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Rechtsfragen in der Beratung - Bundeskonferenz für ...

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Gerichtsurteile Beschlagnahme von Sozialdaten<br />

1. Während grundsätzlich die richterliche Beschlagnahmeanordnung<br />

gem. § 98 StPO die Herausgabepflicht des Gewahrsams<strong>in</strong>habers<br />

gem. § 94 StPO begründet, s<strong>in</strong>d bereits im § 97 Abs. 1<br />

StPO jene beschlagnahmefreien Gegenstände aufgeführt, die sich<br />

im Gewahrsam zeugnisverweigerungsberechtigter Personen bef<strong>in</strong>den.<br />

Im vorliegenden Fall bedarf es ke<strong>in</strong>er Klärung, ob i.S. von § 94<br />

Abs. 1 Nr. 3 StPO zwischen <strong>der</strong> Geschädigten und <strong>der</strong> Amtsärzt<strong>in</strong><br />

des Landkreises Goslar e<strong>in</strong> Vertrauensverhältnis entstanden ist,<br />

das e<strong>in</strong> Zeugnisverweigerungsrecht <strong>der</strong> Amtsärzt<strong>in</strong> aus beruflichen<br />

Gründen gem. § 53 Nr. 3 StPO begründet (vgl. hierzu LG<br />

Braunschweig, NJW 1978, 2108). Vielmehr ergibt sich aus <strong>der</strong><br />

spezialgesetzlichen Regelung des § 35 Abs. 3 SGB I e<strong>in</strong> auch im<br />

Strafverfahren geltendes Zeugnisverweigerungsrecht und Beschlagnahmeverbot<br />

zu Gunsten <strong>der</strong> Sozialbehörde.<br />

2. Das Sozialgeheimnis gewährt dem Betroffenen e<strong>in</strong>en Anspruch<br />

darauf, daß E<strong>in</strong>zelangaben über se<strong>in</strong>e personenbezogenen<br />

Daten von den Leistungsträgern als Sozialgeheimnis gewahrt<br />

und nicht unbefugt offenbart werden (§ 35 Abs. 1 SGB I). Das<br />

Gesetz ordnet ausdrücklich an, daß e<strong>in</strong>e Offenbarung nur unter<br />

den Voraussetzungen <strong>der</strong> §§ 67 bis 77 SGB X zulässig ist und<br />

darüber h<strong>in</strong>aus „ke<strong>in</strong>e Auskunftspflicht, ke<strong>in</strong>e Zeugnispflicht<br />

und ke<strong>in</strong>e Pflicht zur Vorlegung o<strong>der</strong> Auslieferung von Schriftstücken,<br />

Akten, Dateien und sonstigen Datenträgern“ bestehe<br />

(§ 35 Abs. 2 u. 3 SGB I). (...)<br />

3.2 E<strong>in</strong>e Offenbarungsbefugnis aus den §§ 68 bis 77 SGB X kann nicht<br />

abgeleitet werden. So läßt etwa § 68 Abs. 1 SGB X im Rahmen <strong>der</strong><br />

Amtshilfe lediglich die Offenbarung <strong>der</strong> „unempf<strong>in</strong>dlichen Sozialdaten“<br />

(Name, Anschrift, Geburtsdatum usw.) zu.<br />

Die darüber h<strong>in</strong>ausgehende Offenbarung „empf<strong>in</strong>dlicher Sozialdaten“<br />

zur Durchführung e<strong>in</strong>es Strafverfahrens ist lediglich bei<br />

<strong>der</strong> Aufklärung e<strong>in</strong>es Verbrechens auf richterliche Anordnung<br />

zugelassen (§ 73 Nr. 1 SGB X). Für die Aufklärung von Vergehen<br />

ist gem. Nr. 2 dieses Paragraphen lediglich die Offenbarung <strong>der</strong><br />

„unempf<strong>in</strong>dlichen Sozialdaten“ zulässig. Verbrechen s<strong>in</strong>d jedoch<br />

rechtswidrige Taten, die im M<strong>in</strong>destmaß mit Freiheitsstrafe<br />

von e<strong>in</strong>em Jahr bedroht s<strong>in</strong>d (§ 12 Abs. 1 StGB).<br />

