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Für eine Stärkung und Neuorientierung des Naturschutzes

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Drucksache 14/9852 – 128 – Deutscher B<strong>und</strong>estag – 14. WahlperiodeVerschlechterung <strong>des</strong> Zustands von Natur <strong>und</strong> Landschaftin geringem Maße zulässt (Erhalt <strong>des</strong> „Status quominus“). Diese Unzulänglichkeit wird auch durch dieNovelle <strong>des</strong> B<strong>und</strong>esnaturschutzgesetzes nicht beseitigt.Die hohe Unbestimmtheit der Rechtsbegriffe „Ausgleich“<strong>und</strong> „Ersatz“ erschwert darüber hinaus <strong>eine</strong>b<strong>und</strong>esweit einheitliche Auslegung <strong>und</strong> Praxis (vgl.BVerwGE 85, S. 348; BVerwGE 112, S. 41).Flexibilisierung der Eingriffsregelung323. Zunehmende Aufmerksamkeit hat in der Fachöffentlichkeitdas Thema Flexibilisierung der Eingriffsregelungerhalten (vgl. BRUNS <strong>und</strong> WENDE, 2000;GENßLER <strong>und</strong> KÖPPEL, 2000). Eine flexiblere Handhabungder Eingriffsregelung soll durch <strong>eine</strong> Abschwächungder Ausgleichspflicht bzw. dadurch erreichtwerden, dass weniger als zuvor <strong>eine</strong> Kompensation in unmittelbaremörtlichen <strong>und</strong> funktionalen Zusammenhangmit dem Eingriff verlangt wird. Eine gewisse Lockerungder Anforderungen an den räumlichen Zusammenhangzwischen Eingriff <strong>und</strong> Ausgleich ist mit den bauplanungsrechtlichenModifikationen der Eingriffsregelungbereits für diejenigen Eingriffe eingeführt worden, diedurch <strong>eine</strong>n Bebauungsplan zugelassen werden. Nach§ 200a BauGB können die nach <strong>eine</strong>m Bebauungsplan zuerwartenden Eingriffe nämlich auch durch (planerischeFestsetzung von) Ersatzmaßnahmen kompensiert werden,die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Eingriffstehen müssen.Eine weitere Flexibilisierung könnte durch <strong>eine</strong> Abgabenregelungerreicht werden, nach der unvermeidbareEingriffe unter erleichterten – über den Ermächtigungsrahmenvon § 19 Abs. 4 BNatSchG hinausgehenden –Bedingungen durch <strong>eine</strong> für Naturschutzmaßnahmen zuverwendende Ausgleichsabgabe kompensiert werdenkönnen.Vorhabenträger erhoffen sich von <strong>eine</strong>r solchen Flexibilisierungvor allem <strong>eine</strong> Minimierung <strong>des</strong> naturschutzrechtlichbegründeten Planungsaufwands. Auch Vertreterder Naturschutzbehörden befürworten die Flexibilisierung,da sie hoffen, die erforderlichen Maßnahmen dannin Eigenregie (STEFFEN, 2000, S. 6) <strong>und</strong> statt Einzelfalllösungensinnvolle Gesamtkonzepte umsetzen zu können.Außerdem erwarten sie sich von <strong>eine</strong>r flexiblen, vereinfachtenHandhabung auch <strong>eine</strong> Akzeptanzsteigerungseitens der Ausgleichspflichtigen <strong>und</strong> <strong>eine</strong> Verminderung<strong>des</strong> Vollzugsdefizits. Mit der Flexibilisierung durch Ausgleichsabgabenwird von unterschiedlichen Bereichen derUmweltverwaltung auch die Hoffnung verb<strong>und</strong>en, <strong>eine</strong>Geldquelle für alle möglichen ökologischen Sanierungs<strong>und</strong>Entwicklungsaufgaben erschließen zu können(STEFFEN, 2000, S. 6 f.). Soweit die Flexibilisierungbeim räumlichen Zusammenhang zwischen Eingriff <strong>und</strong>Ausgleich ansetzt, betrifft sie vor allem die Abgrenzung<strong>und</strong> Prioritätenfolge von Ausgleichs- <strong>und</strong> Ersatzmaßnahmen.Die in der Eingriffsregelung vorausgesetzte Unterscheidungzwischen vorrangig zu leistendem Ausgleich<strong>und</strong> nachrangigem – nur im Fall fehlender