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Rechtsfragen in der Beratung - Bundeskonferenz für ...

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Schweigepflicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Supervision<br />

Urteil des Bay. Obersten Landesgerichts<br />

vom 8. November 1994 *<br />

Auch die Offenbarung e<strong>in</strong>es Geheimnisses gegenüber e<strong>in</strong>em selbst<br />

Schweigepflichtigen erfüllt den Tatbestand des § 203 Abs. 1 StGB.<br />

Der Angeklagte, von Beruf Diplom-Psychologe, war als Therapeut,<br />

zuletzt als Erziehungsleiter, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Heim angestellt, <strong>in</strong> dem<br />

psychisch gestörte, schwer erziehbare Jugendliche betreut wurden.<br />

Im April 1991 übernahm er die Therapie <strong>der</strong> „<strong>in</strong>zwischen“ 21 Jahre<br />

alten Zeug<strong>in</strong> C. Diese wies Bor<strong>der</strong>l<strong>in</strong>e-Persönlichkeitsstörungen,<br />

ger<strong>in</strong>ge Belastbarkeit und starke affektive Impulsivität auf. Unter<br />

Druck und Spannungen kam es zu autoaggressiven Handlungen,<br />

z.B. brachte sie sich Ritze o<strong>der</strong> Schnitte im Bereich <strong>der</strong> Unterarme<br />

bei, äußerte auch Selbstmordgedanken, denen im Jahre 1991<br />

e<strong>in</strong>mal entsprechende Handlungen folgten. Der Angeklagte kam zu<br />

<strong>der</strong> Ansicht, Ursache dieser psychischen Störungen seien „sexuelle<br />

Mißbrauchserfahrungen“, wenngleich diese Symptome gelegentlich<br />

auch an<strong>der</strong>e Ursachen hätten. Etwa im Juli 1991 verließ die<br />

Zeug<strong>in</strong> das Heim und wechselte <strong>in</strong> das sogenannte außenbetreute<br />

Wohnen. Sie wurde aber weiterh<strong>in</strong> als Patient<strong>in</strong> des Angeklagten<br />

psychotherapeutisch und pädagogisch durch das Heim betreut.<br />

Am 2.2.1993 eröffnete die Zeug<strong>in</strong> dem Angeklagten bei e<strong>in</strong>er von<br />

ihr erbetenen außerplanmäßigen Unterredung – nachdem sie ihn<br />

zuvor gefragt hatte, ob er zur Verschwiegenheit verpflichtet sei –,<br />

daß sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zeit se<strong>in</strong>es Urlaubs sexuelle Beziehungen zum<br />

Heimleiter, <strong>der</strong> sie <strong>in</strong> dieser Zeit betreut hatte, aufgenommen habe.<br />

Der Angeklagte war <strong>der</strong> Me<strong>in</strong>ung, diese Beziehungen könnten<br />

schwerste psychische Störungen zur Folge haben, auch Suizidgefahr<br />

hielt er <strong>für</strong> nicht ausschließbar. Zudem erschien es ihm<br />

unerträglich, daß dem Heim e<strong>in</strong> Leiter vorstand, <strong>der</strong> selbst sexuelle<br />

Kontakte zu den Schutzbefohlenen aufnahm. Am 9.2.1993 trug <strong>der</strong><br />

Angeklagte den Fall <strong>der</strong> Supervision vor, e<strong>in</strong>em Gremium von<br />

Therapeuten des Heimes, dem er selbst und zwei Diplom-Pädagogen<br />

angehörten, die ebenso wie er selbst zur Verschwiegenheit<br />

verpflichtet waren.<br />

Das Amtsgericht verurteilte den Angeklagten wegen Verletzung<br />

von Privatgeheimnissen (§ 203 Abs. 1 Nr. 2 StGB) zur Geldstrafe<br />

228<br />

von 75 Tagessätzen zu 50.- DM. Das Landgericht sprach ihn auf<br />

se<strong>in</strong>e Berufung h<strong>in</strong> frei. Mit <strong>der</strong> Revision rügte die Staatsanwaltschaft<br />

die Verletzung des sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel hatte<br />

