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Für eine Stärkung und Neuorientierung des Naturschutzes

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Deutscher B<strong>und</strong>estag – 14. Wahlperiode – 169 – Drucksache 14/9852von Grünlandumbrüchen, im Fall der Landwirtschaft dieMöglichkeit von Zusatzeinkommen zur Stabilisierung derEinkommenssituation. Voraussetzung für solche Angebotevonseiten <strong>des</strong> <strong>Naturschutzes</strong> sind allerdings in derRegel ausreichende Fördermittel zur Honorierung vonNutzungsverzichten bzw. Leistungen der Landwirtschaft.Tourismusbehörden können über die Aussicht auf dieSteigerung von Einnahmen als Bündnispartner gewonnenwerden, Kommunen könnte die Perspektive eröffnet werden,<strong>eine</strong>n wirtschaftlich vorteilhaften Imagegewinn fürdie Region <strong>und</strong> neue Einkommensquellen <strong>und</strong> Beschäftigungsmöglichkeiteninfolge der <strong>Stärkung</strong> von regionalemHandwerk, Gastgewerbe <strong>und</strong> Tourismus <strong>und</strong> derStabilisierung der Landwirtschaft zu erreichen. Eine solcheAllianzpolitik setzt allerdings auch ein verändertesSelbstverständnis <strong>des</strong> <strong>Naturschutzes</strong> voraus. Verfechtervon Naturschutzbelangen sollten sich in solchen Situationenauch als Wahrer der Interessen <strong>des</strong> ländlichen Raumesverstehen.So kann – um ein Beispiel anzuführen – das Umweltministeriumgemeinsam mit dem Bau- <strong>und</strong> Verkehrsministeriumauf ein Investitionsprogramm „Brücken für dieNatur“ (Tz. 396) hinwirken, um sowohl Zerschneidungseffektedurch bestehende Verkehrswege als auch Verkehrssicherheitsproblemedurch Wildwechsel abzubauen.Die Allianz kann sich <strong>eine</strong> breite gesellschaftliche Interessenbasisschaffen, indem sie Verbände einbezieht <strong>und</strong>deren Allianzbereitschaft auf dem Wege <strong>eine</strong>r Dialogstrategiefördert. Denkbar ist auch die Institutionalisierung <strong>eine</strong>rsolchen Allianz, beispielsweise durch Gründung <strong>eine</strong>rEinrichtung, die (auch) private Mittel für den gemeinsamenZweck der Aufhebung von Zerschneidungseffektenbestehender Verkehrswege einwirbt <strong>und</strong> dabei zugleichauch das weithin fehlende Bewusstsein für das Problem<strong>eine</strong>r Massenvernichtung von Lebewesen im Straßenbereichfördert (JÄNICKE <strong>und</strong> VOLKERY, 2002).Naturschutz- <strong>und</strong> Umweltpolitik werden in Zukunft instarkem Maße auf Sozialinnovationen <strong>des</strong> genanntenTypus angewiesen sein. Dies gilt insbesondere dort, wodie Handlungskapazität gegenüber starken Wirtschaftsinteressenbisher nicht ausreichend gewesen ist <strong>und</strong> „persistente“Probleme die Folge waren.6.7.2 Diskursverfahren440. Zur Überwindung der Akzeptanzprobleme <strong>des</strong><strong>Naturschutzes</strong> in konkreten Konfliktfällen, insbesonderein Nationalparken, sind in diesem Gutachten partizipativeDiskurs- <strong>und</strong> Mediationsverfahren vorgeschlagen worden(Tz. 110 ff.). Die übergreifende Naturschutzstrategie verlangthingegen die Akzeptanz der gesamten staatsbürgerlichenÖffentlichkeit. Es kommt daher wesentlich daraufan, das Anliegen <strong>des</strong> <strong>Naturschutzes</strong> <strong>und</strong> die hiervorgeschlagene Naturschutzstrategie nicht nur in den bereitsbestehenden Fachöffentlichkeiten <strong>und</strong> Institutionen(einschließlich der Naturschutzverbände) zu kommunizieren,sondern sie zum Anlass <strong>eine</strong>s gesamtgesellschaftlichenNaturschutzdiskurses zu nehmen.Solche übergreifenden praktischen Diskurse können nichtbeliebig „erzeugt“ werden. Kommunikationsformen <strong>und</strong>-medien sind aus guten Gründen <strong>eine</strong>r direkten politischenSteuerung nur begrenzt zugänglich. Vonseiten derPolitik können aber die Randbedingungen dafür verbessertwerden, dass sich die knappe Ressource der öffentlichenAufmerksamkeit stärker <strong>und</strong> kontinuierlicher alsbisher dem Naturschutz zuwendet. Während der Umweltratin s<strong>eine</strong>m Umweltgutachten 2002 unter dem Thema„Bürger <strong>und</strong> aktivierender Staat im Umweltschutz“(SRU, 2002, Kapitel 2.3, Tz. 73 ff.) Schwerpunkte aufökologische Markttransparenz <strong>und</strong> auf die juristischeDimension von Bürgerbeteiligung gelegt hat, soll hierabschließend auf Erfolgsbedingungen <strong>eine</strong>s möglichenNaturschutzdiskurses eingegangen werden.Im Falle <strong>eine</strong>s gezielten öffentlichen Naturschutzdiskurses– am besten im Zusammenhang mit <strong>eine</strong>r nationalenNaturschutzstrategie – kann davon ausgegangen werden,dass ein allgem<strong>eine</strong>s Interesse an Naturschutzfragen inder Bevölkerung vorhanden ist, <strong>eine</strong> intensive Fachdebattein den Wissenschaften, den Institutionen (BfN,BMU, UBA) <strong>und</strong> den Verbänden (BUND, NABU u. a.)geführt wird <strong>und</strong> Bedarf an programmatischer <strong>und</strong> zielorientierterPolitikformulierung vorliegt. Die Randbedingungenfür <strong>eine</strong>n ambitionierten Naturschutzdiskurs, zudem das vorliegende Gutachten <strong>eine</strong>n inhaltlichen Beitragliefern möchte, sind daher als insgesamt k<strong>eine</strong>swegsnegativ einzuschätzen.441. In einigen Phasen wurden Umwelt- <strong>und</strong> auch Naturschutzproblemein der deutschen Öffentlichkeit intensivdebattiert. Es handelte sich hierbei zumeist um„dramatische“, gut politisierbare Themen wie das so genannteWaldsterben oder das Robbensterben in derNordsee. Auch die „Roten Listen“ hatten über ihre fachlicheStandardfunktion hinaus <strong>eine</strong> alarmierende Funktionin der Öffentlichkeit. Die Massenmedien, aber auchder problemorientierte „Interventionsbürger“ treten tendenziellam ehesten auf den Plan, wenn Negativentwicklungendrohen. „Alarmistische“ oder „apokalyptische“Kommunikationsformen sind aber kaum <strong>eine</strong> geeigneteGr<strong>und</strong>lage für <strong>eine</strong>n breiten Naturschutzdiskurs. Sie implizierendie Anprangerung von Akteuren (etwa der Landwirte),deren Teilnahme an der Problemlösung gesuchtwerden muss, <strong>und</strong> können die Akzeptanzsituation verschlechtern.Sie unterschätzen ebenso Art <strong>und</strong> Ausmaß, indem heute Naturschutz auch durch internationale Vorgabengestärkt wird. Beispielsweise hat die deutsche Landwirtschaftlängst – insbesondere angesichts <strong>des</strong> Einflussesvon WTO-Regelungen – k<strong>eine</strong> Wahl mehr, die subventionierteMengenproduktion von Nahrungsmitteln zunehmendauch durch die „Produktion von Naturschutzleistungen“zu ersetzen bzw. zu ergänzen. Der für dieProblematisierung oft hilfreiche Negativdiskurs hilft auchdort wenig, wo positive Ziele zu verwirklichen sind <strong>und</strong>Natur nicht nur geschützt, sondern auch entwickelt werdensoll, wo es um <strong>eine</strong> „Wertsteigerung <strong>des</strong> Naturkapitals“geht, die <strong>eine</strong>m regionalen Standort auch ökonomischzum Vorteil gereichen kann. Vor <strong>eine</strong>m„problemvergessenen“ Diskurs, der nur auf „positive Visionen“setzt, ist gleichwohl ebenfalls zu warnen. Ausgangspunkt<strong>des</strong> <strong>Naturschutzes</strong> ist <strong>und</strong> bleibt bisher dieGefährdung der Natur.442. Erfolgreiche Politik bedarf <strong>eine</strong>s Zusammenspielsvon „institutionalisierten Beratungen mit informell ge-

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