Drucksache 14/9852 – 84 – Deutscher B<strong>und</strong>estag – 14. WahlperiodeKommunaler FinanzausgleichDer kommunale Finanzausgleich dient primär dazu, Finanzbedarf <strong>und</strong> Finanzausstattung der einzelnen Kommune inÜbereinstimmung zu bringen (Fiskalfunktion) <strong>und</strong> Finanzkraftunterschiede zwischen den verschiedenen Kommunenauszugleichen (Redistributionsfunktion). Weitere Zielsetzungen bestehen darin, externe Nutzeffekte kommunaler Investitionen(so genannte Nutzen-Spillover) zwischen den Kommunen zu internalisieren <strong>und</strong> den Kommunen <strong>eine</strong>nAnreiz zu geben, auch solche Aufgaben zu übernehmen, die von den Kommunen selbst als nachrangig, durch dasLand jedoch als notwendig erachtet werden (Lenkungsfunktion). Instrumente <strong>des</strong> kommunalen Finanzausgleichs sindSchlüssel- <strong>und</strong> Zweckzuweisungen.Schlüsselzuweisungen, die k<strong>eine</strong> Zweckbindung aufweisen <strong>und</strong> zur allgem<strong>eine</strong>n Deckung kommunaler Aufgabeneingesetzt werden können, dienen dem Ausgleich von Finanzbedarf <strong>und</strong> Finanzausstattung, wobei insbesondere denaus der zentralörtlichen Funktion resultierenden Mehrbelastungen von Verdichtungsräumen Rechnung getragen wird.Da kein objektiver Indikator für den aus der Wahrnehmung zentralörtlicher Aufgaben resultierenden Finanzbedarf besteht,wird hier auf Hilfsgrößen zurückgegriffen. Als Hauptansatz wird gr<strong>und</strong>sätzlich die Einwohnerzahl der Gemeindeherangezogen, wobei in der Mehrzahl der B<strong>und</strong>esländer mit steigender Einwohnerzahl die Kennzahl für denPro-Kopf-Bedarf zunimmt (so genannte veredelte Einwohnerzahl). Ergänzend zum Hauptansatz sehen die Lan<strong>des</strong>gesetzgebungenverschiedene Nebenansätze vor, mit deren Hilfe bedarfssteigernde Tatbestände (z. B. hohe Sozialhilfebelastungen)berücksichtigt werden. Der sich aus der Summe von Haupt- <strong>und</strong> Nebenansätzen ergebenden Bedarfskennzahlwird die aus den Steuereinnahmen der Kommune berechnete Steuerkraftmesszahl gegenübergestellt,wobei etwaige Unterdeckungen durch Schlüsselzuweisungen ganz oder zu <strong>eine</strong>m zuvor festgelegten Anteil ausgeglichenwerden. So genannte ab<strong>und</strong>ante Kommunen, deren Steuerkraft über dem Bedarf liegt, erhalten k<strong>eine</strong> Schlüsselzuweisungen.Zweckzuweisungen, die mit entsprechenden Verwendungsauflagen verb<strong>und</strong>en sind, sollen im Gegensatz zu Schlüsselzuweisungendas Verhalten der Kommunen im Sinne <strong>des</strong> Zuweisungsgebers beeinflussen. Neben allgem<strong>eine</strong>n Investitionszuweisungen,bei denen lediglich der Bereich, in dem diese zu verausgaben sind, festgelegt wird, bestehenzahlreiche Ansätze für einzelobjektbezogene Zuweisungen (z. B. Errichtung von Krankenhäusern, Schulen <strong>und</strong> Freizeiteinrichtungen).184. Da die Erbringung ökologischer Ausgleichsleistungennur unzureichend honoriert wird, besteht für die Umlandgemeindenein entsprechend starker ökonomischerAnreiz zur gewerblich-infrastrukturellen Nutzung ihrerFreiflächen. Hinzu kommt, dass der Nutzen ökologischerAusgleichsleistungen <strong>eine</strong>n weitgehend überregionalenCharakter aufweist <strong>und</strong> damit auch der Bevölkerung in denangrenzenden Gemeinden ohne entsprechende Gegenleistungzur Verfügung steht. Aufgr<strong>und</strong> dieser mangelndenMarktfähigkeit