Erfolg.<br />

Das Landgericht hat angenommen, <strong>der</strong> Angeklagte habe zum<br />

Teil nicht unbefugt, zum Teil jedenfalls <strong>in</strong> nicht vermeidbarem<br />

Verbotsirrtum gehandelt. Diese Annahme f<strong>in</strong>det jedoch <strong>in</strong> den<br />

Urteilsgründen ke<strong>in</strong>e Stütze.<br />

1. Daß <strong>der</strong> Angeklagte mit <strong>der</strong> Weitergabe des ihm <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />

Eigenschaft als Diplom-Psychologe und Therapeut von <strong>der</strong> Zeug<strong>in</strong><br />

C. Anvertrauten e<strong>in</strong> fremdes, zum persönlichen Lebensbereich <strong>der</strong><br />

Zeug<strong>in</strong> gehörendes Geheimnis offenbart hat i.S. v. § 203 Abs. 1 Nr.<br />

2 StGB, ist so offensichtlich, daß es ke<strong>in</strong>er näheren Erörterung<br />

bedarf. Lediglich auf die Frage, ob <strong>der</strong> Tatbestand deshalb nicht<br />

erfüllt ist, weil die Mitteilungsempfänger ebenfalls zum Schweigen<br />

verpflichtet waren, ist im H<strong>in</strong>blick auf die Darlegungen <strong>der</strong> Verteidigung<br />

e<strong>in</strong>zugehen. Diese Frage ist zu verne<strong>in</strong>en.<br />

Ke<strong>in</strong>es <strong>der</strong> Merkmale des objektiven Tatbestandes des § 203<br />

Abs. 1 Nr. 2 StGB wird dadurch ausgeschlossen, daß <strong>der</strong> Empfänger<br />

<strong>der</strong> Mitteilung se<strong>in</strong>erseits schweigepflichtig ist. Dies gilt <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

<strong>für</strong> das Merkmal „offenbart“. Unter Offenbaren ist jede<br />

Mitteilung über die geheimzuhaltende Tatsache an e<strong>in</strong>en Dritten zu<br />

verstehen, <strong>der</strong> das Geheimnis noch nicht o<strong>der</strong> noch nicht sicher<br />

kennt (Lackner StGB 20. Auflage., § 203 Rdnr. 17; Dreher/Tröndle<br />

StGB 46. Auflage, § 203 Rdnr. 26 m.w.N.). Es versteht sich von<br />

selbst, daß von dieser Def<strong>in</strong>ition auch die Weitergabe des Geheimnisses<br />

an e<strong>in</strong>en Schweigepflichtigen erfaßt wird. Angesichts <strong>der</strong><br />

nicht e<strong>in</strong>grenzbaren Vielzahl von Personen, die e<strong>in</strong>er Schweigepflicht<br />

unterworfen s<strong>in</strong>d, wäre im übrigen <strong>der</strong> Schutz des § 203<br />

StGB illusorisch, wollte man die Mitteilung an jede von ihnen als<br />

nicht tatbestandsmäßig ansehen. In <strong>der</strong> Literatur besteht demzufolge<br />

E<strong>in</strong>igkeit darüber, daß es <strong>für</strong> die Erfüllung des Tatbestandes<br />

des § 203 StGB unerheblich ist, ob <strong>der</strong> Empfänger <strong>der</strong> Mitteilung<br />

se<strong>in</strong>erseits schweigepflichtig ist, sofern er nur außerhalb des<br />

Kreises steht, dem das Geheimnis bisher schon zugänglich war (vgl.<br />

statt vieler LK/Jähnke StGB 10. Auflage, § 203 Rdnr. 40; Lackner<br />

a.a.O.; Dreher/Tröndle a.a.O.; Schönke/Schrö<strong>der</strong>/Lencker StGB 24.<br />

Auflage, § 203 Rdnr. 19; speziell zur Schweigepflicht des Berufspsychologen:<br />

Kühne NJW 1977, 1478/1482). In <strong>der</strong> Rechtssprechung<br />

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