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Für eine Stärkung und Neuorientierung des Naturschutzes

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Drucksache 14/9852 – 50 – Deutscher B<strong>und</strong>estag – 14. WahlperiodeNationalparke beeinträchtigen die Akzeptanz. Hinzukommt, dass die Folgeeffekte, die <strong>eine</strong>n langfristigenNutzen <strong>des</strong> Nationalparks für die Regionalentwicklungbedeuten könnten (Lebensqualität, Produkte aus der Region,Entwicklung <strong>des</strong> Tourismus usw.), mit Unsicherheitenbehaftet sind, während die Regulierungen unmittelbarspürbar einschränkende Wirkung entfalten. Diegenerellen Wohlfahrtseffekte von Großschutzgebietenerfahren zwar <strong>eine</strong> differenzierte Betrachtung in derFachliteratur (z. B. Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin; ROMMEL, 1999); aus der Sicht der Betroffenenhingegen stehen einzelne Schädigungen oder Einschränkungenim Vordergr<strong>und</strong>. Häufig werden solche Vorkommnissemit <strong>eine</strong>m anekdotischen Charakter versehen,der den Naturschutz in ein schlechtes Licht rückt.Selten wird der Naturschutz mit zukunftsweisenden Zielenin Verbindung gebracht. Vielmehr steht er im Ruf, nurzu verhindern <strong>und</strong> Entwicklungen „abzuwürgen“. EineOrientierung an historischen Referenzzuständen verleihtdem Naturschutz ein rückwärtsgewandtes „Image“ („musealerNaturschutz“). Es entsteht häufig der irrige, aberhartnäckige Eindruck, als wolle der Naturschutz auch zuden materiellen <strong>und</strong> sozialen Lebensverhältnissen der Referenzepochen(z. B. Mitte <strong>des</strong> 19. Jahrh<strong>und</strong>erts) zurückkehren.Der Volksm<strong>und</strong> spricht dann rasch von „Mittelalter“oder „Steinzeit“. Als akzeptanzschädlich haben sichVersuche erwiesen, vormoderne Berufe (Weben, Töpfern,Körbeflechten usw.) mit Nationalparken <strong>und</strong> Biosphärenreservatenin Verbindung zu bringen (KATZENBERGER,2000, S. 76). Auch die Schutzgebietsterminologie(„Park“, „Reservat“) ist in Bezug auf die Akzeptanzwenig glücklich, da sie ungewollte Assoziationen weckt(Tz. 292). Betroffene fühlen sich damit leicht als „Eingeborene“oder „Ureinwohner“ eingestuft. Auch Ängste vor„Vertreibung“ oder „Aussperrung“ <strong>des</strong> Menschen sindweit verbreitet.Ein gr<strong>und</strong>sätzliches Einverständnis mit der Naturschutzideekann mit der Ablehnung <strong>des</strong> Nationalparks als„unnötig strikt“ oder als „zu weit gehend“ verb<strong>und</strong>en werden.Vor allem relativ sachk<strong>und</strong>ige <strong>und</strong> mit den Schutzgebietskategorienvertraute Personen erklären in den Interviewshäufig, dass sie mit <strong>eine</strong>m Biosphärenreservatoder mit <strong>eine</strong>m Naturpark einverstanden wären, aber <strong>eine</strong>nNationalpark mit „all s<strong>eine</strong>n Einschränkungen“ ablehnen(MÜLLER, 2001, S. 46; vgl. KATZENBERGER,2000, S. 64). Häufig ist somit nicht die Unterschutzstellung<strong>des</strong> Gebietes als solche strittig, sondern die Wahl derSchutzkategorie. Dies betrifft besonders alte Kulturlandschaftenmit dauerhafter menschlicher Nutzung (Darß,Unteres Odertal, Elbtalauen u. a.). Hier wird mehrheitlichdie Leitlinie <strong>des</strong> Kulturlandschaftsschutzes favorisiert.Auch der Artenschutz findet breite Zustimmung; zurückgewiesenwird aber meist das Ziel <strong>des</strong> Prozessschutzes.An diesem für Nationalparke zentralen Punkt sind dieWertdivergenzen zwischen Naturschützern <strong>und</strong> der lokalenBevölkerung in vielen Fällen besonders stark ausgeprägt.Eine ursprüngliche, allgem<strong>eine</strong> Zustimmung fürden