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Für eine Stärkung und Neuorientierung des Naturschutzes

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Drucksache 14/9852 – 164 – Deutscher B<strong>und</strong>estag – 14. Wahlperiode420. In der öffentlichen Wahrnehmung ist vor allem derKonflikt zwischen Landwirtschaft <strong>und</strong> Naturschutz dominierend.Die Zukunft der Landwirtschaft wird in vielenRäumen mit ungünstigen Produktionsbedingungen jedochauch davon abhängen, ob es gelingt, Einkommensalternativenzu schaffen, denn <strong>eine</strong> am Preisniveau <strong>des</strong>Weltmarktes orientierte Produktion dürfte nur auf denGunststandorten <strong>und</strong> bei entsprechenden Betriebsstrukturenmöglich sein. Das zunehmende Interesse der landwirtschaftlichenBetriebe an alternativen Finanzierungsmöglichkeitenwird die Konflikte zwischen Naturschutz <strong>und</strong>Landwirtschaft verringern, wenn ausreichende Mittel zurFinanzierung von Naturschutzleistungen verfügbar sind.Die Aufteilung der Flächen in Gebiete mit unterschiedlichenVorrangfunktionen (s. Abb. 6-2, Seite 163) stelltnur <strong>eine</strong> Einteilung für die großräumige Ausweisung vonVorrangräumen <strong>und</strong> die Entwicklung entsprechendergesamträumlicher Strategien dar. Bei genauerer Betrachtungdurchdringen sich die Raumtypen kleinräumig, sodassbei großmaßstäbigen Planungen innerhalb von Vorrangebietender Nutzungen auch kleinflächige Gebieteberücksichtigt werden können, in denen der NaturschutzPriorität hat.6.5.4 Teilstrategien zur Umsetzung im Raum6.5.4.1 Vorrangflächen für den Naturschutz421. Natürliche Standortvielfalt <strong>und</strong> <strong>eine</strong> hohe Varianzvon Arten <strong>und</strong> Lebensgemeinschaften können nur ingroßflächigen Gebieten angemessen erhalten werden.Dynamische Prozesse in der Landschaft setzen Gebietevoraus, in denen die verschiedenen Entwicklungsphasenwiederholt nebeneinander vorkommen <strong>und</strong> ablaufen können.Viele Tier- <strong>und</strong> Pflanzenarten benötigen für denErhalt reproduktionsfähiger Populationen große, störungsarmeLebensräume, in denen zudem verschiedeneLebensraumtypen (Biotopkomplexe) vorhandensein müssen. Auch zu den Populationen in ähnlichen,benachbarten Gebieten müssen Austauschbeziehungenmöglich sein. Bei <strong>eine</strong>r Reduktion der Flächengröße verschiebtsich das Artenspektrum von den „Spezialisten“(Arten mit besonderen Lebensraumansprüchen) oft hin zuden migrationsfreudigen Generalisten (Kulturfolgern).Hierdurch kommt es zu <strong>eine</strong>m Verlust an biologischerVielfalt. Deshalb ist die Flächengröße der Schutzgebietein vielen Fällen sowohl bei nutzungsabhängigen Halbkulturbiotopenals auch bei eigendynamischen Lebensräumenentscheidend für die Erreichung gesetzter Ziele.Totalschutz422. Ein strategisches Ziel sollte es sein, die b<strong>und</strong>esweitbedeutsamen naturnahen, weitgehend ungenutzten Lebensräumein <strong>eine</strong>m System großflächiger Schutzgebietezu sichern. Die Fläche dieses Systems müsste die Flächender derzeitigen Nationalparke <strong>und</strong> gesamtstaatlich repräsentativenRäume erheblich überschreiten. Weitere Zerschneidungen<strong>und</strong> Standortnivellierungen sind unbedingtzu vermeiden. Hier bedarf es dringend abwägungsfesterSchutzpositionen, die nicht durch Kosten-Nutzen-Analysenrelativiert werden dürfen (etwa bei Verkehrsprojekten).Die Schutzbemühungen müssen sich auch aufdie