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Rechtsfragen in der Beratung - Bundeskonferenz für ...

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Gerichtsurteile Schweigepflicht gegenüber Erziehungsberechtigten<br />

jedoch darum, daß den Eltern Informationen vorenthalten werden<br />

sollen, die <strong>für</strong> die <strong>in</strong>dividuelle Erziehung des K<strong>in</strong>des von wesentlicher<br />

Bedeutung se<strong>in</strong> können. Die im Interesse des K<strong>in</strong>deswohls<br />

gebotene Schweigepflicht <strong>der</strong> Berater kann deshalb nur <strong>in</strong> Ausnahmefällen<br />

das grundrechtlich gesicherte Informationsrecht <strong>der</strong> Eltern<br />

beschränken.<br />

Ob die <strong>in</strong> § 13 Abs. 2 BremSchulVvG statuierte Schweigepflicht<br />

<strong>der</strong> Berater mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG vere<strong>in</strong>bar ist, hängt<br />

entscheidend davon ab, wie die Bestimmung auszulegen ist. Satz<br />

3 dieser Vorschrift knüpft die Schweigepflicht an die Entscheidung<br />

des Beraters darüber, ob e<strong>in</strong>e Information an die Eltern „Gesundheit<br />

und Wohlergehen <strong>der</strong> betroffenen M<strong>in</strong><strong>der</strong>jährigen gefährden“<br />

würde. „Gesundheit“ ist e<strong>in</strong> vielschichtiger Begriff <strong>für</strong> das „normale”,<br />

d.h. nicht „krankhafte“ Bef<strong>in</strong>den des K<strong>in</strong>des. Nach <strong>der</strong> Def<strong>in</strong>ition<br />

<strong>der</strong> Weltgesundheitsbehörde <strong>in</strong> ihrer Satzung vom 22. Juli<br />

1946 ist Gesundheit „<strong>der</strong> Zustand vollständigen körperlichen,<br />

geistigen und sozialen Wohlbef<strong>in</strong>dens und nicht nur das Freise<strong>in</strong><br />

von Krankheit und Gebrechen“ (vgl. BVerfGE 56, 54 [74]). Ähnlich<br />

unbestimmt ersche<strong>in</strong>t „Wohlergehen”, e<strong>in</strong> Begriff, <strong>der</strong> bisher we<strong>der</strong><br />

durch die Rechtsprechung noch im wissenschaftlichen Schrifttum<br />

gedeutet und <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Inhalt näher umgrenzt worden ist. H<strong>in</strong>zu<br />

kommt, daß auch „gefährden“ auslegungsbedürftig ist, wobei<br />

<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die Festlegung <strong>der</strong> Gefahrengrenze Probleme aufwirft.<br />

Es kann fraglich se<strong>in</strong>, ob schon e<strong>in</strong>e abstrakte Gefährdung<br />

o<strong>der</strong> erst e<strong>in</strong>e gegenwärtige konkrete Gefahr h<strong>in</strong>reichend ist, um<br />

die Verschwiegenheitspflicht gegenüber den Erziehungsberechtigten<br />

auszulösen.<br />

Im ganzen gesehen würde die Generalklausel „Gefährdung von<br />

Gesundheit und Wohlergehen“ des betroffenen K<strong>in</strong>des bei weiter<br />

Auslegung nicht genügen, um die engbegrenzte Schweigepflicht<br />

<strong>der</strong> Berater mit <strong>der</strong> im grundrechtsrelevanten Bereich erfor<strong>der</strong>lichen<br />

Bestimmtheit gegenüber dem durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG<br />

geschützten Informationsrecht <strong>der</strong> Eltern abzugrenzen.<br />

Indessen ist e<strong>in</strong>e so weite Auslegung nicht zw<strong>in</strong>gend geboten.<br />

E<strong>in</strong>e gesetzliche Vorschrift ist nicht verfassungswidrig, wenn e<strong>in</strong>e<br />

Auslegung möglich ist, die im E<strong>in</strong>klang mit dem Grundgesetz steht,<br />

und die Vorschrift bei dieser Auslegung s<strong>in</strong>nvoll bleibt (so schon<br />

