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Für eine Stärkung und Neuorientierung des Naturschutzes

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Deutscher B<strong>und</strong>estag – 14. Wahlperiode – 17 – Drucksache 14/9852tungszusammenhang zwischen Ober- <strong>und</strong> Unterzielenoder zwischen Ziel- <strong>und</strong> Standardsetzung eher locker ist(Tz. 45). Eine logisch zwingende Ableitung von spezifischenZielen aus wissenschaftlichen Bef<strong>und</strong>en ist wedermöglich noch erforderlich. Unter verbleibender Unsicherheitmuss vielmehr ein nachvollziehbarer Argumentations-,Abwägungs- <strong>und</strong> Entscheidungsprozess stattfinden,der den Vorwurf entkräften kann, die quantifiziertenZiele <strong>des</strong> <strong>Naturschutzes</strong> seien willkürlich gewählt.13. Bei der Begründung von Naturschutzzielen werdeninstrumentelle, eudaimonistische <strong>und</strong> moralische Wertegeltend gemacht. Instrumentelle Werte beziehen sich aufnatürliche Ressourcen im weiteren Sinne, dagegen eudaimonistischeWerte auf Vorstellungen <strong>eine</strong>s guten menschlichenLebens. Moralische Werte betreffen den möglichenEigenwert von Naturwesen <strong>und</strong> die Verpflichtungengegenüber zukünftigen Generationen. Der Terminus „Eigenwert“besagt, dass ein Wesen um s<strong>eine</strong>r selbst willen,d. h. unmittelbar moralisch zu berücksichtigen ist (Tz. 25).Der ethische Gr<strong>und</strong>lagenstreit um Anthropozentrik (anthropos= griechisch: der Mensch) oder Physiozentrik(physis = griechisch: die Natur) bezieht sich auf diese Eigenwertproblematik.Diese Problematik sollte nicht denBlick dafür verstellen, dass es viele sinnvolle Ziele im Bereich<strong>des</strong> <strong>Naturschutzes</strong> geben kann, die nicht aufgr<strong>und</strong> vonEigenwertargumenten gerechtfertigt werden können <strong>und</strong>müssen.2.1.2.1 Instrumentelle Werte: Begründungen fürden Schutz nutzbarer Naturressourcen14. Instrumentelle Werte werden Funktionen <strong>und</strong> Kapazitätennatürlicher Prozesse <strong>und</strong> Komponenten <strong>des</strong> Naturhaushalteszugewiesen, die der Bereitstellung vonGütern <strong>und</strong> Dienstleistungen zur Befriedigung menschlicherBedürfnisse dienen. Unterschieden wird (z. B. beiDEGROOT, 1994, S. 152 f.) zwischen folgenden instrumentellwertvollen Funktionen:– Regulationsfunktion: Die Fähigkeit von natürlichen<strong>und</strong> semi-natürlichen Ökosystemen zur Regulation essenziellerökologischer Prozesse <strong>und</strong> von Lebenserhaltungssystemenwie Klima, Trinkwasser, fruchtbarerBoden, Erzeugung von Biomasse, Recyclinghäuslicher Abfälle usw.– Tragefunktion: Natürliche <strong>und</strong> semi-natürliche Ökosystemestellen Raum, nutzbares Substrat oder Medienfür menschliche Aktivitäten bereit. Hierzugehören z. B. Erholung, Bauland oder landwirtschaftlicheNutzflächen.– Produktionsfunktion: Die Natur stellt vielfältige Güterzur Verfügung. Dazu zählen Nahrungsmittel genausowie energetische Ressourcen oder genetisches Material.