zum Schutz größerer Gebiete erforderlichen angrenzendengenutzten Randzonen erstrecken. Große zusammenhängendeungenutzte Lebensräume müssen mitausreichend großen Pufferflächen umgeben sein. Zonierungskonzeptekönnen die ungenutzten Lebensräumevor unerwünschter Außeneinwirkung schützen. Bereitszerschnittene (isolierte) oder abgetrennte Flächen solltenverstärkt in den großflächigen Schutz einbezogen werden,um <strong>eine</strong>n ungestörten Artenaustausch zu ermöglichen.423. Die meisten Waldschutzgebiete nach den Lan<strong>des</strong>waldgesetzenbesitzen noch <strong>eine</strong> zu geringe Flächengröße(10 bis 50 ha). Wegen <strong>des</strong> hohen Lebensraumanspruchsvon Waldarten ist dadurch aus naturschutzfachlicher Sicht<strong>eine</strong> ungestörte Entwicklung nicht hinreichend gewährleistet.In Deutschland, als <strong>eine</strong>m von Natur aus waldreichenLand, sollten <strong>des</strong>halb verstärkt große ungenutzteWaldlebensräume geschützt werden. Die FFH-Richtlinieenthält Vorgaben für den Schutz verschiedenerBuchenwaldgesellschaften, Eichen- <strong>und</strong> Eichen-Hainbuchen-Waldgesellschaften,Auwaldgesellschaften entlanggroßer Flüsse sowie von Hang-, Bruch-, Sumpf- <strong>und</strong>Moorwäldern. Zahlreiche der durch die FFH-Richtliniegeschützten mitteleuropäischen Lebensraumtypen, fürdie Deutschland weltweit <strong>eine</strong> besondere Verantwortungträgt, sind unter Schutzgesichtspunkten deutlich unterrepräsentiert.Insbesondere mangelt es zurzeit noch an <strong>eine</strong>mgroßflächigen Schutz der für Deutschland besonderscharakteristischen mitteleuropäischen naturnahen Buchenwälderverschiedener Ausprägung. Dieser sollte alsnationale Aufgabe verstanden werden. Ein Buchenwald-Nationalpark kann auch der Forstwirtschaft zur Veranschaulichungnatürlicher Entwicklungs- <strong>und</strong> Waldwachstumsprozesseim Vergleich zu genutzten Wäldern dienen.Der Umweltrat empfiehlt <strong>des</strong>halb, die in Deutschland besondersvielgestaltigen Buchenwaldgesellschaften auf <strong>eine</strong>rangemessen großen Fläche im Status <strong>eine</strong>s Nationalparksunter Schutz zu stellen.Auch die Auen der großen Flüsse sind als potenzielle Gebietefür die Entwicklung von großflächigen naturnahenAuenökosystemen in ihrer Überschwemmungsdynamikzu erhalten <strong>und</strong> zu entwickeln. An ökologisch bedeutsamenFlüssen <strong>und</strong> Flussabschnitten sollten k<strong>eine</strong> weiterenAusbaumaßnahmen vorgenommen werden.424. Wichtigstes Hindernis <strong>eine</strong>s b<strong>und</strong>esweit abgestimmtenVorrangflächenschutzes ist die verfassungsrechtlichvorgegebene ausschließliche Länderkompetenzfür die Schutzgebietsausweisung der infrage kommendenSchutzgebietskategorien „Nationalpark“, „Naturschutzgebiet“<strong>und</strong> „Biosphärenreservat“, wobei in Kernzonenvon Biosphärenreservaten ebenfalls ungenutzte Naturschutzgebieteliegen können. Es ist nicht zu übersehen,dass diese Länderkompetenz zunehmend zu internationalen<strong>und</strong> europarechtlichen Schwierigkeiten führt (beider Umsetzung der FFH-Richtlinie <strong>und</strong> von Natura 2000,insbesondere der Gebietsauswahl <strong>und</strong> Gebietsmeldung; Abschnitt5.2.4). Einige B<strong>und</strong>esländer mit besonders hohemNaturpotenzial sind mit den finanziellen Konsequenzen<strong>eine</strong>s großflächigen, konsequenten Schutzes überfordert.

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