Rechtsfragen in der Beratung - Bundeskonferenz für ...
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Rechtsberatung im Rahmen von<br />
Trennungs- und Scheidungsberatung<br />
Urteil des Landgerichts Memm<strong>in</strong>gen<br />
vom 7. September 1994 *<br />
E<strong>in</strong>e kommunale „<strong>Beratung</strong>sstelle <strong>für</strong> Familien und Jugendliche“<br />
hat im Rahmen e<strong>in</strong>er Trennungs- und Scheidungsberatung nach<br />
§ 17 KJHG vorrangig Informationen über rechtliche Möglichkeiten<br />
<strong>der</strong> Partner zur Gestaltung ihrer verantwortlichen Elternschaft im<br />
Interesse <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> zu vermitteln.<br />
Im E<strong>in</strong>zelfall kann die fachliche <strong>Beratung</strong> o<strong>der</strong> Mediation nach<br />
§ 17 KJHG aber auch die Kenntnis sonstiger Scheidungsfolgen (z.B.<br />
Unterhalt, Versorgungsausgleich, Zugew<strong>in</strong>n) voraussetzen. Besteht<br />
<strong>in</strong>soweit e<strong>in</strong> untrennbarer Zusammenhang, ist auch die Erteilung<br />
solcher zusätzlicher Rechts<strong>in</strong>formationen vom gesetzlichen Auftrag<br />
zur umfassenden Sorgerechtsberatung <strong>der</strong> Eltern gedeckt.<br />
In solchen Fällen liegt auch ke<strong>in</strong>e unerlaubte Rechtsberatung<br />
nach § 1 RBerG vor. Jedenfalls handeln die <strong>Beratung</strong>sstelle und <strong>der</strong><br />
<strong>für</strong> sie tätige Berater im Rahmen des Behördenvorbehalts nach § 3<br />
Nr. 1 RBerG.<br />
I. Der Kläger ist e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>getragener Vere<strong>in</strong>, <strong>der</strong> etwa 50 bei dem<br />
Landgericht Memm<strong>in</strong>gen zugelassene Rechtsanwälte vertritt. Se<strong>in</strong><br />
satzungsmäßiger Zweck ist die Wahrung, Pflege und För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />
beruflichen und wirtschaftlichen Belange <strong>der</strong> Memm<strong>in</strong>ger Anwaltschaft.<br />
Die beklagte Stadt betreibt <strong>in</strong> Memm<strong>in</strong>gen e<strong>in</strong>e „Städtische<br />
<strong>Beratung</strong>sstelle <strong>für</strong> Familien und Jugendliche“ als E<strong>in</strong>richtung nach<br />
dem K<strong>in</strong><strong>der</strong>- und Jugendhilfegesetz vom 26.6.1990.<br />
Der Kläger beanstandet e<strong>in</strong>e <strong>für</strong> die städtische <strong>Beratung</strong>sstelle von<br />
e<strong>in</strong>em ehrenamtlich tätigen Richter im Ruhestand genommene<br />
Rechtsberatung: Dieser habe <strong>für</strong> die <strong>Beratung</strong>sstelle u.a. <strong>für</strong> e<strong>in</strong><br />
scheidungswilliges, anwaltlich vertreten gewesenes Ehepaar am<br />
23.8.1993 e<strong>in</strong>e komplette Berechnung des Zugew<strong>in</strong>ns und des<br />
Zugew<strong>in</strong>nausgleichsanspruchs <strong>der</strong> Ehefrau vorgenommen, darüber<br />
h<strong>in</strong>aus e<strong>in</strong>e Scheidungsvere<strong>in</strong>barung entworfen, <strong>in</strong> <strong>der</strong> u.a. <strong>der</strong><br />
nacheheliche Ehegattenunterhalt, <strong>der</strong> Zugew<strong>in</strong>nausgleich, die Frei-<br />
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stellung von Verb<strong>in</strong>dlichkeiten, die steuerliche Veranlagung, die<br />
