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Rechtsfragen in der Beratung - Bundeskonferenz für ...

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Deutscher Vere<strong>in</strong> Zum Verhältnis von dienstrechtlicher Gehorsamspflicht und Strafrecht …<br />

E<strong>in</strong>zelangaben an<strong>der</strong>en Behörden o<strong>der</strong> sonstigen Stellen <strong>für</strong> Aufgaben<br />

<strong>der</strong> öffentlichen Verwaltung bekanntgegeben werden, gilt die<br />

Strafandrohung jedoch nicht (§ 203 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz StGB.<br />

Wie sich aus dem systematischen Zusammenhang <strong>der</strong> Vorschrift<br />

ergibt, gilt diese Abschwächung <strong>der</strong> Schweigepflicht von Amtsträgern<br />

damit nicht <strong>für</strong> Geheimnisse i.S.d. § 203 StGB) (Frommann, <strong>in</strong>:<br />

Arbeitshilfen des Deutschen Vere<strong>in</strong>s Heft 24 [a.a.O.], S. 159 [S. 172<br />

f.]; Wiesner u.a., Komm. z. SGB VIII, 1995, Anhang § 65 [§ 203 StGB]<br />

Rdnr. 7).<br />

Aus dem geschil<strong>der</strong>ten Zusammenhang zwischen dienstrechtlicher<br />

Gehorsamspflicht und strafrechtlicher Schweigepflicht folgt,<br />

daß die im Sachverhalt angesprochene Sozialpädagog<strong>in</strong> <strong>der</strong> Dienstanweisung<br />

nur Folge leisten muß, wenn sie damit nicht gegen die<br />

ihr strafrechtlich auferlegte Schweigepflicht verstößt.<br />

2.1 Zunächst muß es sich bei den Vorkommnissen, die die<br />

Sozialpädagog<strong>in</strong> dem Dienstvorgesetzten melden soll, um fremde<br />

Geheimnisse handeln. Geheimnisse s<strong>in</strong>d Tatsachen, die nur e<strong>in</strong>em<br />

beschränkten Personenkreis bekannt s<strong>in</strong>d und an <strong>der</strong>en Geheimhaltung<br />

<strong>der</strong>jenige, den sie betreffen, e<strong>in</strong> von se<strong>in</strong>em Standpunkt<br />

aus sachlich begründetes Interesse hat (Schöncke/Schrö<strong>der</strong>, Komm.<br />

z. StGB, 24. Aufl. 1991, § 203 Rdnr. 5). Bei <strong>der</strong> möglichen<br />

strafrechtlichen Relevanz <strong>der</strong> zu meldenden Vorkommnisse kann<br />

von e<strong>in</strong>em subjektiven Geheimhaltungs<strong>in</strong>teresse <strong>der</strong> betroffenen<br />

Jugendlichen ausgegangen werden (Frommann, a.a.O., S. 166).<br />

2.2 Dieses fremde Geheimnis muß <strong>der</strong> Sozialpädagog<strong>in</strong> anvertraut<br />

o<strong>der</strong> sonst bekanntgeworden se<strong>in</strong>. (...)<br />

2.3 Die hier e<strong>in</strong>schlägigen Tatsachen müssen <strong>der</strong> Sozialpädagog<strong>in</strong><br />

<strong>in</strong> ihrer Eigenschaft „als Sozialpädagog<strong>in</strong>“ bekanntgeworden<br />

se<strong>in</strong>. Sozialarbeit i.S.d. StGB ist mit Blick auf den Schutzzweck von<br />

§ 203 Abs. 1 StGB zu bestimmen. Da § 203 Abs. 1 Nr. 5 StGB<br />

Sozialpädagogen/<strong>in</strong>nen strafrechtlich den klassischen, seit langem<br />

voll professionalisierten Vertrauensberufen (Ärzte, Rechtsanwälte<br />

usw.) gleichstellt, ist Sozialarbeit i.S.d. § 203 Abs. 1 Nr. 5 StGB nur<br />

die Wahrnehmung strikt vertrauensgebundener Aufgaben im öffentlichen<br />

Interesse (Frommann, a.a.O., S. 198 ff.). Allgeme<strong>in</strong><br />

anerkannt ist dies <strong>für</strong> Tätigkeiten wie beispielsweise <strong>der</strong> Sachverhaltsermittlung<br />

im Außendienst (Kl<strong>in</strong>ger/Kunkel, Sozialdatenschutz<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis, 1990, S. 68; On<strong>der</strong>ka/Schade, <strong>in</strong>: Arbeitshilfen des<br />

