zur Fläche gehörigerKleinstrukturen pauschal von der Kommissiongenehmigen zu lassen, sollte <strong>des</strong>halb möglichst umgehendzur allgem<strong>eine</strong>n Regel erhoben werden. Eine Vereinfachungder Kontrollen kann durch den verstärktenEinsatz von Satellitenbildauswertungen <strong>und</strong> GIS erfolgen;auch <strong>eine</strong> stärkere Erfolgsorientierung der Honorierungwürde den Kontrollaufwand in einigen Fällenvermindern. Die Evaluation könnte auf längere Sichtdurch <strong>eine</strong> Verbesserung der Wissensbasis zu den Wirkungender Maßnahmen auf unterschiedlichen Standortenerleichtert werden.Diesen Problemen durch die derzeitigen Bedingungen derEU-Kofinanzierung stehen aber auch erhebliche Vorteilegegenüber. Hervorzuheben ist insbesondere die hoheTransparenz der Mittelausgaben aufgr<strong>und</strong> der Standardisierungder Programme <strong>und</strong> Verwaltungsabläufe, die Verpflichtungzur Evaluation <strong>und</strong> der fachübergreifende Ansatzbei der Planung <strong>und</strong> Durchführung.Beurteilung der GAK-Kofinanzierung238. Während allgem<strong>eine</strong>re Extensivierungsmaßnahmendurch die Gemeinschaftsaufgaben Agrarstruktur <strong>und</strong>Küstenschutz zusätzlich zu den EU-Zuschüssen kofinanziertwerden (Kofianzierungssätze siehe Tabelle 5-7), giltdies nicht für Naturschutzmaßnahmen im engeren Sinne.Diese gehören nicht zur Gemeinschaftsaufgabe <strong>und</strong> sindallein aus Lan<strong>des</strong>mitteln zu finanzieren.
Deutscher B<strong>und</strong>estag – 14. Wahlperiode – 105 – Drucksache 14/9852Damit wird die Attraktivität der allgem<strong>eine</strong>n Agrarumweltmaßnahmengegenüber Naturschutzmaßnahmen fürdie B<strong>und</strong>esländer erheblich gesteigert. Allerdings sind mitder Kofinanzierung durch die GAK auch konkrete Vorgabenfür die Ausgestaltung der Maßnahmen verb<strong>und</strong>en,was für einige B<strong>und</strong>esländer ein Anlass ist, GAK-Mittelbevorzugt an anderen Stellen einzusetzen <strong>und</strong> bei denAgrarumweltprogrammen auf <strong>eine</strong> Kofinanzierung zuverzichten (s. OSTERBURG, 2002, S. 25).Zwar wurde in der derzeitigen Förderperiode der formaleAusschluss von Maßnahmen <strong>des</strong> <strong>Naturschutzes</strong> <strong>und</strong> derLandschaftspflege nicht mehr so strikt ausgelegt, diegr<strong>und</strong>sätzlichen Probleme bleiben jedoch bestehen. DieDiskussion darüber, ob <strong>eine</strong> Erweiterung der GAK <strong>eine</strong>Verfassungsänderung erfordert, ist noch nicht abgeschlossen.Allerdings könnte kurzfristig <strong>eine</strong> Verbesserung derFördermöglichkeiten für den Naturschutz durch <strong>eine</strong> verstärkteFörderung multifunktionaler Maßnahmen erreichtwerden. Solche Maßnahmen sollten Ziele <strong>des</strong> engeren<strong>Naturschutzes</strong> mit dem Schutz abiotischer Naturgüter <strong>und</strong>der Agrarstrukturförderung verbinden <strong>und</strong> primär inGebieten mit erhöhtem Handlungsbedarf eingesetzt werden(Entwicklung gemeinsamer Gebietskulissen, Standortvorgaben).Zuständigkeiten <strong>und</strong> Durchführung239. In der derzeitigen Förderperiode hatte nach wie vordie Agrarverwaltung die Federführung bei der Gestaltungder Agrarumweltprogramme, doch waren nunmehr dieUmweltbehörden maßgeblich an der Erstellung der Plänebeteiligt. Diese Zusammenarbeit schafft neue Chancen,die Förderkonditionen der einzelnen Maßnahmen