Hausratsteilung und <strong>der</strong> Versorgungsausgleich geregelt werden<br />
sollten.<br />
Solche <strong>Beratung</strong>en seien ke<strong>in</strong> E<strong>in</strong>zelfall gewesen. Sie stellten e<strong>in</strong>e<br />
unzulässige Besorgung frem<strong>der</strong> Rechtsangelegenheiten dar i.S.d.§ 1<br />
Rechtsberatungsgesetz (RBerG), die nicht deshalb durch § 17 Abs. 2<br />
KJHG gedeckt sei, weil sie im Rahmen <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>- und Jugendhilfeberatung<br />
erfolgt sei. Selbst bei extensiver Auslegung gehörten die<br />
Bereiche, wie im Klageantrag näher beschrieben (also Ermittlung des<br />
Zugew<strong>in</strong>ns und Scheidungsvere<strong>in</strong>barungen mit Ehegattenunterhalt<br />
...) nicht zum Aufgabenreich <strong>der</strong> Jugendberatungsstelle.<br />
Die Beklagte müsse solche Tätigkeiten deshalb unterlassen. ...<br />
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.<br />
Funktionell zuständig seien <strong>für</strong> den Rechtsstreit allenfalls die<br />
Verwaltungsgerichte, weil es um die Frage gehe, ob e<strong>in</strong>e Behörde <strong>in</strong><br />
Ausübung hoheitlicher Tätigkeit ihre gesetzlich zugewiesenen Grenzen<br />
überschritten habe; dies sei e<strong>in</strong>e öffentlich-rechtliche Frage.<br />
Allerd<strong>in</strong>gs habe sie die Grenze tatsächlich nicht überschritten,<br />
son<strong>der</strong>n sich im Rahmen des § 17 KJHG gehalten.<br />
Die Eheleute hätten im Rahmen ihrer <strong>Beratung</strong> gebeten, auch die<br />
Folgen <strong>der</strong> Scheidung, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die vermögensrechtlichen<br />
Auswirkungen aufzuzeigen. In diesem Zusammenhang habe <strong>der</strong><br />
Berater <strong>der</strong> Jugendhilfestelle, <strong>der</strong> ehemalige Vorsitzende Richter<br />
beim Landgericht Memm<strong>in</strong>gen B., und <strong>in</strong>soweit auch e<strong>in</strong>e qualifizierte<br />
Person, modellhaft e<strong>in</strong>e Scheidungsvere<strong>in</strong>barung entworfen,<br />
wobei ausdrücklich darauf h<strong>in</strong>gewiesen worden sei, daß die<br />
Regelungen im e<strong>in</strong>zelnen durch die Anwälte erfolgen müsse. All<br />
dies sei im Rahmen <strong>der</strong> erlaubten <strong>Beratung</strong> geschehen, sogar im<br />
Beise<strong>in</strong> e<strong>in</strong>es Diplom-Psychologen. In an<strong>der</strong>en Fällen sei e<strong>in</strong>e<br />
Aushändigung schriftlicher Berechnungsunterlagen nicht erfolgt.<br />
E<strong>in</strong> Unterlassungsanspruch bestehe deshalb nicht; e<strong>in</strong>e Absicht,<br />
sich im Wettbewerb zur Anwaltschaft zu betätigen, habe nicht<br />
vorgelegen; auch sei Wie<strong>der</strong>holungsgefahr nicht gegeben, weil <strong>der</strong><br />
leitende Rechtsdirektor <strong>der</strong> Stadt sogleich zugesagt habe, künftig<br />
jeden Ansche<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Rechtsberatung auf dem genannten Gebiet<br />
unterlassen und die Interessen <strong>der</strong> Anwaltschaft respektieren zu<br />
wollen.<br />
Der Kläger wi<strong>der</strong>setzt sich diesem Vorbr<strong>in</strong>gen. ...<br />
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