Im vorliegenden Fall s<strong>in</strong>d nur Vergehen Gegenstände des<br />

Ermittlungsverfahrens, denn sowohl Körperverletzung gem.<br />

280<br />

§ 223 StGB wie auch Mißhandlung von Schutzbefohlenen gem.<br />

§ 223b StGB unterschreiten das M<strong>in</strong>deststrafmaß <strong>für</strong> Verbrechen.<br />

Die Offenbarungstatbestände im übrigen s<strong>in</strong>d nicht e<strong>in</strong>schlägig.<br />

Dies gilt auch <strong>für</strong> § 76 SGB X, <strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Verlängerung des<br />

Sozialdatenschutzes <strong>in</strong> solchen Fällen vorsieht, <strong>in</strong> denen die<br />

Sozialleistungsträger geheimhaltungsbedürftige Sozialdaten von<br />

dritten zeugnisverweigerungsberechtigten Personen erhalten haben<br />

(vgl. im e<strong>in</strong>zelnen Knopp, <strong>in</strong> Bley u.a., § 76 SGB X, Anm. 2).<br />

3.3 Die <strong>in</strong> den Sozialgesetzbüchern I und X getroffenen Offenbarungsbefugnisse<br />

stellen nach dem Willen des Gesetzgebers e<strong>in</strong>e<br />

abschließende Regelung dar. Demzufolge können we<strong>der</strong> Generalklauseln<br />

noch E<strong>in</strong>zeltatbestände e<strong>in</strong>e Ergänzung schaffen.<br />

Folglich f<strong>in</strong>den neben den sozialrechtlichen Offenbarungsbefugnissen<br />

sämtliche Prozeßordnungsvorschriften zum Beweisverfahren<br />

ke<strong>in</strong>e ergänzende Anwendung (vgl. Bley, <strong>in</strong>: Bley u.a.<br />

§ 35 SGB I Anm. 7a).<br />

Bley führt hierzu überzeugend aus (Anm. 8 m.w.Nachw.): „Dies<br />

bedeutet: Gerichte und Behörden bei denen Verfahren anhängig<br />

s<strong>in</strong>d, <strong>in</strong> denen es auf geschützte Sozialdaten ankommt,<br />

dürfen Kenntnis hiervon im Wege <strong>der</strong> Beweiserhebung nur dann<br />

erhalten, wenn e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> im X. Buch enthaltenen Ausnahmetatbestände<br />

... erfüllt ist o<strong>der</strong> die Bezugsperson <strong>in</strong> die Offenbarung<br />

e<strong>in</strong>gewilligt hat ... Fehlt es hieran, s<strong>in</strong>d die Sozialverwaltungsträger<br />

... und se<strong>in</strong>e Bediensteten zur Ablehnung e<strong>in</strong>es an sie<br />

ergehenden Ersuchens um Auskunft, zur Verweigerung <strong>der</strong><br />

Zeugenaussage sowie zur Verweigerung <strong>der</strong> Vorlage o<strong>der</strong><br />

Auslieferung <strong>der</strong> Akten nicht nur berechtigt, son<strong>der</strong>n verpflichtet<br />

... Auch e<strong>in</strong>e Beschlagnahme von Akten durch die Staatsanwaltschaft<br />

ist ausgeschlossen ... Den Bediensteten des verpflichteten<br />

Verwaltungsträgers darf ke<strong>in</strong>e Genehmigung zur<br />

Aussage als Zeuge ... erteilt werden ... Gerichte und sonstige<br />

Dienststellen werden deshalb – wie schon bisher – auch künftig<br />

gut daran tun, dem Verfahrensbeteiligten, <strong>der</strong> Anspruch auf<br />

Sozialdatenschutz hat, rechtzeitig um se<strong>in</strong>e schriftliche E<strong>in</strong>willigung<br />

zur Offenbarung <strong>der</strong> <strong>für</strong> das Verfahren wesentlichen<br />

Daten zu bitten ...“<br />

Anmerkung<br />

* Zitiert nach: Neue Juristische Wochenschrift, Heft 41/1986, S. 2586 – 2587.<br />

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