13.07.2015 Aufrufe

Für eine Stärkung und Neuorientierung des Naturschutzes

Für eine Stärkung und Neuorientierung des Naturschutzes

Für eine Stärkung und Neuorientierung des Naturschutzes

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Deutscher B<strong>und</strong>estag – 14. Wahlperiode – 51 – Drucksache 14/9852ökologischer Sinn den Betroffenen nicht einleuchtet. Diesbetrifft beispielsweise Einschränkungen der Küstenfischerei,<strong>des</strong> Freizeitangelns, sporadischer Nutzungsformenwie das Sammeln von Beeren oder Pilzen sowie dasVerbot der Jagd. Die Einschränkungen <strong>und</strong> allmählicheBeendigung dieser Formen der stofflichen Naturnutzungsind jedoch Charakteristika von Nationalparken (Tz. 94),über die aus der Sicht der Naturschützer nicht verhandeltwerden darf, da man andernfalls die Schutzkategorie„Nationalpark“ als solche gr<strong>und</strong>sätzlich infrage stellenwürde. Dieses Strukturproblem erschwert Kompromisslösungen.Das Verhalten der Naturschützer wird extrem kritisch <strong>und</strong>misstrauisch beobachtet. Häufig werden Vertreter <strong>des</strong>behördlichen <strong>Naturschutzes</strong> pauschal als „Grüne“ bezeichnet.Vor dem Hintergr<strong>und</strong> solcher Fehlidentifikationenwerden Glaubwürdigkeitsansprüche hoch angesetzt(KATZENBERGER, 2000). Können die ehrenamtlichenoder behördlichen Naturschützer diesen Ansprüchen nichtständig genügen, so gelten sie als unglaubwürdig („Die fahrenja auch mit dem Auto durch den Wald!“). Die Angemessenheitdieser Ansprüche wird nur selten reflektiert.Die Ablehnung von „Fremdbestimmung“ <strong>und</strong> „Naturschutzbürokratie“ist generell ausgeprägt. Die Vorgehensweisevon Lan<strong>des</strong>politikern <strong>und</strong> Behörden wird von <strong>eine</strong>rMehrzahl der Befragten allgemein als intransparent, uninformativ,autoritär <strong>und</strong> nicht demokratisch empf<strong>und</strong>en.Ausdrücke wie „überstülpen“ oder „bevorm<strong>und</strong>et werden“finden sich in sämtlichen Fallstudien. Beklagt werdenfehlende Mitsprachemöglichkeiten. Häufig werden„basisdemokratische“ Argumente vorgebracht. Die Regulierungvon Verhalten in der Natur verleiht dem behördlichenNaturschutz in den Augen vieler Nutzer administrative,autoritäre <strong>und</strong> dogmatische Züge <strong>und</strong> ein entsprechen<strong>des</strong>Negativ-Image.Nur selten bilden sich stabile Allianzen aus Naturschutzbehörden<strong>und</strong> lokalen Meinungsführern, die für die Belange<strong>des</strong> <strong>Naturschutzes</strong> öffentlich eintreten <strong>und</strong> Vorbildfunktionübernehmen. In der Regel baut sich ein diffuser<strong>und</strong> konformistischer Gruppendruck gegen den Naturschutzauf, der auch die nicht direkt Betroffenen erfasst.Diese Stimmung erschwert oder verhindert es, dass Gruppen,deren Interessen mit den Zielen <strong>des</strong> <strong>Naturschutzes</strong>durchaus verträglich sind oder sein könnten (Tourismus,Gastronomie usw.), sich öffentlich zu Wort melden <strong>und</strong>Allianzen mit den Naturschützern eingehen. Dies wiederumführt zu der schwer aufzubrechenden Situation,dass die Naturschützer in Nationalparken häufig zuisolierten Außenseitern werden (STOLL-KLEEMANN,2001).92. In den neuen B<strong>und</strong>esländern haben Akzeptanzdefiziteein besonderes Profil. Hier wird der behördlicheNaturschutz oft als „westlich“ verstanden. DieEinschränkungen durch den Naturschutz werden als Widerspruchzu den neu erworbenen Vorstellungen von„westlicher Freiheit“ empf<strong>und</strong>en. Die unreflektiertenIdeale „westlicher Freiheit“ verbinden sich häufig mit derAblehnung <strong>eine</strong>r Fremdbestimmung durch Westdeutsche.Dies