in derZukunft so gut aufeinander abzustimmen, dass <strong>eine</strong> imVerhältnis zu den Naturschutzmaßnahmen attraktiverePrämiengestaltung für einfache Extensivierungsmaßnahmen,die von der Agrarverwaltung entwickelt wurden(GÜTHLER, 2001 in OSTERBURG, 2002), vermiedenwird. Eine intensive gemeinsame Gestaltung <strong>und</strong> Umsetzungder Programme kann auch die Gefahr <strong>eine</strong>r Doppelförderungbei Kombinationsmodellen (OSTERBURG,2002, S. 30) vermindern. In der Umsetzung <strong>und</strong> Kontrolleder Maßnahmen nach VO(EG) Nr. 1257/1999 dominiertder-zeit die Agrarverwaltung (siehe Zusammenstellung inOSTERBURG, 2002, S. 94 ff.), die für die GAK-Mittelzuständig <strong>und</strong> mit größeren Personalkapazitäten ausgestattetist. In einigen Ländern werden auch die Naturschutzmaßnahmenvon der Agrarverwaltung kontrolliert.Aufgr<strong>und</strong> der größeren fachlichen Nähe zu den Landwirtenkann sich dies sowohl vorteilhaft (bessere Akzeptanzder Maßnahmen) als auch nachteilig aufgr<strong>und</strong> <strong>eine</strong>r zugroßen Toleranz gegenüber der eigenen Klientel (sieheAHRENS et al., 2000) auswirken. Eine Entschlackung<strong>und</strong> technische Unterstützung der Kontrollen würde denWeg für <strong>eine</strong>n stärkeren Personaleinsatz in der Beratungfrei machen. In besonderem Maße sollte dabei die naturschutzfachlicheBeratung gefördert werden, die in vielenLändern zu wenig institutionalisiert ist (OSTERBURG,2002, S. 64). In einigen Ländern wurden gute Erfahrungenmit der Auslagerung der Beratung aus den Behördengemacht. Biologische Stationen, spezialisierte Fachberateroder Landschaftspflegeverbände übernehmen dortdiese Aufgabe (s. dazu Tz. 125).5.1.4 Honorierung ökologischer Leistungender Landwirtschaft240. Der Umweltrat hat sich bereits 1996 in s<strong>eine</strong>mSondergutachten zu <strong>eine</strong>r dauerhaft-umweltgerechtenLandnutzung (SRU, 1996, Tz. 240 ff.) gr<strong>und</strong>sätzlich mitden Strategien zur Honorierung von Umweltleistungen inder Landwirtschaft befasst. Eine nach traditionellemMuster handlungsorientierte, an der spezifischen Bodennutzungansetzende Honorierungsstrategie wurde als ineffizientbeurteilt <strong>und</strong> daher statt<strong>des</strong>sen für <strong>eine</strong> ergebnisorientierte,direkt an Umweltqualitätszielen orientierteHonorierungsstrategie plädiert. Der Vorteil gegenüber <strong>eine</strong>rhandlungsorientierten, einseitig kostenbezogenen Honorierungwurde vor allem in der Kosteneffizienz <strong>und</strong>höheren Anreizwirkung auf die Leistungsersteller gesehen.Mit <strong>eine</strong>r ergebnisorientierten Honorierungsstrategiewerden bei konstantem Honorierungsbetrag pro ökologischerLeistungseinheit günstige Leistung-Kosten-Relationenbelohnt <strong>und</strong> ungünstige Relationen bestraft. EineKofinanzierungssätze in der Agrarumweltförderung gemäß VO(EWG) Nr. 2078/1992<strong>und</strong> VO(EG) Nr. 1257/1999(in % vom Gesamtbetrag)Tabelle 5-7Kofinanzierung durchAlte LänderNeue Länder(Ziel-1-Gebiet)EU 50 % 75 %GAK (optional) 1 30 % 15 %B<strong>und</strong>esland (mit GAK-Kofinanzierung) 20 % 10 %B<strong>und</strong>esland (ohne GAK-Kofinanzierung) 50 % 25 %1Gemäß der „Gr<strong>und</strong>sätze für <strong>eine</strong> markt- <strong>und</strong> standortangepasste Landbewirtschaftung“, Kofinanzierung von 60 % der nationalen Mittel.Quelle: MEHL <strong>und</strong> PLANKL, 1995