Rechtsfragen in der Beratung - Bundeskonferenz für ...
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Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft <strong>für</strong> Jugendhilfe<br />
Anwendungsh<strong>in</strong>weise <strong>für</strong> die Jugendhilfe<br />
zum Sozialdatenschutz nach dem<br />
2. SGB-Än<strong>der</strong>ungsgesetz *)<br />
Mit <strong>der</strong> im Juni 1994 erfolgten Än<strong>der</strong>ung von § 73 Abs. 1 SGB X ist<br />
<strong>der</strong> Zugriff <strong>der</strong> Justiz auf Sozialdaten erleichtert worden. Dies hat<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Jugendhilfe zu e<strong>in</strong>iger Verunsicherung geführt. Auf Wunsch<br />
des AGJ-Vorstands hat <strong>der</strong> Fachausschuß „Rechts- und Organisationsfragen<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Jugendhilfe“ die folgenden Anwendungsh<strong>in</strong>weise<br />
<strong>für</strong> den Umgang mit <strong>der</strong> neuen Rechtslage erarbeitet.<br />
Die Geschäftsstelle des AGJ wäre dankbar über Rückmeldungen<br />
aus <strong>der</strong> Praxis und Informationen über den Umgang <strong>der</strong> Justiz<br />
(Gerichtsentscheidungen) mit den Befugnissen aus § 73 SGB X.<br />
Zuschriften werden erbeten an die Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft <strong>für</strong> Jugendhilfe,<br />
Haager Weg 44, 53127 Bonn.<br />
1. Im Zweiten Gesetz zur Än<strong>der</strong>ung des Sozialgesetzbuchs vom 13.<br />
Juni 1994 (BGBl. 1. S. 1229) hat <strong>der</strong> Gesetzgeber den Anwendungsbereich<br />
des § 73 Abs. 1 SGB X erweitert.<br />
• Bisher war <strong>für</strong> Sozialleistungsträger die unbeschränkte Übermittlung<br />
von Sozialdaten an Strafverfolgungsbehörden nur<br />
zulässig, wenn dies zur Aufklärung e<strong>in</strong>es Verbrechens erfor<strong>der</strong>lich<br />
war. Dies s<strong>in</strong>d Straftaten, die nach dem Strafgesetzbuch im<br />
M<strong>in</strong>destmaß mit e<strong>in</strong>er Freiheitsstrafe von e<strong>in</strong>em Jahr bedroht<br />
s<strong>in</strong>d (vgl. § 12 StGB).<br />
• Nach <strong>der</strong> Neufassung ist e<strong>in</strong>e Datenübermittlung auch möglich,<br />
wenn es sich um e<strong>in</strong>e sonstige Straftat von erheblicher Bedeutung<br />
handelt.<br />
Im Bereich <strong>der</strong> Jugendhilfe s<strong>in</strong>d als Sozialleistungsträger die<br />
Jugendämter betroffen und es ist zu be<strong>für</strong>chten, daß die Lockerung<br />
des Sozialdatenschutzes <strong>in</strong> Zukunft zu e<strong>in</strong>er vermehrten Beschlagnahme<br />
von Jugendamtsakten sowie zu zahlreichen Zeugenvernehmungen<br />
von JugendamtsmitarbeiterInnen <strong>in</strong> Strafverfahren führen<br />
wird. In Betracht kommen hier Fälle wie die Verletzung <strong>der</strong> Fürsorgeund<br />
Erziehungspflicht (§ 170d StGB), sexueller Mißbrauch von Schutzbefohlenen<br />
(§ 223b StGB), die als Vergehen e<strong>in</strong>e M<strong>in</strong>deststrafandrohung<br />
unter e<strong>in</strong>em Jahr haben, mit denen Jugendämter jedoch viel<br />
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häufiger <strong>in</strong> Berührung kommen, als mit Verbrechen.<br />
