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Für eine Stärkung und Neuorientierung des Naturschutzes

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Drucksache 14/9852 – 148 – Deutscher B<strong>und</strong>estag – 14. Wahlperiode375. Vor allem die Ausweitung der Listen von Pflanzen<strong>und</strong>Tierarten auf Pflanzengesellschaften <strong>und</strong> Biotoptypenist ein Schritt zur besseren fachgutachterlichen Bewertungder Gefährdungssituation von Lebensräumen(SRU, 1996, Tz. 256). Nicht zu vernachlässigen sind darüberhinaus die Bemühungen um die Erarbeitung RoterListen für gefährdete Geotoptypen <strong>und</strong> historische Kulturlandschaften.Gute Beispiele für konkrete Darstellungenauf Lan<strong>des</strong>ebene finden sich im LandschaftsprogrammSchleswig-Holstein (MUNF S-H, 1999, S. 29 ff.,S. 88 ff.).Zur Gefährdungssituation <strong>und</strong> den Problemen beimUmgang mit Roten Listen <strong>und</strong> Verbreitungskarten376. Die Gefährdungssituation von Flora, Fauna <strong>und</strong>Biotoptypen <strong>und</strong> die Probleme beim Einsatz von RotenListen <strong>und</strong> Verbreitungskarten in der Naturschutzpraxiswerden im Folgenden beispielhaft für das Feucht- <strong>und</strong>Nassgrünland aufgezeigt. Die Biotoptypen <strong>des</strong> Extensivgrünlandszählen heute zu den am stärksten gefährdeten(DRACHENFELS, 1996). Wird dagegen der flächenbezogeneRückgang der gefährdeten Pflanzenarten derFeuchtwiesen allein betrachtet, fällt das geringe Ausmaß<strong>des</strong> Rückgangs von Feuchtwiesenarten auf (KORNECKet al., 1998). Auch bei verschiedenen prioritären Schmetterlingsartender Feuchtwiesen sind kaum flächenbezogeneRückgänge zu verzeichnen (z. B. Gattung Maculinea;PRETSCHER, 2001): Obwohl die Populationen diesermeist weit verbreiteten Pflanzen- <strong>und</strong> Tierarten drastischabgenommen haben, was zu ihrer Gefährdungseinstufungin der Roten Liste geführt hat, ist nämlich ihr b<strong>und</strong>esweiterRückgang dargestellt in Verbreitungskarten, d. h. bezogenauf den Rasternachweis, gering (Atlas Pflanzen:HAEUPLER <strong>und</strong> SCHÖNFELDER, 1988, DatenbankLEPIDAT Schmetterlinge: PRETSCHER, 2001;PRETSCHER <strong>und</strong> KLEIFGES, 2000). Dies erklärt sichdadurch, dass sie auch heute noch meist in geringer Anzahlbeispielsweise an Grabenrändern vorkommen können<strong>und</strong> bei der Kartierung aufgelistet werden. Ein ähnlichesPhänomen zeigt sich auch bei den Arten der Trocken<strong>und</strong>Halbtrockenrasen, die – trotz <strong>des</strong> Rückgangs ihrer Ersatzlebensräume– in kleinflächigen Saumbiotopen noch(zumin<strong>des</strong>t zeitweise) geeignete Standortbedingungenvorfinden (BINOT-HAFKE et al., 2000b). Der quantitativeVerlust <strong>und</strong> die qualitative Degradation der Lebensräumeerschweren heute noch scheinbar häufig vorkommendenArten aber ein langfristiges Überleben, da sichdie kl<strong>eine</strong>n Populationen an wenig geeigneten <strong>und</strong> oftmalsisolierten Standorten nicht dauerhaft erhalten können.Rote Listen zeigen methodisch bedingt mitunter keinvollständiges Bild der Gefährdungssituation, sondern oftnur die „Spitze <strong>des</strong> Eisbergs“.377. Die naturschutzpolitische Wirksamkeit kann aufgr<strong>und</strong>der aus Roten Listen abgeleiteten Maßnahmen <strong>und</strong>Konsequenzen beurteilt werden, z. B. anhand der Durchführungvon Artenschutzprogrammen. Die Betrachtungder Brutvögel <strong>und</strong> Säugetiere beispielsweise, für dieDeutschland <strong>eine</strong> besondere Verantwortung