Naturschutz kann in Ablehnung umschlagen, sobalddeutlich wird, welche Ziele mit der Einrichtung <strong>eine</strong>sNationalparks verfolgt werden. Allerdings gibt es auchHinweise darauf, dass sich die Akzeptanz <strong>des</strong> Prozessschutzesin einigen Fällen allmählich verbessert(MÜLLER, 2001, S. 70).Das Kriterium der „Geeignetheit“ <strong>eine</strong>r Fläche als möglicherNationalpark (§ 24 BNatSchG n. F.) impliziert, dassdas Gebiet eher extensiv genutzt wurde <strong>und</strong> wird. Geradedie Tatsache, dass sich ein Gebiet als Nationalpark bzw.zur Entwicklung <strong>eine</strong>s Nationalparks eignet, wird von derörtlichen Bevölkerung als Beleg dafür genommen, dasssie selbst sehr wohl in der Lage seien, den schützenswertenCharakter dieses Gebietes zu bewahren. Der Nationalparkwird daher teilweise als unverdiente Strafe für<strong>eine</strong>n „richtigen“ Umgang mit der Natur empf<strong>und</strong>en(KATZENBERGER, 2000, S. 63).Während im Landschaftserleben der meisten Menschen„Wildnis“ auch positiv besetzt ist <strong>und</strong> mit Abenteuer<strong>und</strong> Anregung in Verbindung gebracht wird (vgl.Tz. 20 ff., 36), werden von der lokalen Bevölkerung häufigdie Gefahren <strong>und</strong> Nachteile betont, die entstehen,wenn die Natur sich selbst überlassen bleibt. Genanntwerden Mückenplage durch Wiedervernässung, Borkenkäferbefall,Unkrautausbreitung, Gefahren durch Einschränkungen<strong>des</strong> Küstenschutzes oder durch möglicherweiseeinwandernde Wölfe usw. Das Konzept <strong>des</strong>Wildnis- <strong>und</strong> <strong>des</strong> Prozessschutzes wird als ein riskantesNaturexperiment eingeschätzt (KATZENBERGER, 2000,S. 73). Solche Ängste werden durch unsachliche Informationskampagnender Nationalparkgegner gezieltgeschürt <strong>und</strong> verstärkt, so wenn beispielsweise Ges<strong>und</strong>heitsgefahrendurch <strong>eine</strong>n angeblichen Pilzbefall in riesigenTotholzflächen dramatisiert werden (HARTHUN,1998, S. 224).Häufig werden Heimat-Argumente <strong>und</strong> Argumente kulturellerIdentität gegen den Prozessschutz ins Feld geführt(HARTHUN, 1998, S. 224). Nicht selten werden dieKonflikte zwischen Prozess- <strong>und</strong> Artenschutz betont(MÜLLER, 2001, S. 67 f.), denn Prozessschutz kann zumlokalen Verlust von Arten führen, die an extensiveLandnutzungsformen angepasst sind.91. Nationalparke können gemäß geltender Rechtslagenicht nur aufgr<strong>und</strong> der Tatsache ausgewiesen werden,dass sie sich auf <strong>eine</strong>m maßgeblichen Flächenanteil in <strong>eine</strong>mvom Menschen nicht oder wenig beeinflussten Zustandbefinden (§ 24 BNatSchG n. F.). Es reicht bereitsaus, dass das fragliche Gebiet oder Teile davon geeignetsind, sich in <strong>eine</strong>n Zustand zu entwickeln, der diesemprimären Ziel entspricht. Die aus der Sicht <strong>des</strong> <strong>Naturschutzes</strong>zu begrüßende Betonung <strong>des</strong> Entwicklungsgedankensim novellierten B<strong>und</strong>esnaturschutzgesetzverstärkt die Angst vor allem der betroffenenLandnutzer vor <strong>eine</strong>m „Auslaufenlassen“ der Landnutzung.Auch wenn lange Übergangszeiträume bis zur vollständigenEinstellung der Nutzung eingeräumt werden,wird dies häufig als unfaire „Salami-Taktik“ <strong>des</strong> <strong>Naturschutzes</strong>gedeutet. Der gewährte Bestandsschutz verbessertinsofern nicht notwendigerweise die Akzeptanz, sondernruft teils empörte, teils resignative Reaktionenhervor. Details der Pflege- <strong>und</strong> Entwicklungspläne werdenhäufig als unzumutbare Härten empf<strong>und</strong>en, deren

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