Rechtsfragen in der Beratung - Bundeskonferenz für ...
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Gerichtsurteile Stellung von Pflegeeltern<br />
Regelungen im Bereich des Art. 6 Abs. 2 GG <strong>in</strong> gleicher Weise wie<br />
bei Entscheidungen des Gesetzgebers zu beachten, daß das Wohl<br />
des K<strong>in</strong>des letztlich bestimmend se<strong>in</strong> muß (vgl. BVerfGE 68, 176<br />
[188]).<br />
Das Verhältnis des Elternrechts zum Persönlichkeitsrecht des<br />
K<strong>in</strong>des wird durch die beson<strong>der</strong>e Struktur des Elternrechts geprägt.<br />
Dieses ist wesentlich e<strong>in</strong> Recht im Interesse des K<strong>in</strong>des, wie sich<br />
schon aus dem Wortlaut des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG ergibt, <strong>der</strong> vom<br />
Recht zur Pflege und Erziehung des K<strong>in</strong>des spricht und auf diese<br />
Weise das K<strong>in</strong>des<strong>in</strong>teresse <strong>in</strong> das Elternrecht e<strong>in</strong>fügt (vgl. BVerfGE<br />
59, 360 [382]). Es entspricht auch grundsätzlich dem K<strong>in</strong>deswohl,<br />
wenn sich e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>der</strong> Obhut se<strong>in</strong>er Eltern bef<strong>in</strong>det; denn die<br />
Erziehung und Betreuung e<strong>in</strong>es m<strong>in</strong><strong>der</strong>jährigen K<strong>in</strong>des durch<br />
Mutter und Vater <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er harmonischen Geme<strong>in</strong>schaft<br />
gewährleistet am ehesten, daß das K<strong>in</strong>d zu e<strong>in</strong>er eigenverantwortlichen<br />
Persönlichkeit heranwächst (vgl. BVerfGE 56, 363 [395]).<br />
Dieser Idealzustand ist aber nicht immer gegeben und liegt dann<br />
nicht vor, wenn K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Pflegefamilie aufwachsen. Dabei<br />
kann die Begründung des Pflegeverhältnisses auf e<strong>in</strong>em freiwilligen<br />
Entschluß <strong>der</strong> Eltern o<strong>der</strong> des alle<strong>in</strong> sorgeberechtigten Elternteils<br />
beruhen; häufig wird es jedoch behördlich angeordnet se<strong>in</strong>.<br />
Unabhängig von <strong>der</strong> Art ihres Zustandekommens ist <strong>in</strong> Übere<strong>in</strong>stimmung<br />
mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG anzustreben, Pflegeverhältnisse<br />
nicht so zu verfestigen, daß die leiblichen Eltern mit <strong>der</strong> Weggabe <strong>in</strong><br />
nahezu jedem Fall den dauernden Verbleib des K<strong>in</strong>des <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Pflegefamilie be<strong>für</strong>chten müssen. Das schließt <strong>in</strong>dessen nicht aus,<br />
daß § 1632 Abs. 4 BGB selbst Entscheidungen ermöglichen muß, die<br />
aus <strong>der</strong> Sicht <strong>der</strong> Eltern nicht akzeptabel s<strong>in</strong>d, weil sie sich <strong>in</strong> ihrem<br />
Elternrecht bee<strong>in</strong>trächtigt fühlen (vgl. BVerfGE 68, 176 [189 f.]).<br />
(S. 218f.)<br />
Bei <strong>der</strong> Abwägung zwischen Elternrecht und K<strong>in</strong>deswohl im Rahmen<br />
von Entscheidungen nach § 1632 Abs. 4 BGB ist es <strong>in</strong>dessen<br />
von Bedeutung, ob das K<strong>in</strong>d wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e Familie zurückkehren<br />
soll o<strong>der</strong> ob nur e<strong>in</strong> Wechsel <strong>der</strong> Pflegefamilie beabsichtigt ist.<br />
Danach bestimmt sich das Maß <strong>der</strong> Unsicherheit über mögliche<br />
Bee<strong>in</strong>trächtigungen des K<strong>in</strong>des, das unter Berücksichtigung se<strong>in</strong>er<br />
Grundrechtsposition h<strong>in</strong>nehmbar ist. Die Risikogrenze ist generell<br />
weiter zu ziehen, wenn die leiblichen Eltern o<strong>der</strong> e<strong>in</strong> Elternteil<br />
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wie<strong>der</strong> selbst die Pflege des K<strong>in</strong>des übernehmen wollen. E<strong>in</strong>e<br />
an<strong>der</strong>e Ausgangslage ist aber dann gegeben, wenn das K<strong>in</strong>d nicht<br />
<strong>in</strong> den Haushalt von Vater und Mutter aufgenommen werden soll,<br />
son<strong>der</strong>n lediglich se<strong>in</strong>e Unterbr<strong>in</strong>gung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e neue Pflegefamilie<br />
bezweckt wird, ohne daß da<strong>für</strong> wichtige, das Wohl des K<strong>in</strong>des<br />
betreffende Gründe sprechen. Die Durchsetzung des Personensorgerechts<br />
nach § 1631 Abs. 1 BGB <strong>in</strong> <strong>der</strong> Form des Aufenthaltsbestimmungsrechts<br />
ist <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em solchen Fall mit Art. 2 Abs. 1 <strong>in</strong><br />
Verb<strong>in</strong>dung mit Art. 1 Abs. 1 GG nur vere<strong>in</strong>bar, wenn mit h<strong>in</strong>reichen<strong>der</strong><br />
Sicherheit auszuschließen ist, daß die Trennung des K<strong>in</strong>des von<br />
se<strong>in</strong>en Pflegeeltern mit psychischen o<strong>der</strong> physischen Schädigungen<br />
verbunden se<strong>in</strong> kann.<br />
(S. 220)<br />
Anmerkung<br />
* Veröffentlicht <strong>in</strong> den Entscheidugen des Bundesverfassungsgerichts, 75. Band,<br />
S. 201 – 223.<br />
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