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An der blauen Donau - Die Freiheitlichen in Wien

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1956–1990

Im Jahr 1983 kam es unter der Obmannschaft von

Norbert Steger zum Tiefpunkt für die FPÖ in Wien

– es gab nur mehr zwei Abgeordnete. Worauf war das

zurückzuführen?

Hirnschall: Das war darauf zurückzuführen,

dass wir natürlich massiv mitgelitten haben in Wien

– mit der Entwicklung der FPÖ auf Bundesebene.

Die Umfragen waren zum Schluss dann schon unter

5 % und wir haben uns wirkliche Sorgen machen

müssen, dass wir die 5 % Hürde im Jahre 1983

nochmal überspringen. Es war am selben Tag Wahltag,

also konnte man – Wahltag Nationalrat und

Gemeinderat – davon ausgehen, dass der Wähler

zwei Stimmzettel abgibt oder genauer gesagt drei,

auch die Bezirksvertretung. Wir haben schon überlegt,

ob es nicht gescheiter wäre, im Wahlkampf, in

der Werbung, die Wähler darauf hinzuweisen, dass

man unterschiedlich wählen kann. Dass man nicht

unbedingt für den Gemeinderat dasselbe wählen

muss wie für den Nationalrat. Dann haben

wir aber aus Solidarität gesagt, dass

kann man doch nicht machen – es ist ja

der nächste Konflikt bereits dadurch vorprogrammiert.

Sie galten während ihrer politischen Tätigkeit

eher als ein Vertreter des liberalen Flügels

der FPÖ – war das ein leichter Weg für Sie?

Hirnschall: Es hat innerparteilich

manchmal Probleme gegeben. Ich

habe mich immer als Nationalliberaler

gefühlt. Ich hab‘ doch auch immer im

Auge gehabt, was seit je her von der

national freiheitlichen Bewegung oder

der jeweiligen Partei in der 1. und in der

2. Republik als notwendig und richtig

angesehen wurde. Aber ich hab‘ immer

mich bemüht, in der Auseinandersetzung mit den

anderen Parteien oder mit dem Auftreten in der

Öffentlichkeit eine vernünftige, liberale Linie zu

gehen. Und hier einen Weg zu gehen – um den

Weg zu erklären – in der Art und Weise, wie er

akzeptabel war – für viele, die auch außerhalb unseres

Lagers gestanden sind.

War und ist es nicht noch immer ein Problem der

FPÖ, dass die beiden Flügel zueinander finden? Birgt das

noch immer innerparteilichen Sprengstoff?

Hirnschall: Es war in den 1950er, 1960er

Jahren schwer möglich manchmal. Es müsste

eigentlich heute (Das Interview wurde 2008 geführt,

Anm. d. Red.) kein so ein Problem mehr

sein. Weil jetzt, ideologisch gesehen, diese Lager

in ihrer Stärke – in Relation zur Wählerschaft –

eher nicht mehr so vorhanden sind, wie sie es damals

waren. Wir haben eher heute das Problem,

dass ein Großteil der Wähler ideologisch weder

in der einen noch in der anderen Richtung geprägt

ist. Sondern halt nach momentaner Befindlichkeit

– sicher auch entsprechend der Personen,

die angeboten wurden oder werden von den Parteien

– seine Entscheidungen trifft, aber die Rolle

der Flügel ist heutzutage nicht mehr so gegeben,

wie es damals war.

Wie stand die FPÖ damals zur EU bzw. zu der

Gründung der EU?

Hirnschall: Wir haben damals – in der heutigen

Zeit mag das wirklich eine Frage sein, die

auf der Hand liegt – wir haben damals als erste

und lange Zeit als einzige Partei das vereinte Europa

im Programm gehabt. Das war ein Beitrag,

den unser damaliger Außenpolitiker Dr. Wilfried

Gredler – der auch österreichischer Vertreter

beim Europarat war – eingebracht hat ins Programm.

Und dieser Programmpunkt – ein vereintes

Europa anzustreben und in weiterer Folge

den Anschluss an die europäische Gemeinschaft

Ich würde das damals

im Jahr 1955 noch nicht als

Aufbruchsstimmung bezeichnen.

Aber es gab eine realistische

Hoffnung, und wir hatten

den festen Willen, es zu

probieren.

zu suchen –, der war eigentlich unstrittig. Die

ganzen Jahre unstrittig! Selbst von Jörg Haider

war das in der damaligen Zeit eine Forderung, die

er immer wieder auch im Parlament gestellt hat,

bis in die 1990er-Jahre hinein. Wir haben also dieses

vereinte Europa angestrebt, weil wir nach den

Erfahrungen – Kriegs- und Nachkriegszeit und

auch damals angesichts der Zweiteilung Europas

in Ost und West – keine andere Alternative gesehen

haben für die Zukunft. Natürlich haben wir

uns in weiterer Folge sicherlich vorgestellt, dass

Österreich in einem solchen politischen Gebilde

– EG hat es damals noch geheißen – eine stärkere

Handschrift hinterlassen würde und stärker die eigene

Position und die eigenen Interessen betonen

würde. Das war eigentlich schon gemeint – wir

haben also nicht geglaubt, dass von Brüssel aus

bis in die kleinsten Details hier Vorschriften erlassen

werden, die die Länder zu erfüllen haben.

Wenn Sie in der Geschichte der Partei weitergehen

– hat es ja große Erfolge gegeben, aber auch den bitteren

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