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Für eine Stärkung und Neuorientierung des Naturschutzes

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Drucksache 14/9852 – 130 – Deutscher B<strong>und</strong>estag – 14. Wahlperiode327. Die Bewältigung der Eingriffsregelung über dieBauleitplanung ist noch weit stärker von Abwägung geprägtals die unmittelbar vorhabenbezogene Eingriffsregelungnach dem B<strong>und</strong>esnaturschutzgesetz, die nur nochim Außenbereich Anwendung findet. Zwar erfolgt die Bestimmung<strong>des</strong> Eingriffs weiter nach Maßgabe <strong>des</strong> B<strong>und</strong>esnaturschutzgesetzes.Das BauGB geht aber davon aus,dass nicht nur die Zulässigkeit <strong>des</strong> Vorhabens, sondernauch die planerischen Entscheidungen, also die Festlegungvon Vermeidung <strong>und</strong> Ausgleich der Abwägung nach§ 1 Abs. 6 BauGB unterliegen. Diese rechtliche Regelungmüsste allerdings <strong>eine</strong> aus Naturschutzsicht zufriedenstellendeBewältigung der Eingriffsregelung nicht behindern,denn durch die Einführung <strong>des</strong> Ökokontos <strong>und</strong> derAufweitung <strong>des</strong> räumlichen Bezuges zwischen Eingriffs<strong>und</strong>Kompensationsfläche im BauGB fehlen in der RegelGründe, die <strong>eine</strong> Reduzierung von erforderlichen Kompensationsmaßnahmenrechtfertigen könnten. In Verbindungmit dem Wegfallen der Genehmigungspflicht fürden Bebauungsplan, sofern er aus dem Flächennutzungsplanentwickelt wurde, ist allerdings die Wahrscheinlichkeit<strong>eine</strong>s Vollzugsdefizits erheblich gestiegen. Diederzeitige Umsetzungspraxis ist nicht ausreichend untersucht.Fallstudien wie z. B. MAY-STÜRMER (2000) <strong>und</strong>MEYHÖFER (2000) deuten auf <strong>eine</strong> ambivalente Situationhin. Die wenigen seit der Integration der Eingriffsregelungin das Baurecht ergangenen Urteile zur Festlegungvon Art <strong>und</strong> Umfang der Kompensationsmaßnahmen legenden Schluss nahe, dass die Maßnahmen häufig auf zukl<strong>eine</strong> Flächen begrenzt werden. Die entfallene Genehmigungspflichtvon Bebauungsplänen leistet daher – nebendem Fehlen spezifischer Begründungspflichten <strong>und</strong>Rechtsschutzmöglichkeiten – Vollzugsdefiziten Vorschub,die jedoch nur in den wenigen Fällen offensichtlich werden,in denen Privatkläger Naturschutzbelange – häufigzur Verfolgung anderer Interessen – geltend machen (vgl.z. B. OVG Koblenz, Urteil v. 22. September 2000, Natur<strong>und</strong> Landschaft 2001 Heft 3, S. 139).Defizite bei der Maßnahmenumsetzung328. Kompensationsmaßnahmen erreichen häufig nichtdas angestrebte Ziel <strong>eine</strong>r tatsächlichen Kompensationder Beeinträchtigungen. Bei <strong>eine</strong>r ökologischen Wirkungskontrolledurch den Landschaftsverband Rheinlandwurde z. B. festgestellt, dass nur wenige Kompensationsmaßnahmentatsächlich entsprechend den Vorgaben ausdem lan<strong>des</strong>pflegerischen Begleitplan umgesetzt wurden.Bei diesen wurde wiederum nur selten auch der angestrebteökologische Zustand erreicht. Oftmals war sogargar nicht genau geklärt, welcher Zustand angestrebt werdensollte. So wird bei der Maßnahmenplanung das Entwicklungszielnicht klar <strong>und</strong> ausreichend konkret formuliert<strong>und</strong> das Entwicklungspotenzial der Fläche sowie dietechnische Machbarkeit zu wenig berücksichtigt(BAUCKLOH, 2000, S. 106 f.). Ursache hierfür sind unteranderem fehlende Erfahrungen mit solchen Entwicklungsmaßnahmen.329. Ein großes Problem