ökologischer Ausgleichsleistungen kommtes zu <strong>eine</strong>r Fehlallokation, die sich in <strong>eine</strong>m entsprechendenUnterangebot manifestiert (vgl. z. B. ROSE, 1999,S. 268 f.). Maßnahmen zur Korrektur dieser Fehlallokationbeschränken sich bisher auf zögerliche Ansätze etwa in derRaum- <strong>und</strong> Landschaftsplanung oder im Rahmen der Eingriffsregelung(SRU, 1996, Tz. 272).185. Aufgr<strong>und</strong> der skizzierten Problemlage wurden bereitsseit Ende der Siebzigerjahre konzeptionelle Überlegungenzur Berücksichtigung ökologischer Ausgleichsleistungenim kommunalen Finanzausgleich angestellt(vgl. BENKERT <strong>und</strong> POSTLEP, 1979; ROTTMANN,1982). Den verschiedenen hierzu entwickelten Modellen(zu <strong>eine</strong>r Übersicht BAUER et al., 1999, S. 125 ff.) ist gemein,dass bei den kommunalen Entscheidungsträgerndurch die zielgerichtete Bereitstellung finanzieller Mittelein ökonomisches Eigeninteresse an der Erbringung ökologischerAusgleichsleistungen hervorgerufen werden soll.186. Bei <strong>eine</strong>r Analyse der Möglichkeiten <strong>und</strong> Grenzen<strong>eine</strong>r ökologischen Erweiterung <strong>des</strong> kommunalen Finanzausgleichsist zunächst zu untersuchen, ob die Erbringungökologischer Ausgleichsleistungen im Rahmen vonSchlüssel- oder Zweckzuweisungen honoriert werdensollte. Der wesentliche Unterschied zwischen diesen beidenZuweisungsarten besteht in der Verwendbarkeit derMittel: Während Schlüsselzuweisungen zur allgem<strong>eine</strong>nDeckung kommunaler Aufgaben eingesetzt werden können,sind Zweckzuweisungen mit entsprechenden Verwendungsauflagenversehen.187. Steht die punktgenaue Realisierung der Lenkungsabsicht<strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> im Vordergr<strong>und</strong>, ausgewählte Gemeindenzu <strong>eine</strong>m Angebot bestimmter öffentlicher Güter mitNaturschutzbezug zu bewegen, wie beispielsweise zur Bereitstellungrenaturierter Bachläufe (kommunaler Finanzausgleichin Hessen), so sind Zweckzuweisungen mit Verwendungsauflagenam geeignetsten. Voraussetzung fürderen Einsatz ist allerdings, dass direkte Kosten entstandensind, d. h. Kosten, die tatsächlich in der Gemeinde zu Ausgabengeführt haben, <strong>und</strong> nicht nur Opportunitätskostenvorliegen. Daher sollte diese Zuweisungsart als Transferzahlungzwischen dem Land <strong>und</strong> s<strong>eine</strong>n Gemeinden fürprojektbezogene Investitionen konzipiert sein <strong>und</strong> <strong>eine</strong>nEigenanteil der Gemeinden vorsehen, da diese selbst vonder Maßnahme profitieren. Aus haushaltstechnischer Sichtliegt der Vorzug dieser monetären Übertragungen nebender räumlich genauen Zielführung in der exakten jährlichenBudgetierung der Mittel für den jeweiligen Zweck. Außerdemerweisen sich projektbezogene Investitionszuweisungenin solchen Fällen als einziges Mittel, in denenflächenbezogene Maßnahmen in naturräumlich zusammengehörigenRäumen, die jedoch unterschiedlichenB<strong>und</strong>esländern angehören, getätigt werden sollen. Denn
