Rechtsfragen in der Beratung - Bundeskonferenz für ...
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Das Subsidiaritätspr<strong>in</strong>zip <strong>in</strong> <strong>der</strong> Jugendhilfe<br />
Urteil des Bundesverfassungsgerichts<br />
vom 18. Juli 1967 *<br />
Nach dem Jugendwohlfahrtsgesetz ist es Aufgabe des Jugendamtes,<br />
die <strong>für</strong> die Wohlfahrt <strong>der</strong> Jugend erfor<strong>der</strong>lichen E<strong>in</strong>richtungen<br />
und Veranstaltungen anzuregen, zu för<strong>der</strong>n und gegebenenfalls zu<br />
schaffen (§ 5 Abs. 1 JWG). Es hat unter Berücksichtigung <strong>der</strong><br />
verschiedenen Grundrichtungen <strong>der</strong> Erziehung darauf h<strong>in</strong>zuwirken,<br />
daß die <strong>für</strong> die Wohlfahrt <strong>der</strong> Jugend erfor<strong>der</strong>lichen E<strong>in</strong>richtungen<br />
und Veranstaltungen ausreichend zur Verfügung stehen. Soweit<br />
geeignete E<strong>in</strong>richtungen und Veranstaltungen <strong>der</strong> Träger <strong>der</strong> freien<br />
Jugendhilfe vorhanden s<strong>in</strong>d, erweitert o<strong>der</strong> geschaffen werden, ist<br />
von eigenen E<strong>in</strong>richtungen und Veranstaltungen des Jugendamtes<br />
abzusehen (§ 5 Abs. 3 Satz 1 und 2 JWG). Das Jugendamt muß aber<br />
dann, wenn Personensorgeberechtigte die vorhandenen Träger <strong>der</strong><br />
freien Jugendhilfe nicht <strong>in</strong> Anspruch nehmen wollen, weil diese <strong>der</strong><br />
von ihnen bestimmten Grundrichtung <strong>der</strong> Erziehung (§ 3) – z.B. <strong>in</strong><br />
konfessioneller H<strong>in</strong>sicht – nicht entsprechen, da<strong>für</strong> sorgen, daß die<br />
erfor<strong>der</strong>lichen E<strong>in</strong>richtungen geschaffen werden (§ 5 Abs. 3 Satz 3<br />
JWG).<br />
Daraus ergibt sich folgendes: Das Jugendamt muß zunächst<br />
prüfen, welche E<strong>in</strong>richtungen und Veranstaltungen <strong>für</strong> die Wohlfahrt<br />
<strong>der</strong> Jugend nach den örtlichen Verhältnissen erfor<strong>der</strong>lich s<strong>in</strong>d<br />
und ob sie ausreichend zur Verfügung stehen. Das Jugendamt soll<br />
aber nur dann selbst E<strong>in</strong>richtungen schaffen und Veranstaltungen<br />
vorsehen, wenn se<strong>in</strong>e Anregungen und För<strong>der</strong>maßnahmen bei den<br />
Trägern <strong>der</strong> freien Jugendhilfe nicht zum Ziel führen; letzteres ist<br />
auch dann <strong>der</strong> Fall, wenn <strong>der</strong> freie Träger ke<strong>in</strong>e angemessene<br />
Eigenleistung aufbr<strong>in</strong>gen kann o<strong>der</strong> wenn die E<strong>in</strong>richtung des freien<br />
Trägers deshalb <strong>für</strong> die örtlichen Bedürfnisse nicht als ausreichend<br />
angesehen werden kann, weil sie z.B. von e<strong>in</strong>em Bekenntnis<br />
geprägt ist, dem <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de nur e<strong>in</strong>e M<strong>in</strong><strong>der</strong>heit angehört. Es<br />
kann aber nicht angenommen werden, daß e<strong>in</strong> Gesetz, das<br />
öffentliche und private Jugendhilfe zu s<strong>in</strong>nvoller Zusammenarbeit<br />
zusammenführen will, die Geme<strong>in</strong>den und Geme<strong>in</strong>deverbände als<br />
Träger <strong>der</strong> Jugendämter durch die Vorschrift des § 5 Abs. 3 Satz 2<br />
JWG zw<strong>in</strong>gen will, bereits vorhandene öffentliche E<strong>in</strong>richtungen zu<br />
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schließen. Wo geeignete E<strong>in</strong>richtungen <strong>der</strong> Jugendämter ausreichend<br />