– Informationsfunktion: Viele technische Erfindungenbasieren auf Vorbildern aus der Natur. Im Bereich derBionik gibt es vielfältige Versuche, die Natur intechnologischer Hinsicht zum Vorbild zu nehmen.Alle genannten instrumentellen Funktionen können alsOptionswerte auch für mögliche zukünftige Nutzungsformenbedeutsam <strong>und</strong> daher erhaltenswert sein. Die aufinstrumentelle Naturwerte bezogenen Schutzziele lassensich aus dem Prinzip <strong>eine</strong>r nachhaltigen Entwicklung ableiten,die Ressourcenbasis, die Produktivität <strong>und</strong> dieRegulationsfähigkeit <strong>des</strong> Naturhaushaltes als essenziellenBestandteil von Naturkapital umfassend <strong>und</strong> uneingeschränktfür zukünftige Generationen zu erhalten (SRU,2002, Kapitel 1).2.1.2.2 Eudaimonistische Werte15. Eudaimonistische Argumente beziehen sich aufGr<strong>und</strong>züge („Formbestimmungen“) <strong>eine</strong>s guten menschlichenLebens. Die Bedeutung eudaimonistischer Argumentefür Naturschutzbegründungen wurde lange Zeitunterschätzt. Die Begründungsdebatte konzentrierte sichauf die polarisierte Alternative zwischen instrumentellenNutz- <strong>und</strong> moralischen Eigenwerten. Diese unvollständigeAlternative wird durch die eigenständige Kategorieeudaimonistischer Werte überw<strong>und</strong>en (hierzu KREBS,1999 <strong>und</strong> 1996), wodurch das Spektrum von Naturschutzbegründungenerweitert wird. Aufgr<strong>und</strong> der Wichtigkeiteudaimonistischer Argumente im Kontext der Naturschutzbegründungensoll im Folgenden etwas näher aufdiese Kategorie eingegangen werden. Folgende eudaimonistischenArgumente werden vorgebracht: a) das Argumentder Erfahrung <strong>des</strong> Naturschönen, b) das so genannteDifferenz-Argument, c) die Heimatargumente, d) das„Biophilie“-Argument (KELLERT, 1997) sowie e) Erholungsargumente.Diese Argumente stehen vielfach in <strong>eine</strong>mErgänzungsverhältnis zueinander. Da sie sich aufvielfältige <strong>und</strong> unterschiedliche Möglichkeiten beziehen,positive Naturerfahrungen in die Lebensführung verschiedenergesellschaftlicher Gruppen zu integrieren,sollten eudaimonistische Argumente in erster Linie zurRechtfertigung der Ziele <strong>des</strong> <strong>Naturschutzes</strong> <strong>und</strong> wenigerzur Bewertung einzelner Eingriffe in Natur <strong>und</strong> Landschaftherangezogen werden (Tz. 38 f.).Erfahrung <strong>des</strong> Naturschönen16. Die Erfahrung <strong>des</strong> Naturschönen stellt in der modernenGesellschaft <strong>eine</strong> Gr<strong>und</strong>option guten menschlichenLebens dar, auf deren Realisierung viele Menschen nichtverzichten wollen (RITTER, 1963; SEEL, 1991). Die Kategorie<strong>des</strong> Naturschönen umfasst dabei die „klassische“ästhetische Kategorie der Landschaft. Ökologische Beobachtung,naturschutzfachliche Einstufung <strong>und</strong> die stärkersubjektgeb<strong>und</strong>ene ästhetische Wahrnehmung lassensich allerdings nicht aufeinander zurückführen, sondernfolgen unterschiedlichen Logiken der Beurteilung (OTT,1998). Ästhetische Urteile sind Geschmacksurteile <strong>und</strong>als solche nicht „objektiv“.Aufgr<strong>und</strong> dieser Subjektivität wird die Bedeutung <strong>und</strong>Eigenart naturästhetischer Erfahrung in der Regel gegenüberökologischen Argumenten eher unterschätzt. Dabeiwird übersehen, dass die vermeintlich objektiven ökologischenBewertungen ebenfalls auf normativen Voraussetzungenberuhen. Die methodischen Probleme bei derDarstellung landschaftsästhetischer Qualitäten in derLandschaftsbildbewertung (hierzu KRAUSE, 1996;NOHL, 1997), aber auch die kulturelle Prägung <strong>des</strong>naturästhetischen Geschmacks können jedoch k<strong>eine</strong>

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