zeigt sich besonders dann, wenn die Führung derNationalparke hauptsächlich aus den alten B<strong>und</strong>esländernstammt. Nicht selten trifft man sogar auf <strong>eine</strong> Einordnung<strong>des</strong> <strong>Naturschutzes</strong> in antidemokratische Traditionen.93. Akzeptanzdefizite prägen sich häufig zu festen, stereotypenEinstellungen <strong>und</strong> Vorurteilsstrukturen aus, diesich später kaum noch im Sinne <strong>des</strong> <strong>Naturschutzes</strong> beeinflussenlassen. Es ist zurzeit offen, ob diese Einstellungenlediglich spezifisch für die eher ältere Generationsind oder ob, <strong>und</strong> wenn ja, in welcher Form sie sich auchin der jüngeren Generation ausprägen.IUCN-Kriterien als Gr<strong>und</strong> für Akzeptanzdefizite94. Viele Argumente gegen Nationalparke beziehen sichauf den weitgehenden Ausschluss menschlicher Nutzung(HUBO <strong>und</strong> KROTT, 1998). Aus diesem Gr<strong>und</strong>e ist dieAusrichtung der Nationalparkkonzepte an den Kriterien<strong>und</strong> Kategorien der Internationalen NaturschutzorganisationIUCN (International Union for Conservation of Natureand Natural Resources) zu diskutieren. Die IUCNbemüht sich um <strong>eine</strong> weltweit einheitliche <strong>und</strong> anerkannteSchutzgebietssystematik. Die Kategorien <strong>und</strong> Kriteriender IUCN sind völkerrechtlich nicht verbindlich, werdenaber in vielen Staaten als Leitlinien für die Ausweisungvon Nationalparken <strong>und</strong> anderen Schutzgebieten benutzt.Die IUCN ist von den Zielen <strong>und</strong> Idealen der US-amerikanischenWildnis-Bewegung geprägt. Sie ist im Kontext<strong>des</strong> internationalen <strong>Naturschutzes</strong> einflussreich, inDeutschland über Fachkreise hinaus jedoch nur wenig bekannt.<strong>Für</strong> die lokale Bevölkerung sind die IUCN-Kriteriennicht maßgeblich, während viele Naturschützer sieals normativ verbindlich oder zumin<strong>des</strong>t als Idealziel anerkennen(exemplarisch PANEK, 1999; ähnlich KNAPP,2001). Unter der Voraussetzung der Maßgeblichkeit derIUCN-Kriterien (oder <strong>eine</strong>r strikten Interpretation dieserKriterien) als dem „international gültigen Standard“(PANEK, 1999, S. 266) erscheint die Situation in vielendeutschen Nationalparken als unbefriedigend, sofern beispielsweisestoffliche Nutzungen wie Jagd oder Fischereiweiterhin auch in Kernzonen geduldet werden <strong>und</strong> nichtausdrücklich naturschutzfachlich erwünscht sind. DieseDuldungspraktiken, durch die die NationalparkverwaltungenKonflikte entschärfen wollen, ersch<strong>eine</strong>n vor demHintergr<strong>und</strong> <strong>eine</strong>r strikten Auslegung der IUCN-Kriterienfür Nationalparke (Tab. 3-1, Seite 52) als Beispiele mangelnderZielerfüllung (PANEK, 1999, S. 268).95. Die IUCN-Kategorien <strong>und</strong> -Kriterien sind seit 1969mehrfach geändert worden. Die derzeit gültigen sechs Kategoriensind seit 1994 in Kraft. Die strengste IUCN-Schutzkategorie I, aufgeteilt in Kategorie Ia: „Strict NatureReserve“ <strong>und</strong> Ib: „Wilderness Area“ kann in West<strong>und</strong>Mitteleuropa scheinbar kein Gebiet erfüllen, da eshier k<strong>eine</strong> großen Wildnisgebiete mehr gibt. Kategorie-I-Gebiete müssen von menschlichem Einfluss weitgehendfrei sein <strong>und</strong> frei gehalten werden können. 88 % derFlächen der europäischen Kategorie-I-Gebiete befindensich in Norwegen, Finnland <strong>und</strong> Russland (KNAPP, 2001,S. 223). Es wird neuerdings jedoch in Naturschutzkreisendarüber diskutiert, ob Kernzonen der deutschen Nationalparkeoder auch andere Flächen unter Umständen die

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!