2. § 73 Abs. 3 SGB X schreibt vor, daß die Übermittlung von<br />
Sozialdaten durch den Richter angeordnet wird. Das heißt, <strong>für</strong> die<br />
Beschlagnahme von Jugendamtsakten o<strong>der</strong> die Vernehmung von<br />
MitarbeiterInnen des Jugendamtes ist e<strong>in</strong> richterlicher Beschluß<br />
notwendig. Gegenüber Polizei und Staatsanwaltschaft besteht<br />
dagegen ke<strong>in</strong>e Übermittlungspflicht.<br />
3. Sozialdaten, die MitarbeiterInnen des Jugendamtes – etwa bei<br />
e<strong>in</strong>em <strong>Beratung</strong>sgespräch – anvertraut werden, dürfen gem. § 65<br />
KJHG nicht übermittelt werden, <strong>Beratung</strong>sakten also auch nicht<br />
beschlagnahmt und JugendamtsmitarbeiterInnen zum Inhalt von<br />
<strong>Beratung</strong>sgesprächen nicht vernommen werden.<br />
4. § 73 SGB X setzt voraus, daß die Übermittlung von Sozialdaten<br />
zur Durchführung e<strong>in</strong>es Strafverfahrens erfor<strong>der</strong>lich ist. Auch<br />
bei Strafverfahren wegen e<strong>in</strong>es Verbrechens muß im Beschluß die<br />
Erfor<strong>der</strong>lichkeit begründet werden.<br />
5. Wenn das Gericht die Übermittlung von Sozialdaten <strong>in</strong><br />
Strafverfahren wegen e<strong>in</strong>er „sonstigen Straftat von erheblicher<br />
Bedeutung“ for<strong>der</strong>t, bestehen schon wegen <strong>der</strong> Unbestimmtheit<br />
dieses Begriffs Zweifel an <strong>der</strong> Zulässigkeit: Der Begriff „Straftaten<br />
von erheblicher Bedeutung“ wird zwar <strong>in</strong> den Sicherheits- und<br />
Ordnungsgesetzen (Polizeigesetzen) e<strong>in</strong>iger Bundeslän<strong>der</strong> durch<br />
Aufzählung e<strong>in</strong>zelner Vergehen nach dem Strafgesetzbuch näher<br />
def<strong>in</strong>iert. Gleichwohl kann diese Def<strong>in</strong>ition nicht <strong>für</strong> die Ausfüllung<br />
des unbestimmten Rechtsbegriffs <strong>in</strong> § 73 SGB X herangezogen<br />
werden. Dies ist zum e<strong>in</strong>en deshalb nicht möglich, weil Bestimmungen<br />
des Landesrechts nicht dazu herangezogen werden können,<br />
e<strong>in</strong>e Vorschrift des Bundesrechts auszulegen. Zum an<strong>der</strong>en haben<br />
auch die Län<strong>der</strong> ke<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>heitliche Def<strong>in</strong>ition von „Straftaten von<br />
erheblicher Bedeutung“. So ist beispielsweise <strong>in</strong> Nie<strong>der</strong>sachsen <strong>der</strong><br />
sexuelle Mißbrauch nach §§ 174, 176 StGB e<strong>in</strong>geschlossen (vgl. § 2<br />
Nr. 9 Nie<strong>der</strong>sächsisches Gefahrenabwehrgesetz), während <strong>in</strong> Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen<br />
diese Delikte nicht im Katalog <strong>der</strong> Straftaten von<br />
erheblicher Bedeutung aufgeführt s<strong>in</strong>d (vgl. § 8 Abs. 3 Polizeigesetz<br />
NW).<br />
6. Da es ke<strong>in</strong>e klare bundesrechtliche Def<strong>in</strong>ition dessen gibt, was<br />
als „Straftat von erheblicher Bedeutung“ anzusehen ist, ist die<br />
Vorschrift des § 73 Abs. 1 SGB X (neu) verfassungsrechtlich<br />
zum<strong>in</strong>dest bedenklich. Nach dem Volkszählungsurteil des Bundes-<br />
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