für viele Naturschutzbehördenist der mangelnde Überblick über die festgesetzten Kompensationsmaßnahmen.Meist gibt es kein Kataster, indem alle festgesetzten <strong>und</strong> rechtlich verbindlichen Kompensationsmaßnahmendargestellt sind. Die Folge ist,dass in der behördlichen Praxis kaum bzw. nicht überprüftwerden kann,– wo die festgesetzten Kompensationsflächen liegen<strong>und</strong> wie sie entwickelt werden sollen, wodurch <strong>eine</strong>effiziente Maßnahmenkontrolle schon im Gr<strong>und</strong>satzerschwert oder sogar unmöglich gemacht wird, <strong>und</strong>– ob <strong>eine</strong> Fläche bereits als Kompensationsfläche vergebenist, wodurch es zu Doppelbelegungen der selbenFläche mit mehreren Kompensationsmaßnahmen,zur gleichzeitigen Beantragung von Mitteln aus Naturschutzförderprogrammenoder zur Beanspruchungder Fläche für andere Vorhaben kommt.Erste Schritte zum Aufbau von Kompensationsflächenkatasternauf Lan<strong>des</strong>ebene gibt es z. B. in den Lan<strong>des</strong>naturschutzgesetzenvon Bayern, Berlin <strong>und</strong> Brandenburg. InNordrhein-Westfalen wurde die Einrichtung solcher Katasterauf Kreisebene rechtlich festgeschrieben (vgl. VOv. 23. März 2001, GV. NRW, ausgegeben am 27. April2001) <strong>und</strong> mit ihrem Aufbau bereits begonnen (z. B. KreisOsnabrück, Kreis Unna). Die Novellierung <strong>des</strong> B<strong>und</strong>esnaturschutzgesetzesgibt den Ländern nun zwar die Möglichkeit,rechtliche Regelungen für die Einführungvon Ökokonten in Zusammenhang mit Eingriffen nach§ 18 BNatSchG n. F. zu treffen. Der Aufbau von Kompensationsflächenkatasternwurde jedoch bei der Novellierung<strong>des</strong> B<strong>und</strong>esnaturschutzgesetzes nicht ausdrücklichfestgeschrieben. Die Länder können aber in ihrenNaturschutzgesetzen entsprechende Kataster vorsehen.330. Die Einrichtung <strong>eine</strong>s Flächen- <strong>und</strong> Maßnahmenkatastersist zwar <strong>eine</strong> wichtige Gr<strong>und</strong>lage für denVollzug der Eingriffsregelung. Sie ersetzt jedoch k<strong>eine</strong>Maßnahmenkontrolle. Bei Untersuchungen von Kompensationsmaßnahmenfür Eingriffe nach § 18 BNatSchG n. F.wurde festgestellt, dass maximal drei Viertel der Maßnahmenüberhaupt umgesetzt wurden, nur knapp dieHälfte der Maßnahmen <strong>eine</strong> mittlere bis gute Qualität beider Herstellung aufwiesen, aber nicht einmal <strong>eine</strong>m Viertelder Maßnahmen <strong>eine</strong> ausreichende Pflege zuteil wurde(RUDOLF et al., 1999, S. 8, vgl. auch B<strong>und</strong>esrechnungshof,2000, Tz. 47.0).Bei Kompensationsmaßnahmen, die in Bebauungsplänenfestgesetzt wurden, wird im Durchschnitt sogar nur dieHälfte der Maßnahmen realisiert (GREIVING, 1995,S. 150 f.; KÖPPEL, 1995, S. 76; MEYHÖFER, 2000,S. 27). Ursache für die geringe <strong>und</strong> schlechte Umsetzungsquoteist insbesondere auch das Fehlen <strong>eine</strong>r routinemäßigenMaßnahmenkontrolle durch die zuständigenBehörden. Die geringe personelle Ausstattung der Naturschutzverwaltungenerlaubt meist nur <strong>eine</strong> Bearbeitungder aktuellen Genehmigungsverfahren, wogegen personelleKapazitäten für Kontrollen häufig nicht vorhandensind (vgl. Kapitel 4.1). In einigen B<strong>und</strong>esländern wurdenallerdings bereits erste Regelungen zur Maßnahmenkontrolleerlassen (vgl. Lan<strong>des</strong>naturschutzgesetze von Bayern,Berlin, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Saarland).

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