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Für eine Stärkung und Neuorientierung des Naturschutzes

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Drucksache 14/9852 – 66 – Deutscher B<strong>und</strong>estag – 14. WahlperiodeDurchsetzungsschwächen bedarf der Natur- <strong>und</strong> Landschaftsschutzkompensatorischer <strong>Stärkung</strong>. Tatsächlichwird die Durchsetzungsfähigkeit der Belange <strong>des</strong> Natur<strong>und</strong>Landschaftsschutzes gegenüber konkurrierenden inder Planung zu berücksichtigenden Interessen aber durchdie geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen nur unzureichendgestärkt <strong>und</strong> teilweise sogar noch zusätzlich erschwert.4.2.2 Rechtliche Vorgaben für dieplanerische Abwägung128. Herzstück jeder raumbedeutsamen Planung istdie planerische Abwägung. Die Verpflichtung, zwischenden konfligierenden planungsbetroffenen Belangenabzuwägen, ist für die meisten raumbedeutsamen Planungenausdrücklich gesetzlich normiert <strong>und</strong> ergibt sichim Übrigen auch ohne ausdrückliche Normierung ausder Natur <strong>eine</strong>r dem Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satzentsprechenden Planungsermächtigung (BVerwGE 48,S. 56, 63 – st. Rspr.; SCHMIDT-PREUSS, 2000,S. 1080, m. w. N.). <strong>Für</strong> die planerische Abwägung kanndas Planungsrecht naturgemäß nur <strong>eine</strong>n Rahmen bereitstellen,den Raum für die Berücksichtigung der konkretenUmstände belassen <strong>und</strong> damit den zuständigenBehörden planerische Gestaltungsfreiheit einräumen.Nach ständiger Rechtsprechung <strong>des</strong> B<strong>und</strong>esverwaltungsgerichtsverlangt das Abwägungsgebot erstens,dass <strong>eine</strong> Abwägung überhaupt stattfindet. Zweitensmüssen in die Abwägung alle Belange eingestellt werden,die nach Lage der Dinge berücksichtigungsbedürftigsind, d. h. alle erkennbar planungsbetroffenenBelange mit Ausnahme der geringfügigen oder nichtschutzwürdigen. Drittens dürfen die betroffenen Belangenicht fehlgewichtet oder in unverhältnismäßigerWeise zurückgesetzt werden, wobei den Behörden aberein weiter Gewichtungs- <strong>und</strong> Abwägungsspielraum zugestandenwird, der erst an der Grenze zur Unvertretbarkeitendet. Innerhalb dieses weit gesteckten Rahmensist es Sache der planerischen Gestaltungsfreiheit, für denjeweiligen konkreten Fall das Gewicht der konkurrierendenBelange zu bestimmen <strong>und</strong> zu entscheiden, welchenim Ergebnis Vorrang eingeräumt wird bzw. welcheim Ergebnis zurückgesetzt werden (s. BVerwGE 48,S. 56, 63 f. – st. Rspr.; näher JOHLEN, 2000, S. 50 ff.;KÜHLING <strong>und</strong> HERRMANN, 2000, S. 102 ff.; WAHL<strong>und</strong> DREIER, 1999, S. 616 ff.). Auch ungünstige Ergebnisse<strong>eine</strong>r Umweltverträglichkeitsprüfung schließennach ganz herrschender Meinung nicht aus, dass diehinsichtlich der Umweltverträglichkeit zutage getretenenBedenken durch Abwägung überw<strong>und</strong>en werden(SCHLADEBACH, 2000, S. 124 ff., 132, m. w. N.).129. Die planungsrechtliche Abwägungsdogmatikschreibt darüber hinaus einzelnen Rechtsvorschriftenherausgehobene Bedeutung für die planerische Abwägungzu, indem sie sie als „Optimierungsgebote“, d. h.,als normative Gewichtsverstärkung für die jeweils benanntenBelange interpretiert. Als Optimierungsgebotgilt z. B. die Bodenschutzklausel <strong>des</strong> § 1a Abs. 1 BauGB.In der Theorie wird durch solche