Deutschen Vere<strong>in</strong>s 20 [Datenschutz im Sozialen Bereich] 1981, S.<br />

180<br />

172 [S. 182 f.]; Heckel, NVwZ 1994, S. 224 [S. 228 li.Sp.]). (...)<br />

2.4 Die <strong>der</strong> Sozialpädagog<strong>in</strong> <strong>in</strong> Ausübung ihres Berufes bekanntgewordenen<br />

fremden Geheimnisse darf sie gemäß § 203 Abs. 1 Nr.<br />

5 StGB nicht „unbefugt offenbaren“. Nach <strong>der</strong> Gutachtenpraxis des<br />

Deutschen Vere<strong>in</strong>s (Gutachten 287/84 vom 22. Januar 1985) liegt<br />

e<strong>in</strong>e Offenbarung im S<strong>in</strong>ne dieser Vorschrift „immer vor, wenn<br />

Tatsachen e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en mitgeteilt werden, er diese Tatsachen<br />

bislang nicht kannte und wenn er aufgrund <strong>der</strong> Mitteilung den<br />

Betroffenen identifizieren kann. Unbefugt i.S.d. § 203 Abs. 1 Nr. 5<br />

StGB ist die Offenbarung e<strong>in</strong>es fremden Geheimnisses immer dann,<br />

wenn nicht e<strong>in</strong> sogenannter Rechtfertigungsgrund vorliegt. Als<br />

solcher s<strong>in</strong>d anerkannt:<br />

• die E<strong>in</strong>willigung des Betroffenen; diese kann ausdrücklich<br />

erfolgen, kann jedoch auch aus dem gesamten Verhalten des<br />

Betroffenen zu schließen se<strong>in</strong> (sogenannte konkludente E<strong>in</strong>willigung),<br />

wenn <strong>der</strong> Betroffene substantiiert – nicht unbed<strong>in</strong>gt<br />

ausdrücklich – auf die geplante Offenbarung h<strong>in</strong>gewiesen wurde;<br />

• ausdrückliche bundesgesetzliche Mitteilungspflichten; hierzu<br />

zählt beispielsweise die Pflicht zur Anzeige geplanter Straftaten<br />

gemäß § 138 StGB, nicht jedoch e<strong>in</strong>e aus dem Arbeitsverhältnis<br />

zwischen dem Sozialarbeiter/Sozialpädagogen und se<strong>in</strong>em Arbeitgeber<br />

folgende Mitteilungspflicht;<br />

• die Abwehr e<strong>in</strong>es rechtfertigenden Notstandes nach näherer<br />

Maßgabe des § 34 StGB;<br />

• Notwehr gemäß § 32 StGB.<br />

Liegt ke<strong>in</strong> Rechtfertigungsgrund <strong>für</strong> e<strong>in</strong>e Offenbarung vor, so ist <strong>der</strong><br />

Sozialarbeiter/Sozialpädagoge zur Verschwiegenheit über das fremde<br />

Geheimnis, das ihm <strong>in</strong> Ausübung se<strong>in</strong>es Berufs bekanntgeworden<br />

ist, nicht nur berechtigt, son<strong>der</strong>n auch verpflichtet. Dies trifft (...)<br />

nicht auf die Mitteilung solcher Umstände zu, die ke<strong>in</strong>e Schlüsse auf<br />

die von diesen Umständen Betroffenen zulassen“.<br />

Nach allem ist die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sachverhaltsschil<strong>der</strong>ung erwähnte<br />

Sozialpädagog<strong>in</strong> bei Vorliegen <strong>der</strong> oben näher umschriebenen<br />

Voraussetzungen des § 203 Abs. 1 Nr. 5 StGB nicht berechtigt, fremde<br />

Geheimnisse ihrem Dienstvorgesetzten zu offenbaren.<br />

Anmerkung<br />

* Gutachten vom 22. Juli 1996, zitiert nach: Nachrichtendienst des Deutschen<br />

Vere<strong>in</strong>s, Heft 1/1997, S. 22.<br />

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