Ausgleichsmöglichkeitenmöglichen – Ersatz bereitete in der Praxishäufig Schwierigkeiten. Zur Erleichterung der Abgrenzungzwischen den Begriffen wurde üblicherweise alleinauf das Kriterium der räumlichen Nähe zum Eingriff abgestellt.Ersatzmaßnahmen mussten demnach im Vergleichzu Ausgleichsmaßnahmen nicht im engen räumlichenZusammenhang stehen. Die Priorisierung <strong>des</strong> engenräumlichen Zusammenhangs ist aber aus naturschutzfachlicherSicht nur dann sinnvoll, wenn dieses Kriteriumnicht im Sinne schematisch angewandter Entfernungsmaßstäbe,sondern unter Berücksichtigung funktionalerökologischer Zusammenhänge interpretiert wird. In derPraxis wie auch in den Ländernaturschutzgesetzen wirdder Ausgleichsbegriff aber vielfach nicht in diesem funktionalenSinn verwendet, sodass <strong>eine</strong> an sich gleichartigeKompensation (Ausgleich) vielfach an der fehlendenMöglichkeit scheiterte, sie in unmittelbarer räumlicherNähe zum Eingriffsort durchzuführen. Um diesen Mangelzu beheben, hat der Gesetzgeber mit der Novelle <strong>des</strong> B<strong>und</strong>esnaturschutzgesetzesdie Möglichkeit eröffnet, Ausgleich<strong>und</strong> Ersatz in der Abwägung über die Zulässigkeit<strong>des</strong> Eingriffes zusammen zu betrachten, während zuvornur die Möglichkeiten <strong>eine</strong>s Ausgleichs in die Abwägungeinzubeziehen waren.Die Anforderungen an den Ausgleich (örtlicher <strong>und</strong> funktionalerZusammenhang) <strong>und</strong> <strong>des</strong>sen Vorrangigkeit vordem Ersatz bleiben zwar im Gr<strong>und</strong>satz bestehen. Allerdingsermöglicht die stärkere Zusammenfassung derSchritte „Ausgleich“ <strong>und</strong> „Ersatz“ in der Entscheidungskaskadeder Eingriffsregelung erheblich größere Spielräumebei der Kompensationsgestaltung. Mit der größerenFlexibilität bei der Kompensationsgestaltung entstehtallerdings auch bedenklicher Raum für <strong>eine</strong>n „Minimalvollzug“.Da nun prinzipiell auch schon die Möglichkeit<strong>eine</strong>r Ersatzmaßnahme die Zulässigkeit <strong>des</strong> Eingriffs begründenkann, wird es den Behörden kaum noch möglichsein, <strong>eine</strong>n Eingriff aufgr<strong>und</strong> fehlender Ausgleichsmöglichkeitenzu untersagen. Denn Ersatzmaßnahmen sindfast immer möglich <strong>und</strong> nur selten wird der ökologischeMehrwert <strong>des</strong> Ausgleichs – also <strong>eine</strong>r Kompensation imunmittelbaren räumlich-funktionalen Zusammenhang –es rechtfertigen, nicht einmal anspruchsvolle Ersatzmaßnahmenals angemessene Kompensation zu akzeptieren.Ausgeschlossen ist ein Ersatz danach de facto nur, wenngar k<strong>eine</strong> geeigneten Flächen für Kompensationsmaßnahmenzur Verfügung stehen. Damit wird die Eingriffsregelungin ihrer Wirkung nach Einschätzung <strong>des</strong> Umweltrateseher geschwächt werden. Zwar hat in der Praxis schondie alte Eingriffsregelung mit ihren weiter gehenden Untersagungsmöglichkeitengrößere Eingriffe allenfalls sehrselten verhindern können (zu den rechtlichen Möglichkeiteneinschränkend WOLF, 2001, S. 483). Allerdingshat sie es den Behörden immerhin ermöglicht, den Verursacherunter Verweis auf die Versagungsmöglichkeit zu<strong>eine</strong>m anspruchsvolleren Ausgleich bzw. Ersatz zu drängen.Mit der neuen Regelung besteht ein verstärktesRisiko, dass bestimmte, eher billige Maßnahmen – wie<strong>eine</strong> Kompensation durch Sukzessionsflächen – zur Regel<strong>und</strong> beispielsweise aufwendiger herzustellende Biotoptypennicht mehr als Kompensationsziel gewählt werden.Auch um dies zu vermeiden, sollten sich die Länder so

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