Deutscher B<strong>und</strong>estag – 14. Wahlperiode – 85 – Drucksache 14/9852beim Einsatz von Schlüsselzuweisungen könnte es zu <strong>eine</strong>runterschiedlichen Mittelverfügbarkeit zwischen den Kommunenbeiderseits der Lan<strong>des</strong>grenze kommen, da die kommunaleFinanzausgleichsmasse immer auch die Finanzposition<strong>des</strong> jeweiligen B<strong>und</strong>eslan<strong>des</strong> widerspiegelt.Derartige Zweckzuweisungen hätten auch positive Auswirkungenauf die Finanzierungsmöglichkeiten für „nationalbedeutsame Gebiete“ in finanzschwachen B<strong>und</strong>esländern.Als nachteilig ist dagegen anzusehen, dassZweckzuweisungen mit <strong>eine</strong>m hohen bürokratischenAufwand verb<strong>und</strong>en sind, da umfangreiche Verfahren beiAntrag, Bewilligung <strong>und</strong> Kontrolle sowohl bei den Zuweisungsgebernals auch -empfängern anfallen. Aus politischerSicht wird gegen Zweckzuweisungen eingewandt,dass ein zu umfänglicher Einsatz dieses Instrumenteszu <strong>eine</strong>m Konflikt mit der kommunalen Selbstverwaltungführe, da die kommunalen Handlungsspielräume zusehr eingeschränkt würden. Dieser im Ansatz zutreffendenKritik kann jedoch zumin<strong>des</strong>t teilweise durch die Einführungvon pauschalierten Investitionszuweisungen begegnetwerden, die nur Einsatzbereiche wie Verkehr, Infrastruktur,Naturschutz etc. vorschreiben <strong>und</strong> hierdurch dieEffizienz der lokalen Entscheidung weitgehend bewahren.Als Argument gegen Zweckzuweisungen wird auch vorgebracht,der kommunale Finanzausgleich würde durch <strong>eine</strong>Vielzahl neuer Lenkungszwecke überfrachtet <strong>und</strong> damitintransparent. Dies ist jedoch aufgr<strong>und</strong> <strong>des</strong> kl<strong>eine</strong>n Volumensim Verhältnis zu den Schlüsselzuweisungen kaum zuerwarten (BERGMANN, 1999, S. 270 ff.; BIZER et al.1998a, S. 56 f.). Dieses kl<strong>eine</strong> Volumen hat allerdings auchzur Folge, dass über Zweckzuweisungen nur sehr begrenztLenkungswirkungen realisiert werden können.188. Unter dem Aspekt der für Lenkungszwecke mobilisierbarenMittel ist ein Rückgriff auf Schlüsselzuweisungenvorzuziehen. Das Gleiche gilt unter dem Aspektder effizienten Mittelverwendung seitens der Empfänger,denn Schlüsselzuweisungen ohne Zweckbindungen sindaufgr<strong>und</strong> der bekannten Vorteile dezentraler Kompetenzansiedlunggenerell vorzuziehen (SRU, 1996, Tz. 276).Bei der Festlegung der Schlüsselzuweisungen könnenökologische Aspekte prinzipiell sowohl im Haupt- alsauch in den Nebenansätzen berücksichtigt werden. Zubeachten ist hierbei allerdings, dass die intendierte Lenkungswirkungin Richtung auf das Vorhalten ökologischerAusgleichsleistungen nur dann zum Tragen kommenkann, wenn die zusätzlichen Zuweisungen einzumin<strong>des</strong>t grobes Äquivalent zu den Opportunitätskostendurch die unterbliebene Flächennutzung bilden. Erst unterdieser Bedingung würde <strong>eine</strong> Integration von Naturschutzflächenin das Landnutzungsmuster sowie die Extensivierungvon Landnutzungen als Ziel der Gemeindenökonomisch interessant. Abgesehen davon, dass die Opportunitätskostenunterbliebener Flächenutzung im konkretenEinzelfall nur schwer zu bestimmen sind (z. B.BIZER et al., 1998a, S. 54), lässt sich diese Zielsetzungdurch <strong>eine</strong> ökologisch orientierte Modifikation <strong>des</strong>Hauptansatzes nicht realisieren. Denn Letzterer weistaufgr<strong>und</strong> s<strong>eine</strong>r pauschalenAnbindung an die Einwohnerzahlk<strong>eine</strong>n sinnvollen Anknüpfungspunkt für die Erfassungder Opportunitätskosten unterbliebener Flächennutzungenauf (z. B. BERGMANN, 1999, S. 270).189. Günstiger zu beurteilen ist die Möglichkeit, dasVorhalten ökologischer Ausgleichsleistungen <strong>und</strong> damiteinhergehende