BVerfGE 2, 266 [282]; st. Rspr.). Die vom Gesetzgeber verwendeten<br />

auslegungsfähigen und auslegungsbedürftigen Begriffe brauchen<br />

218<br />

nicht unbed<strong>in</strong>gt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er undifferenzierten Weite verstanden zu<br />

werden. Wortlaut und S<strong>in</strong>ngehalt <strong>der</strong> als Ausnahme konzipierten<br />

Vorschrift des § 13 Abs. 2 BremSchulVvG lassen auch e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>schränkende<br />

Auslegung zu. Der Berater wird auch <strong>in</strong> den Fällen <strong>der</strong><br />

oben geschil<strong>der</strong>ten Art <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel die Eltern <strong>in</strong>formieren müssen.<br />

Bei e<strong>in</strong>em m<strong>in</strong><strong>der</strong>jährigen Schüler <strong>in</strong> geordneten familiären Verhältnissen<br />

wird die gebotene Hilfe ohne E<strong>in</strong>schaltung <strong>der</strong> Eltern<br />

normalerweise gar nicht möglich se<strong>in</strong>. Insbeson<strong>der</strong>e wenn Probleme<br />

des Schülers <strong>in</strong> <strong>der</strong> Klassenkonferenz besprochen werden<br />

müssen, wird e<strong>in</strong>e vorherige Information <strong>der</strong> Eltern schon deshalb<br />

geboten se<strong>in</strong>, weil an<strong>der</strong>nfalls die vertrauensvolle Zusammenarbeit<br />

zwischen Schule und Elternhaus ernstlich gefährdet se<strong>in</strong> könnte.<br />

Die Annahme e<strong>in</strong>er Schweigepflicht auch gegenüber den Erziehungsberechtigten<br />

setzt daher Abwägung aller Umstände des<br />

E<strong>in</strong>zelfalles, etwa des Alters und <strong>der</strong> Reife des betroffenen Schülers,<br />

se<strong>in</strong>er familiären Beziehungen und sonstiger Abhängigkeiten <strong>in</strong>nerhalb<br />

und außerhalb <strong>der</strong> Schule voraus. Der Berater muß ferner das<br />

Elternhaus so gut kennen, daß er die Folgen e<strong>in</strong>er Information<br />

aufgrund konkreter Tatsachen richtig e<strong>in</strong>schätzen kann. Ersche<strong>in</strong>t<br />

die Familie nicht gänzlich verständnislos, so wird es zunächst<br />

Aufgabe des Beraters se<strong>in</strong>, auf die Eltern e<strong>in</strong>zuwirken, sich <strong>der</strong><br />

Probleme ihres K<strong>in</strong>des anzunehmen. Als verfassungskonform kann<br />

daher nur e<strong>in</strong>e Auslegung des § 13 Abs. 2 BremSchulVvG angesehen<br />

werden, die das Schweigerecht <strong>der</strong> Berater gegenüber den<br />

Erziehungsberechtigten auf die Ausnahmefälle begrenzt, <strong>in</strong> denen<br />

konkrete Tatsachen vorliegen, welche bei Information <strong>der</strong> Erziehungsberechtigten<br />

die unmittelbare und gegenwärtige Gefahr e<strong>in</strong>er<br />

körperlichen o<strong>der</strong> seelischen Schädigung des K<strong>in</strong>des wahrsche<strong>in</strong>lich<br />

machen. Diese Auslegung beläßt <strong>der</strong> Vorschrift e<strong>in</strong>en vernünftigen,<br />

dem erkennbaren Gesetzeszweck nicht zuwi<strong>der</strong>laufenden<br />

S<strong>in</strong>n.<br />

(S. 383-387)<br />

Das Elternrecht dient als pflichtgebundenes Recht dem Wohle des<br />

K<strong>in</strong>des; es muß se<strong>in</strong>em Wesen und Zweck nach zurücktreten, wenn<br />

das K<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> Alter erreicht hat, <strong>in</strong> dem es e<strong>in</strong>e genügende Reife zur<br />

selbständigen Beurteilung <strong>der</strong> Lebensverhältnisse und zum eigenverantwortlichen<br />

Auftreten im Rechtsverkehr erlangt hat. Als e<strong>in</strong><br />

Recht, das um des K<strong>in</strong>des und dessen Persönlichkeitsentfaltung<br />

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