Optimierungsgeboteder Abwägungsspielraum der Behörden eingeschränkt.Ihre praktische Steuerungswirkung ist aber, wenn überhauptvorhanden, gering (s. auch BARTLSBERGER,2000, S. 139; BARTUNEK, 2000, S. 49 f.), da <strong>eine</strong> deutliche<strong>und</strong> kontrollierbare Gewichtsverstärkung voraussetzenwürde, dass das Gewicht <strong>des</strong> Belangs, <strong>des</strong>senGewicht normativ verstärkt werden soll, vorab in irgend<strong>eine</strong>rWeise normativ bestimmt ist (vgl. zur Aufwertungder Bodenschutzklausel nach dem BauROG: LOUIS<strong>und</strong> WOLF, NuR 2002, S. 61, 65). Das ist aber bei denBelangen, die in die planerische Abwägung einzustellensind, gerade nicht der Fall. Der Streit über die Frage, obdie Verpflichtung auf die Ziele <strong>des</strong> <strong>Naturschutzes</strong> <strong>und</strong>der Landschaftspflege in § 1 Abs. 1 BNatSchG n. F. einOptimierungsgebot darstellt (bejahend JOHLEN, 2000,S. 49; vern<strong>eine</strong>nd WAHL <strong>und</strong> DREIER, 1999, S. 617,m. w. N.), ist daher von untergeordneter Bedeutung.Auch wenn man ein durch § 1 Abs. 1 BNatSchG in abstractoherausgehobenes Gewicht der Belange <strong>des</strong> <strong>Naturschutzes</strong><strong>und</strong> der Landschaftspflege bejaht, bedeutetdies jedenfalls nicht, dass ihnen auch im konkreten Abwägungsfallgr<strong>und</strong>sätzlich Vorrang vor konkurrierendenBelangen eingeräumt werden müsste.Naturschutzbelange sind dementsprechend ebenso wenigwie andere Belange prinzipiell davor geschützt, in der planerischenAbwägung als nachrangig behandelt zu werden.Das ist gr<strong>und</strong>sätzlich nicht zu beanstanden, sondern liegtim Wesen der Abwägung. Da die Belange <strong>des</strong> <strong>Naturschutzes</strong><strong>und</strong> der Landschaftspflege aus den oben dargestelltenGründen gegenüber konkurrierenden Raumnutzungsinteressenschon strukturbedingt leicht denKürzeren ziehen, sollten sie aber zumin<strong>des</strong>t dort gestärktwerden, wo dies ohne Beeinträchtigung der notwendigenplanerischen Gestaltungsfreiheit möglich ist, insbesonderedurch geeignete prozedurale <strong>und</strong> rechtsschutzmäßigeFlankierung. Tatsächlich werden sie durch das geltendeRecht aber in dieser Hinsicht teilweise sogar noch zusätzlichbenachteiligt. In jüngster Zeit haben sich hierzwar einige Verbesserungen insbesondere durch die Novelle<strong>des</strong> B<strong>und</strong>esnaturschutzgesetzes ergeben (s. insbesonderezur Einführung der b<strong>und</strong>esrechtlichen VerbandsklageTz. 135 ff.). Diese Verbesserungen reichen abernoch nicht aus.4.2.3 Unzureichende prozedurale Flankierung130. Geeignete Verfahrensregeln sind vor allem für diezweite Stufe der Abwägung, die Zusammenstellung derabwägungsrelevanten Belange, von zentraler Bedeutung.Auf <strong>eine</strong> vollständige Zusammenstellung <strong>des</strong> relevantenAbwägungsmaterials kann durch VerfahrensregelnEinfluss genommen werden, ohne dass die vorallem auf der dritten Stufe der Abwägung angesiedelteplanerische Gestaltungsfreiheit leidet. Gerade die Zusammenstellungder relevanten Belange <strong>des</strong> Natur- <strong>und</strong>Landschaftsschutzes bedarf besonderer prozeduralerUnterstützung, weil die ökologischen Tatbestände <strong>und</strong>Zusammenhänge, auf die es hier ankommt, häufig komplexsind <strong>und</strong> nicht offen zutage liegen.

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