zur Verfügung stehen, kann von ihnen we<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e För<strong>der</strong>ung<br />
neuer E<strong>in</strong>richtungen <strong>der</strong> Träger <strong>der</strong> freien Jugendhilfe verlangt<br />
werden noch e<strong>in</strong>e Schließung bereits vorhandener öffentlicher<br />
E<strong>in</strong>richtungen zugunsten freier E<strong>in</strong>richtungen, die erst noch neu<br />
geschaffen werden müßten. Derselbe Grundsatz des s<strong>in</strong>nvollen<br />
E<strong>in</strong>satzes f<strong>in</strong>anzieller Mittel und <strong>der</strong> Zusammenarbeit verbietet es<br />
aber auch, von den Geme<strong>in</strong>den zu verlangen, daß sie von e<strong>in</strong>em mit<br />
bescheidenen Mitteln möglichen Ausbau vorhandener eigener<br />
E<strong>in</strong>richtungen absehen und statt dessen mit erheblich höherem<br />
Aufwand die Schaffung e<strong>in</strong>er neuen E<strong>in</strong>richtung e<strong>in</strong>es Trägers <strong>der</strong><br />
freien Jugendhilfe för<strong>der</strong>n. Umgekehrt soll das Jugendamt dort, wo<br />
geeignete E<strong>in</strong>richtungen <strong>der</strong> Träger <strong>der</strong> freien Jugendhilfe bereits<br />
vorhanden s<strong>in</strong>d, die schon alle<strong>in</strong> gewährleisten, daß die <strong>für</strong> die<br />
Wohlfahrt <strong>der</strong> Jugend erfor<strong>der</strong>lichen E<strong>in</strong>richtungen ausreichend zur<br />
Verfügung stehen, ke<strong>in</strong>e Mittel <strong>für</strong> die Schaffung eigener E<strong>in</strong>richtungen<br />
e<strong>in</strong>setzen, son<strong>der</strong>n vielmehr se<strong>in</strong>e Mittel <strong>für</strong> die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />
freien E<strong>in</strong>richtungen verwenden (§ 5 Abs. 1, § 7, § 8 JWG). Mit <strong>der</strong><br />
Verwendung <strong>der</strong> unbestimmten Rechtsbegriffe „erfor<strong>der</strong>lich”, „ausreichend“<br />
und „geeignet“ will <strong>der</strong> Gesetzgeber sicherstellen, daß<br />
E<strong>in</strong>richtungen und Veranstaltungen <strong>für</strong> die Wohlfahrt <strong>der</strong> Jugend <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>er den jeweiligen örtlichen Gegebenheiten angepaßten Weise<br />
und unter wirtschaftlich s<strong>in</strong>nvollem E<strong>in</strong>satz öffentlicher und privater<br />
Mittel bereitgestellt werden. Die Gesamtverantwortung da<strong>für</strong>,<br />
daß dieses Ziel des Gesetzes erreicht wird, trägt nach § 5 Abs. 1<br />
JWG das Jugendamt.<br />
(S. 200-202)<br />
Nach <strong>der</strong> unter Ziff. 1 dargelegten Auslegung ist <strong>der</strong> Zweck <strong>der</strong><br />
Bestimmungen die Erzielung des bestmöglichen Erfolgs durch<br />
Koord<strong>in</strong>ierung öffentlicher und privater Anstrengungen. Normadressaten<br />
s<strong>in</strong>d jeweils nur die Träger <strong>der</strong> – öffentlichen –<br />
Sozialhilfe und <strong>der</strong> öffentlichen Jugendhilfe, also auf örtlicher Ebene<br />
die kreisfreien Städte und die Landkreise. Nur ihnen werden von dem<br />
Gesetz Pflichten auferlegt. Die Tätigkeit <strong>der</strong> Träger <strong>der</strong> freien<br />
Jugendhilfe und Wohlfahrtspflege wird vom Gesetz überhaupt nicht<br />
„geregelt”; sie s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gestaltung ihrer Arbeit völlig frei (vgl. § 7<br />
JWG und § 10 Abs. 1 BSHG). Das Recht <strong>der</strong> öffentlichen Fürsorge<br />
umfaßt nicht nur die Bestimmung dessen, was an materiellen<br />
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