besitzt, zeigt<strong>eine</strong> Konzentration der Gefährdung in Feuchtgebieten<strong>und</strong> offenem Kulturland (BOYE <strong>und</strong> BAUER, 2000). Eswerden insbesondere für Arten der Feuchtlebensräumeviele Artenhilfsprogramme durchgeführt.378. Besondere Anforderungen an den Einsatz RoterListen stellen sich auch dort, wo der Schutz verschiedenerArten mit unterschiedlichen Ansprüchen oder gar Prozessschutz<strong>und</strong> Artenschutz gegeneinander abgewogen werdenmüssen. Das Vorhandensein von Arten der RotenListe kann sowohl bei erforderlichen Pflegemaßnahmenals auch beim Unterlassen der Pflege, um <strong>eine</strong> Sukzessionoder den Prozessschutz zu fördern, vorhandene Zielkonflikteverstärken. <strong>Für</strong> die Bewertung von Kulturlandschaften<strong>und</strong> Lebensräumen mit wenig Arten der RotenListe müssen ebenfalls ergänzende Bewertungsverfahrenherangezogen werden (PLATEN, 2000).379. Der Umweltrat stellt fest, dass die Roten Listenzwar wichtige Funktionen insbesondere als Messlatte fürbestimmte Entwicklungen im Naturschutz <strong>und</strong> als öffentlichkeitswirksame<strong>und</strong> akzeptierte Begründungen für Naturschutzmaßnahmendarstellen. Gleichzeitig bestehtaber die Gefahr, dass der Eindruck erweckt wird, Naturschutzließe sich auf die Erhaltung einzelner Arten oderbesonders schutzwürdiger Lebensräume reduzieren, insbesonderedann, wenn mit Roten Listen allein argumentiertwird. Aus Akzeptanzgründen werden zudem in derPlanungspraxis häufig Maßnahmen an einzelnen Artender Roten Liste orientiert, die oftmals nicht für die betroffenenLebensräume oder Landschaften charakteristischsind (RIEDL, 2000). Neben der Verwendung RoterListen darf <strong>des</strong>halb die Berücksichtigung populationsbiologischer<strong>und</strong> ökologischer Erkenntnisse zur natürlichenVerbreitung <strong>und</strong> zur Abhängigkeit der Arten <strong>und</strong> Lebensräumevon bestimmten Nutzungen für Prioritätensetzungen<strong>und</strong> die Einschätzung von Maßnahmen <strong>und</strong> deren Erfolgsaussichtennicht vernachlässigt werden. Rote Listen<strong>und</strong> Verbreitungskarten sind lediglich Instrumente, diesich gegenseitig <strong>und</strong> mit anderen Instrumenten ergänzen<strong>und</strong> <strong>des</strong>halb in der Praxis nicht schematisch, nicht isoliert<strong>und</strong> nicht ohne fachliche Interpretation <strong>und</strong> Bewertung,sondern nur im Verb<strong>und</strong> mit anderen Argumenten eingesetztwerden dürfen (RIEDL, 2000).Empfehlungen380. Der Umweltrat hält es aus naturschutzfachlicherSicht für erforderlich, die Roten Listen dahin gehend weiterzuentwickeln,dass sie sich nicht an politisch-administrativenGrenzen orientieren, sondern stärker an biogeographischenRegionen – vergleichbar der Roten Liste derBiotoptypen (RIECKEN et al.,1994) <strong>und</strong> dem Auswahlprozessfür die FFH-Gebiete (SSYMANK et al., 1998).Einzelne B<strong>und</strong>esländer (z. B. Nordrhein-Westfalen) verfolgenbereits den Ansatz <strong>eine</strong>r solchen naturräumlichenGliederung (BfN, 1996).381. Je genauer die Kenntnisse über die Ursachen <strong>eine</strong>sRückgangs bzw. <strong>eine</strong>r Gefährdung sind, umso gezielterkann seitens <strong>des</strong> <strong>Naturschutzes</strong> mit entsprechenden Maßnahmenreagiert werden. Deshalb ist <strong>eine</strong> diesbezüglicheErgänzung <strong>und</strong> Qualifizierung der Inhalte von Roten Listen<strong>und</strong> <strong>eine</strong> Aktualisierung der Datenlage erforderlich.

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