Opportunitätskosten im Rahmen <strong>eine</strong>s neueinzuführenden Nebenansatzes zu berücksichtigen, denndurch Nebenansätze soll ja gerade individuellen Sonderbelastungeneinzelner Kommunen Rechnung getragenwerden. <strong>Für</strong> die konkrete Quantifizierung <strong>eine</strong>s solchenNebenansatzes stehen verschiedene Alternativen zurVerfügung. So wäre es im Rahmen <strong>eine</strong>s pragmatischenFlächennutzungsansatzes möglich, die verschiedenenFlächennutzungen nach ökologisch orientierten Gesichtspunktenin Nutzungsklassen aufzuteilen <strong>und</strong> die Bezugsgröße<strong>des</strong> Nebenansatzes aus dem Verhältnis von naturverträglichgenutzter Fläche zur Gesamtfläche zuberechnen (ähnlich auch BAUER et al., 1999, S. 226 ff.).Diese Vorgehensweise hätte den Vorteil <strong>eine</strong>r leicht nachvollziehbaren<strong>und</strong> auf Basis vorliegender Daten quantifizierbarenBemessungsgr<strong>und</strong>lage. Sie wäre jedoch auch mit<strong>eine</strong>r erheblichen Lenkungsunschärfe verb<strong>und</strong>en, denn dieArt der Flächennutzung als solche bietet aufgr<strong>und</strong> ihrerPauschalität noch k<strong>eine</strong>n hinreichend zuverlässigen Indikatorfür den Umfang ökologischer Ausgleichsleistungen.190. Demgegenüber würde sich ein Ökopunkte-Ansatz,wie er teilweise bereits zur Honorierung ökologischerLeistungen der Landwirtschaft Anwendung findet (z. B.BRONNER et al., 1997; POINTEREAU et al., 1999),durch umfangreichere Differenzierungsmöglichkeiten,<strong>eine</strong> stärkere Ergebnisorientierung <strong>und</strong> damit <strong>eine</strong> zielgenauereLenkungswirkung auszeichnen. Freilich bleibt hierdie Schwierigkeit, dass die betreffenden Kriterien zur Erfassungökologischer Ausgleichsleistungen zunächst klardefiniert <strong>und</strong> in ein einheitliches Ökopunkte-Schema übersetztwerden müssen (vgl. auch Abschn. 5.1.7). Nicht unproblematischerscheint dabei auch, dass die Übersetzungunterschiedlicher ökologischer Ausgleichsleistungen inein einheitliches Schema <strong>eine</strong> beliebige Austauschbarkeitzwischen verschiedenen Leistungsarten impliziert, derenZulässigkeit in Anbetracht der komplexen Vernetzungökologischer Systeme bezweifelt werden kann.191. Unabhängig von Einzelfragen der Ausgestaltung<strong>eine</strong>r geeigneten Bemessungsgr<strong>und</strong>lage für <strong>eine</strong>n neu einzuführendenNebenansatz „ökologische Ausgleichsleistungen“könnten generelle Bedenken gegen <strong>eine</strong> ökologischeInstrumentalisierung von Schlüsselzuweisungengeltend gemacht werden. Zwar ist der Einwand, Schlüsselzuweisungenwürden aufgr<strong>und</strong> der fehlenden Zweckbindungallenfalls „Lenkungsreste“ aufweisen (z. B.KUHN, 1995, S. 173), aus ökonomischer Sicht wenignachvollziehbar, denn die angestrebte Änderung <strong>des</strong>Flächennutzungsverhaltens würde ja gerade durch entsprechendeZuweisungen belohnt. Dabei lässt sich im Gegenteilsogar argumentieren, dass Schlüsselzuweisungen<strong>eine</strong> höhere Anreizwirkung ausüben als Zweckzuweisungen,denn Erstere können von den Zuweisungsempfängernvollkommen flexibel eingesetzt werden <strong>und</strong> dürften sichdamit <strong>eine</strong>r höheren Wertschätzung erfreuen als Zweckzuweisungen,deren Verwendungsmöglichkeiten a priori eingeschränktsind.192. Es verbleiben aber dennoch zwei schwerwiegendekonzeptionelle Probleme bei der ökologischen