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An der blauen Donau - Die Freiheitlichen in Wien

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1956–1990

die inhaltlichen Schwerpunkte. Weil die Bundespartei

ihn verhindert hatte, wollte er mich zum

Obmann wählen lassen. Ich wollte bis 1977 warten,

dies nützte die alte Garde mit allen Mitteln,

um mich zu verhindern. Sie fürchtete auch im

Bund den Machtverlust, so entstand eine Spaltung

der Wiener Partei.

Ihre erste Wahl als Wiener Obmann im Jahr 1979

brachte der FPÖ leichte Verluste, vor allem, weil man mit

den Sozialisten einen übermächtigen Gegner hatte, aber

auch die ÖVP deutlich dazu gewinnen konnte. Warum

war das so?

Steger: Nach meiner Erinnerung haben

wir 1979 die NR-Wahl gewonnen, von 5,4 auf

6,0 Prozent. Ein Umbruch in den Generationen

– noch dazu, wenn die alten Amtsträger nicht

ziehen, weil sie um ihre eigenen Ämter fürchten

müssen – geht nie ohne Reibungsverluste ab.

Ohne die Erneuerung durch Dr. Alexander

Götz als neuer Bundesparteiobmann

und unsere junge Gruppe wäre die

Partei damals nicht erfolgreich gewesen,

denn sie war zu verknöchert, um neue

Anhänger zu finden. Die Mandate im

Nationalrat blieben gleich. Alle Präsidiumsmitglieder

waren zwanzig Jahre im

Amt, wir wollten Götz. Der Bürgermeister

in Wien war davor ein SP-Erbhof.

Im Wahlkampf 1979 versetzte uns Götz

aber in Schockstarre: „Der Kreisky hat

Pappe im Hirn“, meinte er, und: „Der

schönste Platz in Wien ist der Südbahnhof,

da kann ich nach Graz fahren…“

Das war nicht gut bei den Wiener Wählern

zu verkaufen. Ich wurde von vielen

gebeten, das Verhältnis zum Bundeskanzler

zu normalisieren, damit die FP in beide

Richtungen aktionsfähig bliebe. Dies gelang

leider erst nach dem Götz-Abgang.

Generell pendelte die FPÖ ja nicht nur in Wien, sondern

auch im Bund seit ihrer Gründung zwischen fünf

und sechs Prozent, die schon vorhin erwähnte Übermacht

von Rot und Schwarz war zu groß, um stärker zu reüssieren.

Wie konnte man dennoch mit einer vermeintlich so

kleinen Partei gute Arbeit in Wien, aber auch im Bund

leisten?

Steger: Das Symbol der FPÖ war wegen des

Kampfes gegen den Proporz der Keil – mit dem

„F“. Wegen dieses Kampfes waren die meisten

zur FPÖ gekommen, weil sie die Diskriminierung

nicht mehr akzeptieren wollten. Bei Vorstellungsgesprächen

hatte man ein Bekenntnis

zu Schwarz oder Rot abzugeben! Damit war klar,

dass Proporz-Karrieristen für die FP nie erreichbar

waren. Auch ich wurde bei meinen ersten

Vorstellungsgesprächen nach „meiner“ Parteizugehörigkeit

– sowohl im ORF als auch in einer

Bank - gefragt. Widerlich! Um diesen Kampf erfolgreich

zu führen, musste die FP Macht gewinnen

– allerdings, ohne wie die anderen zu agieren.

Deswegen die Angriffe auf die FPÖ, wenn ein

Blauer etwas wird.

Ein Umbruch in den

Generationen – noch dazu

wenn die alten Amtsträger

nicht ziehen, weil sie um ihre

eigenen Ämter fürchten müssen

– geht nie ohne Reibungsverluste

ab.

Wenn Sie auf Ihre mehr als zehn Jahre als Obmann

der Wiener Freiheitlichen zurückblicken, wo waren denn

Ihre persönlichen Höhepunkte, aber auch Tiefpunkte?

Oder anders formuliert: Was waren denn die wesentlichen

Wegmarken in dieser Ära der Wiener

FPÖ?

Steger: Es ist gelungen, zu anderen Parteien

gute Kontakte aufzubauen, um die ständige berufliche

Benachteiligung Freiheitlicher etwa bei

öffentlichen Vergaben abzubauen. Die Wiener

Partei hat die Führung der Bundespartei übernommen

und setzte Themen:

Es gab die erste freiheitliche Regierungsbeteiligung

und damit die Beendigung der „2. Klasse-Menschen“.

Es kam zur Energiewende durch

die Verhinderung der Atomenergie – noch 1986

versuchte die ÖVP mit den Sozialpartnern, das

Atomsperrgesetz im Parlament aufheben zu lassen,

schaffte aber wegen meines persönlichen

Widerstands nicht die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit

.

Wir erreichten die Gründung der Volksanwaltschaft

mit Vertretern aller drei stärksten

Fraktionen im Parlament, Dazu die formelle

Beendigung des 2. Weltkrieges und die Heimholung

des letzten Kriegsgefangenen, dann

etwa die Aufnahme in den Förderkatalog von

FPÖ-nahen Vereinen, wie dem ÖTB, und von

Publikationen.

Oder wir erreichten den Ausbau der Marktwirtschaft

mit der neuen Gewerbeordnung, der

Beseitigung von Preisregelungen, des weiteren

ein neues Weingesetz als Basis zum Aufstieg

des österreichischen Weines an die Weltspitze.

Auch die Gründung von gut finanzierten poli-

101

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