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Rechtsfragen in der Beratung - Bundeskonferenz für ...

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Beschlagnahme von Sozialdaten<br />

Urteil des Bundesgerichtshofes<br />

vom 18. März 1992 *<br />

Behördenakten können beschlagnahmt werden, wenn die oberste<br />

Dienstbehörde ke<strong>in</strong>e Sperrerklärung abgibt.<br />

Der Beschlagnahmeantrag ist zulässig (§§ 98 Abs. 1, 162 Abs. 1,<br />

169 Abs. 1 Satz 2 StPO) und begründet. Der Anordnung e<strong>in</strong>er<br />

Beschlagnahme steht <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e nicht <strong>der</strong> Umstand entgegen,<br />

daß sich die betreffenen Unterlagen im Gewahrsam e<strong>in</strong>er Behörde,<br />

nämlich des Hessischen Landesamtes <strong>für</strong> Verfassungsschutz, bef<strong>in</strong>den.<br />

(...)<br />

1. Die Frage, ob Akten o<strong>der</strong> sonstige <strong>in</strong> amtlicher Verwahrung<br />

bef<strong>in</strong>dliche Schriftstücke grundsätzlich beschlagnahmt werden<br />

dürfen, ist <strong>in</strong> Rechtssprechung und Literatur umstritten und<br />

höchstrichterlich bisher nicht geklärt. (...)<br />

2. Der Beschlagnahme unterliegen nach <strong>der</strong> zentralen Bestimmung<br />

des § 94 Abs. 1 und 2 StPO generell alle Gegenstände,<br />

die als Beweismittel <strong>für</strong> die Untersuchung von Bedeutung se<strong>in</strong><br />

können und vom Gewahrsams<strong>in</strong>haber nicht freiwillig herausgegeben<br />

werden. Ausnahmen können sich im E<strong>in</strong>zelfall aus den<br />

§§ 96, 97 StPO, aus verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten<br />

(z.B. Art. 10 GG i.V.m. § 99 StPO), aus dem Gebot <strong>der</strong><br />

Verhältnismäßigkeit o<strong>der</strong> aus speziellen Vorschriften an<strong>der</strong>er<br />

Gesetze (z.B. § 30 AO, § 35 SGB-AT) ergeben. (...)<br />

3. Aus § 96 StPO läßt sich e<strong>in</strong> allgeme<strong>in</strong>es und ausnahmsloses<br />

Beschlagnahmeverbot <strong>für</strong> Behördenakten nicht herleiten. (...)<br />

4. Entscheidend <strong>für</strong> die Frage <strong>der</strong> Zulässigkeit <strong>der</strong> Beschlagnahme<br />

von Behördenakten ist letztlich das verfassungsrechtliche Pr<strong>in</strong>zip<br />

<strong>der</strong> Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG). Es steht e<strong>in</strong>er<br />

Zwangsmaßnahme nicht entgegen; vielmehr gebietet es sie als<br />

letztes Mittel zur Erfüllung <strong>der</strong> <strong>der</strong> Rechtssprechung übertragenen<br />

Aufgaben. (...)<br />

5. Im übrigen betrifft die Frage nach <strong>der</strong> Zulässigkeit <strong>der</strong> Beschlagnahme<br />

ke<strong>in</strong>eswegs nur die <strong>in</strong> § 96 StPO erwähnten Akten und<br />

Schriftstücke. Sie stellt sich ebenso bei sonstigen amtlich<br />

verwahrten Gegenständen, die als Beweismittel <strong>in</strong> Betracht<br />

kommen und den Strafverfolgungsbehörden nicht mittels Sperr-<br />

278<br />

erklärung vorenthalten werden können. Für solche Beweismittel<br />

kann we<strong>der</strong> aus <strong>der</strong> Spezialvorschrift des § 96 StPO noch, wie<br />

dargelegt, aus verfassungsrechtlichen Bestimmungen etwas<br />

hergeleitet werden, was gegen die Statthaftigkeit <strong>der</strong> Beschlagnahme<br />

spricht. (...)<br />

6. Ist mith<strong>in</strong> § 96 StPO aufgrund se<strong>in</strong>er Stellung im Gesetz und<br />

se<strong>in</strong>es Regelungsgehalts als e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e Ausnahmevorschrift<br />

des Rechts <strong>der</strong> Beschlagnahme anzusehen und stehen<br />

übergeordnete rechtliche Gesichtspunkte, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e solche<br />

des Verfassungsrechts, e<strong>in</strong>er gerichtlichen Beschlagnahme von<br />

Gegenständen <strong>in</strong> amtlicher Verwahrung nicht entgegen, so<br />

verbleibt es auch <strong>für</strong> diese Beweismittel bei <strong>der</strong> Zulässigkeit<br />

e<strong>in</strong>er Beschlagnahme nach den allgeme<strong>in</strong>en Regeln; <strong>der</strong> Gegenstand<br />

darf beschlagnahmt werden, wenn er als Beweismittel <strong>für</strong><br />

die Untersuchung von Bedeutung se<strong>in</strong> kann und nicht freiwillig<br />

herausgegeben wird (§ 94 Abs. 1 u. 2 StPO). Soweit – bei Akten<br />

und sonstigen Schriftstücken – e<strong>in</strong>e wirksame Sperrerklärung<br />

vorliegt, verbietet § 96 StPO nicht nur das Herausgabeverlangen,<br />

son<strong>der</strong>n ebenso die Beschlagnahme, weil nur auf diese<br />

Weise <strong>der</strong> Schutz <strong>der</strong> dort genannten Rechtsgüter gewährleistet<br />

ist. Insofern unterscheidet sich die sachbezogene E<strong>in</strong>schränkung<br />

<strong>der</strong> Herausgabepflicht nach § 96 StPO wesentlich von <strong>der</strong><br />

personenbezogenen E<strong>in</strong>schränkung des § 95 Abs. 2 Satz 2<br />

StPO, <strong>der</strong> die Möglichkeit <strong>der</strong> Beschlagnahme unberührt läßt.<br />

(...)<br />

Anmerkungen<br />

* Zitiert nach: Juristenzeitung, Heft 7/1993, S. 365 – 370.<br />

Urteil des Landgerichts Braunschweig<br />

vom 13. Juni 1986 *<br />

E<strong>in</strong>e Beschlagnahmeanordnung im Ermittlungsverfahren ist nur<br />

erlaubt, soweit nicht <strong>der</strong> Schutzbereich von Sozialgeheimnissen<br />

angegriffen wird.<br />

Der Schutz des Sozialgeheimnisses aus § 35 SGB I steht e<strong>in</strong>er<br />

gerichtlichen Beschlagnahmeanordnung gem. §§ 98, 94 StPO<br />

entgegen. Der Beschlagnahmebeschluß des AG Goslar mußte<br />

aufgehoben werden.<br />

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